Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 609/2009 vom 19.11.2009

Ausschreibungspflicht bei kommunalen Immobiliengeschäften

Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), Paolo Mengozzi, hat im Rahmen seiner Schlussanträge vom 17.11.2009 in der Rechtssache C-451/08 (Vorabentscheidungsersuchen des OLG Düsseldorf — Beschluss vom 02.10.2008 — VII Verg 25/08) zu der Frage Stellung genommen, ob und unter welchen Voraussetzungen Immobiliengeschäfte der öffentlichen Hand dem Anwendungsbereich des europäischen

Vergaberechts unterliegen. Die Rechtsauffassung des Generalanwalts ist aus Sicht der Städte und Gemeinden sehr zu begrüßen. Denn er ist der Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf in weiten Teilen entgegen getreten.

Rückblick:

Das OLG Düsseldorf hatte im Rahmen mehrerer Entscheidungen (vgl. unter anderem Entscheidung vom 13.06.2007 — Flugplatz Ahlhorn, 12.12.2007 — Wuppertal-Vohwinkel, 06.02.2008 — Oer-Erkenschwick) eine für Städte und Gemeinden rechtlich wie tatsächlich sehr bedeutsame Weichenstellung vorgenommen. Danach soll dem europäischen Vergaberecht sowie der hierauf basierenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof (EuGH vom 18.01.2008 — C-220/05 — Stadt Roanne) zu entnehmen sein, dass Immobiliengeschäfte, bei denen die öffentliche Hand (kommunale) Grundstücke im Rahmen von städtebaulichen Investorenprojekten veräußert, dem europäischen Vergaberecht unterworfen sind. Voraussetzung sei lediglich, dass mit dem Grundstücksverkauf eine Bauverpflichtung des Investors verbunden ist oder — mit anderen Worten — dass die öffentliche Hand durch die Ausgestaltung von Grundstückskaufverträgen die Verfügbarkeit des Grundstücks nach der Veräußerung für eine angestrebte — vom OLG Düsseldorf sehr weit interpretierte — öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt. Diese Rechtsprechung hat in Deutschland zu Verunsicherung sowohl auf Seiten der Städte und Gemeinden als auch auf Seiten potenzieller Investoren geführt.

Schlussanträge des Generalanwalts:
In der Beantwortung von neun Vorlagefragen des OLG Düsseldorf zum Themenkomplex „Immobiliengeschäfte der öffentlichen Hand und Anwendung des Vergaberechts“ hat der Generalanwalt klargestellt, dass das europäische Vergaberecht (in Form der Richtlinie 2004/18/EG) seinem Sinn und Zweck nach vornehmlich darauf abzielt, Beschaffungstätigkeiten der öffentlichen Hand wettbewerblichen Verfahren zu unterwerfen. Eine weitergehende Zielsetzung, die die öffentliche Hand mit einer Beschaffungstätigkeit verfolge, spiele für die Anwendbarkeit der EU-Vergaberichtlinie keine Rolle. Insoweit sei auch der kooperative Städtebau, also eine von einem Planungsträger angestrebte städtebauliche Entwicklung in Kooperation mit privaten Dritten, einer isolierten Betrachtung zu unterziehen. Der Generalanwalt hat im Ergebnis vorgeschlagen, die Fragen des OLG Düsseldorf (vgl. die beigefügte Anlage — Schlussanträge des Generalanwalts) wie folgt zu beantworten:
Das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrags oder einer öffentlichen Baukonzession im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge setzt eine unmittelbare Verbindung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und den zu realisierenden Arbeiten oder Werken voraus. Diese unmittelbare Verbindung kann insbesondere darin bestehen, dass das Bauwerk von der öffentlichen Verwaltung erworben werden soll oder ihr unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt, oder aber darin, dass die Initiative für die Realisierung beim öffentlichen Auftraggeber liegt oder dieser zumindest teilweise deren Kosten trägt.

Die Begriffe des öffentlichen Bauauftrags und der öffentlichen Baukonzession im Sinne der Richtlinie 2004/18 setzen eine vertragliche Verpflichtung des Auftragnehmers gegenüber der öffentlichen Verwaltung zur Erbringung der vereinbarten Leistung voraus. Die Folgen einer etwaigen Nichterfüllung von Seiten des Auftragnehmers richten sich nach dem nationalen Recht.

Mit einer öffentlichen Baukonzession im Sinne der Richtlinie 2004/18 kann nie vorgesehen werden, dass dem Konzessionär ein unbefristetes Recht an der Sache, die Gegenstand der Konzession ist, eingeräumt wird. Wenn es klare Hinweise darauf gibt, dass die Gemeinschaftsvorschriften über öffentliche Aufträge und Konzessionen umgangen werden sollten, können bei der rechtlichen Würdigung eines Sachverhalts die beiden — auch in zeitlicher Hinsicht — förmlich voneinander getrennten Handlungen der Veräußerung eines Grundstücks und der Vergabe eines Auftrags oder einer Konzession für dieses Grundstück als eine einzige Rechtshandlung angesehen werden. Es ist Sache des nationalen Gerichts, auf der Grundlage aller Fallumstände zu prüfen, ob eine solche Umgehungsabsicht vorliegt.

Anmerkung:

Aus kommunaler Sicht bleibt zu hoffen, dass sich der Europäische Gerichtshof in der

Rechtssache C-451/08 der Rechtsauffassung des Generalanwalts anschließen wird. Ihm ist zuzustimmen, dass eine bestimmte (kommunale) Tätigkeit nur dann von den Vorschriften über öffentliche Bauaufträge erfasst wird, wenn eine „unmittelbare Verbindung“ zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und den zu verwirklichenden Arbeiten oder Werken besteht. Eine solche Verbindung ergibt sich nach Auffassung des Generalanwalts in der Regel daraus, dass Arbeiten / Werke auf Veranlassung der öffentlichen Verwaltung hin realisiert werden. Ein rein immaterieller oder mittelbarer Nutzen oder gar der Umstand, dass eine zu beurteilende Tätigkeit allgemein im Einklang mit dem öffentlichen Interesse stehe, könne für die Annahme eines öffentlichen Bauauftrags beziehungsweise einer Baukonzession nicht ausreichen.

Der Generalanwalt hat mithin festgestellt, dass das bloße Verfolgen eines öffentlichen Interesses (etwa das Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung) im Wege der Ausübung gewöhnlicher städtebaulicher Befugnisse nicht ausreicht, um zur Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über Aufträge und Konzessionen zu führen. Auch die weitergehenden Ausführungen des Generalanwalts, etwa zu der Frage, ob ein öffentlicher Bauauftrag voraussetzt, dass sich ein Auftragnehmer zur Realisierung des Bauwerks verpflichtet (Bauverpflichtung), sind nachvollziehbar und aus kommunaler Sicht unterstützenswert. Der Generalanwalt hat die vorstehende Frage bejaht und unterstrichen, dass die Verpflichtung zur Realisierung einer Baumaßnahme / eines Bauwerks ein unverzichtbares Element für das Vorliegen eines öffentlichen Bauauftrags beziehungsweise einer öffentlichen Baukonzession darstellt.

Hinsichtlich der Beantwortung der weiteren Vorlagefragen des OLG Düsseldorf verweisen wir auf die Schlussanträge, welche im Intranet unter Fachinformation und Servie/Fachgebiete/Bauen und Vergabe abgerufen werden können.

Hervorhebenswert ist schließlich, dass auf der Grundlage der Ausführungen des Generalanwalts die seitens des Bundesgesetzgebers getroffene Neuregelungen zur Definition des Bauauftragsbegriffs in § 99 Abs. 3 GWB beziehungsweise zur eingrenzenden Definition des Baukonzessionsbegriffs in § 99 Abs. 6 GWB als europarechtskonform betrachtet werden können. Der Generalanwalt führt diesbezüglich aus:
„Deshalb scheint mir das neue deutsche Gesetz, mit dem unter anderem eine Definition der öffentlichen Baukonzession eingeführt wurde, die ausdrücklich auf die Befristetheit des dem Konzessionär eingeräumten Rechts Bezug nimmt, richtig und gemeinschaftskonform.“

Die Geschäftsstelle wird über die weitere Entwicklung unterrichten.

 

Az.: II/1 608-16

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