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StGB NRW-Mitteilung 557/1996 vom 05.12.1996

Bürgerentscheid und Gesamtschule

In einem bundesweit aufsehenerregenden Beschluß vom 15.11.1996 (15 B 2861/96) hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die aufschiebende Wirkung einer Klage der Stadt Münster gegen eine kommunalaufsichtliche Beanstandungsverfügung der Bezirksregierung Münster wieder hergestellt. Vorausgegangen war dem gerichtlichen Verfahren eine kommunalaufsichtliche Aufhebungsverfügung der Bezirksregierung, die sich gegen einen Beschluß des Rates der Stadt Münster richtete, mit dem die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens festgestellt worden war. Das Bürgerbegehren richtete sich gegen die Auflösung einer Haupt- und einer Realschule, die einer noch zu bildenden Gesamtschule Platz machen sollten. Zum kommunalaufsichtlichen Einschreiten der Bezirksregierung Münster kam es, weil das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen hierzu in mehreren Erlassen aufgefordert hatte, in denen detaillierte Ausführungen zur Rechtsauffassung des Innenministeriums enthalten waren, die die Bezirksregierung zum Gegenstand ihrer Beanstandung gemacht hatte.

Während das Verwaltungsgericht Münster im Beschluß vom 14.11.1996 (1 L 1089/96) die angegriffene kommunalaufsichtliche Aufhebungsverfügung noch als weder offensichtlich rechtmäßig noch als offensichtlich rechtswidrig bezeichnete, aber ein überwiegendes Interesse der Stadt Münster an der Durchführung des Bürgerentscheids erkannte, erachtete das Oberverwaltungsgericht die kommunalaufsichtliche Aufhebungsverfügung aus folgenden Gründen für offensichtlich rechtswidrig:

"Die Beschwerde (...) hat einen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 1 K 3430/96 gegen die kommunalaufsichtliche Aufhebungsverfügung der Antragsgegnerin vom 13. November 1996 zu recht stattgegeben. Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil die angegriffene Aufhebungsverfügung offensichtlich rechtswidrig ist.

Die in der Aufhebungsverfügung gegebene Begründung, der Ratsbeschluß vom 09. Oktober 1996, mit dem die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens gegen die Auflösung der Fürstenberg-Schule und der Fürstin-von-Gallitzin-Schule festgestellt wurde, sei rechtswidrig, weil das Bürgerbegehren gemäß § 26 Abs. 5 Nr. 9 GO NW unzulässig sei (Anträge, die ein gesetzwidriges Ziel verfolgen), trifft nicht zu. Der Rat der Antragstellerin war und ist bis zur endgültigen Feststellung eines Bedürfnisses gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 SchVG gesetzlich nicht verpflichtet, die Errichtung einer Gesamtschule unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Schülerzahl auf dem vorgesehenen Standort unter Auflösung der dort vorhandenen Schulen zu beschließen. Ein solches Bedürfnis ist bislang nicht festgestellt. Das vorgesehene Anmeldeverfahren dient erst dazu, ein derartiges Bedürfnis festzustellen. War und ist der Rat somit gesetzlich nicht verpflichtet, den durch das Bürgerbegehren angegriffenen Beschluß zu fassen, verfolgt ein auf die Aufhebung dieses Beschlusses gerichtetes Bürgerbegehren kein gesetzwidriges Ziel. Aus der von der Antragsgegnerin zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 03. Februar 1995 - 19 B 547/95 - läßt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Im übrigen wird auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu § 26 Abs. 5 Nr. 9 GO NW im angefochtenen Beschluß verwiesen.

Die Erwägungen des Verwaltungsgerichts, das Bürgerbegehren könne möglicherweise gemäß § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NW unzulässig sein (Angelegenheiten, die im Rahmen eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung zu entscheiden sind), teilt der Senat nicht. Zum einen stellen die schulrechtlichen Regelungen zur Ermittlung eines Bedürfnisses für eine bestimmte Schule nicht die Regelung eines förmlichen Verwaltungsverfahrens (vgl. dazu § 63 ff. VwVfG NW) mit Öffentlichkeitsbeteiligung dar, sondern ein formloses Verwaltungsverfahren mit Betroffenenbeteiligung. Daher liegt auch die Annahme fern, daß es sich um ein "vergleichbares Zulassungsverfahren" im Sinne des § 26 Abs. 5 Nr. 5 GO NW handelt, wie die Antragsgegnerin meint. Zum anderen ist die hier zur Entscheidung durch die Bürger gestellte Angelegenheit (Aufhebung des Ratsbeschlusses, eine Gesamtschule unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Schülerzahl auf dem vorgesehenen Standort unter Auflösung der dort vorhandenen Schulen zu errichten), nicht eine solche, die unter Beteiligung irgendjemandes zu entscheiden wäre. So wie der Rat den durch das Bürgerbegehren angegriffenen Beschluß ohne Öffentlichkeitsbeteiligung gefaßt hat und hat fassen können, kann der Beschluß auch wieder aufgehoben werden.(...)"

Az.: I/2-020-08-26

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