Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 889/2004 vom 22.11.2004

Bundesverwaltungsgericht zur Festlegung von Überschwemmungsgebieten

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22.07.2004 (Az.:7 CN 1.04) entschieden, dass festgesetzte Überschwemmungsgebiete sich auch auf Gebiete erstrecken können, die nach Bauplanungsrecht bebaubar sind, weil sie innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans einer Gemeinde liegen.

Nach dem Bundesverwaltungsgericht ist es mit dem Eigentumsbegriff und der gemeindlichen Planungshoheit vereinbar, auch bebaute oder nach Bauplanungsrecht bebaubare Gebiete in ein Überschwemmungsgebiet einzubeziehen, weil der Hochwasserschutz eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang sei, welcher ein grundsätzliches Bauverbot in einem Überschwemmungsgebiet rechtfertigen könne. Das bundesrechtliche Bebauungsrecht, namentlich § 34 BauGB, verbietet nach dem Bundesverwaltungsgericht nicht im Zusammenhang bebaute Ortsteile in ein Überschwemmungsgebiet einzubeziehen. Nach § 29 Abs. 2 BauGB können – so das Bundesverwaltungsgericht – auch durch öffentlich-rechtliche Vorschriften außerhalb des Baugesetzbuchs Anforderungen an die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB gestellt werden. Deshalb können Bauvorhaben, die nach § 34 BauGB bebauungsrechtlich zulässig sind, aus anderen als bebauungsrechtlichen Gründen unzulässig sein, etwa aufgrund des Bauverbots in einem festgestellten Überschwemmungsgebiet.

Es verstößt nach dem Bundesverwaltungsgericht auch nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz, in ein Überschwemmungsgebiet solche Grundstücke einzubeziehen, die nach § 34 BauGB bebaubar sind. Die Festsetzung eines Überschwemmungsgebietes bestimmt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz, stellt aber keine (entschädigungspflichtige) Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Grundgesetz dar. Die Festsetzung eines Überschwemmungsgebiets sei nicht darauf gerichtet, konkrete Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben vollständig oder teilweise zu entziehen, sondern sie beschränke nur generell und abstrakt die Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks. Eine solche Beschränkung genügt nach dem Bundesverwaltungsgericht dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und ist insbesondere dem Grundstückseigentümer zumutbar, so dass es eines finanziellen Ausgleichs nicht bedarf, um im Einzelfall diese Zumutbarkeit zu wahren. Aus denselben Erwägungen können nach dem Bundesverwaltungsgericht auch Grundstücke, die in dem Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegen, in ein Überschwemmungsgebiet einbezogen werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz den Gemeinden ein Anhörungsrecht einräumt, wenn durch eine untergesetzliche Rechtsnorm ihre Planungshoheit eingeschränkt wird (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 7.10.1980 – Az.: 2 BvR 584, 598, 599, 604/76 – BVerfGE 56, S. 298ff., S. 319ff.). Denn in dem zu entscheidenden Fall, war eine Anhörung der betroffenen Gemeinden erfolgt. Gleichwohl hat das Bundesverwaltungsgericht die konkrete Festlegung des Überschwemmungsgebietes gerügt, weil das Überschwemmungsgebiet im Jahr 2002 auf der Grundlage von Untersuchungen aus dem Jahr 1991 festgesetzt worden war. In diesem Zusammenhang weist das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, dass ein Überschwemmungsgebiet grundsätzlich parzellenscharf festgesetzt wird. Erstrecke sich die Rechtsverordnung, mit welcher das Überschwemmungsgebiet festgesetzt werde, hiernach auf ein Grundstück, das bei ihrem Erlass infolge zuvor eingetretener Veränderungen nicht erfasst worden sei, so sei die Rechtsverordnung in diesem Umfang unwirksam.

Die Geschäftsstelle weist auf folgendes ergänzend hin: Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.7.2004 bedeutet eine Abkehr von dem bislang geltenden Grundsatz, dass in festgesetzten Bebauungsplangebieten oder Gebieten nach § 34 BauGB nachträglich keine Überschwemmungsgebiete hineingelegt und festgesetzt werden können. Vor diesem Hintergrund ist es nunmehr für eine Gemeinde unerlässlich vor der Ausweisung von Bauland abzuklären, ob die in Aussicht genommenen Flächen zukünftig möglicherweise in einem Überschwemmungsgebiet liegen könnten, mit der Folge, dass eine Bebauung nicht durchgeführt werden könnte. Grundlage für die Ermittlung und Festlegung von Überschwemmungsgebieten ist in NRW zurzeit ein Arbeitspapier der staatlichen Umweltverwaltung. Konkret erarbeiten die jeweils zuständigen staatlichen Umweltämter den technischen Rahmen zur Festlegung von Überschwemmungsgebieten. Die jeweils zuständigen Bezirksregierungen legen die Überschwemmungsgebiete anschließend durch Rechtsverordnung fest. Unverzichtbar ist, dass in diesem Zusammenhang die Städte und Gemeinden als Bauleitplanungsträger frühzeitig in die Ermittlung und Festlegung von Überschwemmungsgebieten einbezogen werden, damit insbesondere auch die kommunale Bauleitplanung auf die Festlegung von Überschwemmungsgebieten ausgerichtet und abgestimmt werden kann.

Az.: II/2 20-00 qu/qu

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