Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 10/2008 vom 27.11.2007

Bundesrechnungshof zur Föderalismusreform II

Der Bundesrechnungshof (BRH) hat Ende September 2007 ein Gutachten zur Modernisierung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern vorgelegt. Im Mittelpunkt des Gutachtens stehen die föderalen Verwaltungsbeziehungen, die „zu vielfältigen Schnittstellen zwischen Bund und Ländern und zahlreichen Einfallstoren intransparenter Verflechtungen geführt haben“. Der BRH empfiehlt eine möglichst weitgehende Entflechtung der Verwaltungsbeziehungen von Bund und Ländern und macht im Gutachten entsprechende Vorschläge. Im Bereich Steuern empfiehlt er eine Bundessteuerverwaltung, die gegenüber der bisherigen Finanzverwaltung der Länder eine Effizienzrendite aufweise.

Nachfolgend geben wir die Ausführungen des BRH zur Mischfinanzierung von Aufgaben, zur Finanzverwaltung und zur Reform des Haushalts- und Rechnungswesens wieder.

Mischfinanzierung

Kritisiert wird die gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern (Mischfinanzierung), die aus gemeinsamer Planungs-, Koordinierungs- und Steuerungsarbeit von Bund und Ländern resultiert. Der BRH stellt für die bisherigen Mischfinanzierungen fest, dass

- sich alle untersuchten Mischfinanzierungen zu verhältnismäßig starren Dauermischfinanzierungen des Bundes für Aufgaben der Länder entwickelt hatten,

- den Verwaltungsverfahren durchweg die Flexibilität fehlte, um auf unterschiedliche und geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren zu können,

- die Mittelansätze beim Bund wie die Aufteilung der Mittel auf die Länder starr und nicht zielgenau auf den Förderungszweck ausgerichtet waren und

- dadurch mit erheblichem bürokratischen Aufwand im Ergebnis falsche und unwirtschaftliche Steuerungsanreize gesetzt wurden.

Der BRH empfiehlt, diese Verflechtungsform grundsätzlich aufzugeben und stattdessen die Aufgabenerfüllung der Länder in den vom Bund mitfinanzierten Sektoren durch eine deren Eigenstaatlichkeit stärkende, aufgabenadäquate Finanzausstattung sicherzustellen.

Ausführlich beschäftigt sich der BRH mit dem Subsidiaritätsprinzip, das dazu zwinge, darüber nachzudenken, ob eine konkrete Aufgabe nicht genauso gut von der unteren Ebene – und damit autonomieschonender – erfüllt werden kann, wie von der übergeordneten. Die Wahrnehmung einer (Verwaltungs-) Aufgabe, die nicht als die eigene verstanden, nicht oder nicht ausschließlich mit eigenem Geld bezahlt und nicht selbst-, sondern fremdbestimmt, d. h. unter Aufsicht, Weisung und Kontrolle wahrgenommen wird, führe tendenziell zu unwirtschaftlichem und von Interessenkollision geprägtem Verhalten und Verwalten, kurzum: zu dysfunktionalen Fehlanreizen zwischen den staatlichen Ebenen, schreibt der BRH. Dies zeigten beispielhaft und anschaulich die großen Bereiche bei der Steuerverwaltung und der Verkehrsinfrastruktur (Fernstraßen) wie auch jüngere, aber nicht minder bedeutsame Verflechtungen aus dem Bereich der sozialen Sicherheit (Harz IV).

Steuerverwaltung

Der BRH empfiehlt eine bundeseinheitliche Steuerverwaltung, die den Vollzug der Steuergesetzgebung durch die Länder ablösen soll. Ersatzweise müssten wenigstens die Weisungsrechte des Bundes gegenüber den Ländern gestärkt werden, um eine einheitliche Anwendung der Steuergesetzgebung durchzusetzen und die Abstimmungsbürokratie zu verhindern, heißt es.

Folgende Schwachstellen in der Finanzverwaltung benennt der BRH:

- Die Regeln der Finanzverfassung führen dazu, dass die Länder als Vollzugsebene kein ausreichendes Eigeninteresse daran haben, die Steuern vollständig und rechtzeitig zu erheben. Dies beeinträchtigt die Einnahmebasis des Staates.

- Die Steuergesetze werden gegenüber den Bürgern und Unternehmen nicht einheitlich angewendet. Damit ist keine Steuergerechtigkeit gewährleistet.

- Es sind bürokratische Strukturen zur Koordinierung zwischen Bund und Ländern entstanden. Diese bringen einen unwirtschaftlichen Abstimmungsaufwand mit sich und führen nicht zu einer effektiven Steuerung der Finanzverwaltung.

- Der Föderalismus im Steuerbereich behindert die Einführung moderner IT-Systeme und die Zusammenarbeit in der Europäischen Union.

Durch Änderung des Grundgesetzes sollte eine Bundessteuerverwaltung eingerichtet werden. Eine Bundessteuerverwaltung verspreche eine Effizienzrendite und sei besser geeignet, die Steuern in ganz Deutschland vollständig, nach gleichen Maßstäben sowie ohne regionale Einflüsse zu erheben.

Zudem behindere die zersplitterte Struktur der Finanzverwaltung Anstrengungen zur Verwaltungsmodernisierung und erschwere die Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Auf der Bundesebene könne diese Aufgabe besser wahrgenommen werden. Bereits im Jahr 2000 hatte der Bundesrechnungshof deshalb angeregt, die bisherige Verflechtung zu beenden und eine Bundessteuerverwaltung einzurichten. Auch das Bundesministerium der Finanzen hat in einem Positionspapier vom 11. Mai 2004 festgestellt, dass der Steuerföderalismus in Deutschland die Steuerverwaltung behindere und Reibungsverluste mit spürbaren finanziellen Folgen erzeuge. Das BMF stellte unter anderem fest:

- Die Aufsplitterung in 16 unabhängige Steuerverwaltungen bedingt Vollzugsunterschiede; Personaleinsatz, technische Ausstattung, Prüfungsfrequenz und -schwerpunkte der Länder weichen voneinander ab.

- Die deutsche Steuerverwaltung weist Effizienzdefizite auf, die auf dem Partikularismus der Länderverwaltung beruhen.

- Es besteht die Gefahr, dass die Länder mangels eigener finanzieller Interessen den Vollzug der Steuergesetze vernachlässigen. Das Finanzausgleichssystem verzerrt das Aufkommensinteresse der Länder, die deshalb in Versuchung geraten, die Intensität der Steuererhebung an zweifelhaften standortpolitischen Interessen auszurichten.

- Durch die nicht kompatiblen Datensysteme ist der Informationsaustausch zwischen den Ländern und dem Bund erschwert und es wird einem in großem Stil betriebenen Umsatzsteuerbetrug Vorschub geleistet.

- Die bestehende Finanzverfassung erschwert eine flexible und konsequente Verhandlungsführung Deutschlands in der Europäischen Union.

Jedoch sei dem BRH auch bewusst, dass eine Entflechtung nicht leicht umzusetzen ist. Deshalb sollte wenigstens die Position des Bundes gegenüber den Ländern über die bisherigen Neuregelungen des Föderalismusreform-Begleitgesetzes hinaus gestärkt werden. Notwendiges Kernelement seien Weisungsrechte des Bundes ohne Zustimmungserfordernisse der Länder. Diese seien insbesondere bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, im Bereich der Datenverarbeitung sowie bei den Risikomanagementsystemen notwendig.

Haushalts- und Rechnungswesen

Ein weiterer Teil des Gutachtens befasst sich mit der Modernisierung des staatlichen Haushalts- und Rechnungswesens. Die derzeit überwiegend noch kameral geführten Haushalte von Bund und Ländern ließen die tatsächlichen Kosten politischer Entscheidungen häufig nicht erkennen. Deshalb sollten die Reformbestrebungen zur Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens unterstützt und fortgesetzt werden. Ein modernisiertes Haushalts- und Rechnungswesen müsse nach Auffassung des BRH einheitliche Grundlagen aufweisen, um die öffentlichen Haushalte – trotz unterschiedliche Modernisierungsansätze der Gebietskörperschaften – ebenenübergreifend, transparent und vergleichbar zu halten, damit national und international vergleichbare Datengrundlagen die Ableitungen von Haushaltskennzahlen ermöglichen. Aus gesamtstaatlicher Sicht sei es wünschenswert, dass Bund und Länder sich entweder auf ein System der erweiterten Kameralistik oder auf ein doppisches System des Haushalts- und Rechnungswesens verständigten.

Der Bundesrechnungshof verdeutlicht die Schwachstellen des kameralen Rechnungswesens und weist darauf hin, dass auch im internationalen Bereich vergleichbare Reformbestrebungen zu beobachten sind. Zu den Ansätzen für eine Modernisierung des staatlichen Rechnungswesens heißt es, dass Bund und Länder sich weitgehend einig sind, dass eine derartige Modernisierung des Haushalts- und Rechnungswesens notwendig ist, um den veränderten Anforderungen zu genügen.

Unterschiedliche Wege würden bei der Umsetzung beschritten. Einzelne Länder haben sich für die Einführung der Doppik entschieden. Das doppische Rechnungsmodell sei ein logisch geschlossenes System, das alle erforderlichen Daten integriert, es sei wenig fehleranfällig. Die grundlegende Neuorientierung sei jedoch mit einem hohen Einführungs- und Umstellungsaufwand verbunden und könne daher Akzeptanzprobleme hervorrufen. In Deutschland verfolgen diesen Ansatz insbesondere die Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Hamburg.

Auch auf internationaler Ebene sei die Doppik das vorherrschende Reforminstrument, unter anderem verfolgen die Schweiz, Österreich, Frankreich, Großbritannien sowie Australien diesen Ansatz. Auch supranationale Organisationen wie NATO, Vereinte Nationen und die Europäische Kommission orientierten sich in diese Richtung.

Der Bund sowie einzelne Länder (z.B. Baden-Württemberg, Berlin, Rheinland-Pfalz) wollen ihr Haushalts- und Rechnungswesen durch eine erweiterte Kameralistik modernisieren. Die erweiterte Kameralistik ergänzt das herkömmliche kamerale System um wesentliche betriebswirtschaftliche Elemente. Neben der Bereitstellung von Produktinformationen kommt der Kosten- und Leistungsrechnung in diesen Modellen besondere Bedeutung für den Nachweis des periodengerechten Ressourcenverzehrs und der Vermögensentwicklung zu. Ohne grundlegenden Systemwechsel und mit geringeren Änderungswiderständen bei den betroffenen Anwendern können hierbei wesentliche betriebswirtschaftliche Anforderungen abgedeckt werden. Allerdings sei das Nebeneinander von gesonderten Rechenwerken erfahrungsgemäß fehleranfällig. Zudem bedürfe es besonderer Anstrengungen, um die Kompatibilität der Daten sicherzustellen. Da die so gewonnenen betriebswirtschaftlichen Informationen lediglich das bestehende System ergänzen, besteht die Gefahr, dass das Finanzmanagement von der „alten“ Denkweise geprägt bleibt, schreibt der BRH.

Nach Auffassung des BRH müsse ein modernisiertes Haushalts- und Rechnungswesen einheitliche Grundlagen aufweisen, um die öffentlichen Haushalte ebenenübergreifend, transparent und vergleichbar zu halten. Die hierfür eingerichteten Bund-Länder-Gremien sollten daher ihre Bemühungen intensiv fortsetzen, einheitliche Mindeststandards zu vereinbaren. Dies entspreche dem verfassungsrechtlichen Gebot gemeinsamer Grundsätze im Interesse der Vergleichbarkeit der Haushalte (Art. 109 Abs. 3 GG).

Abschließend wirft der Bericht noch einen Blick auf Reformen im Hauhalts- und Rechnungswesen in anderen Ländern (Schweiz, Österreich, USA, Australien).

Der 320 umfassende Bericht ist erhältlich unter www.bundestag.de/parlament/gremien/foederalismus2/drucksachen/kdrs055.pdf.

Az.: IV/1 902-05

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