Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 610/2009 vom 17.11.2009

Ausschreibungspflichtige Vertragsänderungen und In-House-Vergabe

Mit Beschluss vom 29.10.2009 (13 Verg 8/09) hat das Oberlandesgericht Celle festgestellt, dass eine erneute Ausschreibung erforderlich ist, wenn eine Vertragsänderung zu einer Mehrvergütung führt, deren Höhe für sich genommen den maßgeblichen Schwellenwert übersteigt, sofern die Änderung nicht schon im ursprünglichen Vertrag vorgesehen ist. Darüber hinaus hat das Gericht zu den Voraussetzungen Stellung genommen, unter denen die Umsätze von 100 %igen Tochtergesellschaften einer Auftragnehmerin bei der Frage zu berücksichtigen sind, ob die Auftragnehmerin im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig ist und somit ein vergabefreies Inhouse-Geschäft vorliegt.

I. Ausschreibungspflichtige Vertragsänderung

Die Aussagen des OLG Celle zur ausschreibungspflichtigen Vertragsänderung beziehen sich auf die Einführung eines Holsystems (blaue Tonne) zur Sammlung von Altpapier, das zuvor mit einer monatlichen Straßensammlung erfasst worden war. Hinsichtlich der Ausschreibungspflicht folgt das Gericht dem EuGH, indem es maßgeblich darauf abstellt, ob Bedingungen eingeführt werden, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären. Da im konkreten Fall die Aufstockung des Fuhrparks und des Personals erforderlich war, sei bereits dieses Kriterium erfüllt. Ebenfalls im Anschluss an den EuGH nimmt das OLG auch deswegen eine Ausschreibungspflicht an, weil der absolute Wert der Vertragsänderung den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet. Eine andere Beurteilung sei ausnahmsweise nur dann möglich, wenn die Preisänderung während der Laufzeit des Auftrags nach den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags ausdrücklich erlaubt ist.

II. Kein In-House-Geschäft

Nachfolgend geht das Gericht auf das nach der gleichnamigen EuGH-Entscheidung benannte zweite Teckal-Kriterium ein, nach dem ein vergaberechtsfreies In-House-Geschäft voraussetzt, dass der vom öffentlichen Auftraggeber kontrollierte Auftragnehmer seine Tätigkeit im Wesentlichen für die öffentliche Körperschaft oder die öffentlichen Körperschaften verrichtet, die seine Anteile innehaben. Das OLG Celle geht von einer erheblichen Tätigkeit für Dritte bereits dann aus, wenn das für den Auftrag vorgesehene Unternehmen 7,5 % seines Umsatzes aus Drittgeschäften erzielt. Das Gericht hat damit seine eigene Rechtsprechung bestätigt und in diesem Zusammenhang den EuGH zitiert, der bei einer Tätigkeit für den Auftraggeber zu 90 % das Wesentlichkeitskriterium noch als erfüllt angesehen hatte.

Nach den Ausführungen des OLG Celle sei zwar bei isolierter Betrachtung des auftragnehmenden kommunalen Unternehmens eine Fremdtätigkeit von lediglich 3,67 % festzustellen und somit das Wesentlichkeitskriterium als erfüllt anzusehen. Das Gericht ergänzt jedoch, dass gemäß den Vorgaben des EuGH bei der Beurteilung des Wesentlichkeitskriteriums alle quantitativen und qualitativen Umstände des Falles in den Blick genommen werden müssen. Zu berücksichtigen seien auch die Unsätze einer 100 %igen Tochtergesellschaft des auftragnehmenden kommunalen Unternehmens, also einer Enkelgesellschaft der auftraggebenden Kommune. Das Gericht hat daher vorliegend darauf abgestellt, dass für Mutter und Tochter ein gemeinsamer konsolidierter Abschluss vorlag, dass der Geschäftsbericht die Ertragslage beider Gesellschaften zusammenfasste und gruppeninterne Vorgänge eliminierte und dass die Tochter nur mit personeller und sachlicher Ausstattung der Mutter arbeitsfähig war.

III. Keine interkommunale Kooperation

 

Schließlich hat das OLG Celle festgestellt, dass die Vergabe an ein Kommunalunternehmen nicht schon deshalb als interkommunale Zusammenarbeit — die nach der neueren EuGH-Rechtsprechung („Stadtreinigung Hamburg“) vergaberechtsfrei sein kann — zu qualifizieren sei, weil das auftragnehmende Unternehmen zusammen mit einer weiteren Kommune zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben gegründet wurde. Der EuGH habe für die Annahme einer reinen verwaltungsinternen Kooperation insbesondere die Wahrnehmung gegenseitiger Verpflichtungen, die über eine reine Leistungsbeziehung hinausgeht, und den Ausschluss einer Ungleichbehandlung Privater gefordert. Dahingegen sei der streitgegenständliche Entsorgungsvertrag ein klassischer Vertrag über die Beschaffung einer Leistung am Markt.Weitere Einzelheiten zur EuGH-Entscheidung vom 09.06.2009 /C-480/06) können einem Hintergrundbericht unter www.dstgb-vis.de entnommen werden, dem auch eine Bewertung seitens des DStGB beigefügt ist.

Az.: II/1 608-00

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search