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StGB NRW-Mitteilung 147/2016 vom 24.02.2016

Bundessozialgericht zu Sozialleistungen für EU-Bürger/innen

Der Städte- und Gemeindebund NRW hat mit Presseerklärung vom 10.12.2015 Urteile des Bundessozialgerichts zu Sozialleistungen für EU-Bürger/innen kritisiert. Nach der höchstrichterlichen Entscheidung haben EU-Ausländer/innen ohne Freizügigkeitsberechtigung zwar keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II, ggf. aber nach 6 Monaten Aufenthalt in Deutschland Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII.

Inzwischen liegen die Entscheidungsgründe zum Urteil vom 03.12.2015 (Az.: B4 AS 44/15 R) vor. Das Gericht hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass die Kläger keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II haben. Sie seien unabhängig von der bestehenden Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 9 SGB II, ihres gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland und der Erfüllung der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II im streitigen Zeitraum zumindest durch die Kläger zu 1 und zu 2 sowie deren Erwerbsfähigkeit von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgrund von § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 2 SGB II ausgeschlossen. Danach seien von den benannten Leistungen ausgenommen:

  1. Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund von § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthaltes und
  2. Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt und ihre Familienangehörigen.

Das Gericht kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass den Klägern ein Recht auf Existenzsicherung durch Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII in gesetzlicher Höhe zustehe. Zum betont das Gericht, dass die nach § 18 Abs. 1 SGB XII erforderliche Kenntnis der Beigeladenen (der Stadt) von dem Bedarf der Kläger vorliege. Die Beigeladenen müssten sich insoweit die Kenntnis des Beklagten aufgrund des Antrags auf SGB II Leistungen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zurechnen lassen.

Das Bundessozialgericht stellt ferner fest, dass die Erwerbsfähigkeit zumindest der Kläger zu 1 und zu 2 der Anwendung des SGB XII nicht entgegenstehe. Schon der Wortlaut des § 21 Satz 1 SGB XII stelle nicht ausschließlich auf das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit ab, sondern berücksichtige einen Leistungsanspruch nach dem SGB II dem Grunde nach. Sei mithin ein Erwerbsfähiger wegen des Vorliegens der Voraussetzungen eines Leistungsausschlusses nicht leistungsberechtigt nach dem SGB II, folge hieraus nicht zwangsläufig ein Leistungsausschluss nach dem SGB XII. In der Folge legt das Gericht dezidiert dar, dass im konkreten Fall spätestens nach sechs Monaten ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt bestehe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe, abrufbar unter Angabe des Aktenzeichens auf der Homepage des Bundessozialgerichts unter www.bsg.bund.de und dort unter Entscheidungen.

Die Geschäftsstelle des Städte- und Gemeindebundes NRW steht auf dem Standpunkt, dass im konkreten Fall den Klägern grds. kein Anspruch auf Sozialhilfe zusteht. Personen, die dem Grunde nach, also nach ihrem Gesundheitszustand, erwerbsfähig sind, unterfallen nämlich gar nicht dem Regelungsbereich des Sozialhilferechtes, wie sich aus § 21 Satz 1 SGB XII ergibt. Soweit das Bundessozialgericht der Auffassung ist, sich über diesen Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen zu können, ist dies verfassungsrechtlich kaum haltbar, zumindest rechtlich äußerst umstritten.

Ebenso hat sich inzwischen das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 11. Dezember 2015 (Az.: S 149 AS 7191/13) geäußert. Durch das „Einlegen“ von Regelungszielen in eine Norm, die der Gesetzgeber gerade nicht verfolgt habe, werde die Grenze der richterlichen Gesetzesauslegung überschritten und damit das Prinzip der Gewaltenteilung durchbrochen. Der Kläger habe auch nicht von Verfassung wegen einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Bei der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums komme dem Gesetzgeber nämlich ein Gestaltungsspielraum zu.

Anders als Asylbewerbern sei es Unionsbürgern regelmäßig möglich, ohne drohende Gefahren für hochrangige Rechtsgüter in ihr Heimatland zurück zu kehren und dort staatliche Unterstützungsleistungen zu erlangen. Der Deutsche Staat sei deshalb regelmäßig nur zur Gewährung von Überbrückungsleistungen verpflichtet, welche insbesondere die Übernahme der Kosten der Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts in Deutschland erfassten. Derartige Leistungen habe der Kläger vorliegend jedoch nicht begehrt.

Der Bundesgesetzgeber muss nun durch Gesetz klarstellen, dass EU-Ausländer in derartigen Fällen keinen Anspruch auf SGB XII Leistungen haben. Insoweit wird die Ankündigung von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles grundsätzlich begrüßt, den Anspruch von EU-Ausländern auf Sozialhilfe in Deutschland per Gesetz deutlich zu beschränken und damit mögliche Zuwanderung ins Sozialsystem zu erschweren. Die StGB NRW-Geschäftsstelle wird über den aktuellen Sachstand informieren.

Az.: 37.0.5.6

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