Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 828/1999 vom 05.12.1999

Ausschreibungspflicht bei Energielieferungsverträgen

Am 01.01.1999 ist das Vergaberechtsänderungsgesetz in Kraft getreten. Nach den §§ 97 ff. GWB ist bei Überschreiten der Schwellenwerte der Europäischen Union (bei Lieferaufträgen 200.000 ECU, was derzeit 384.253 DM entspricht) eine europaweite Ausschreibung erforderlich. Soweit diese Schwellenwerte nicht überschritten werden, besteht nach dem Haushaltsrecht ein Pflicht zur Ausschreibung.

In diesem Zusammenhang ist an die Geschäftsstelle mehrfach die Frage gerichtet worden, ob eine Verpflichtung zur Ausschreibung auch dann gegeben ist, wenn die Kommune Energielieferungsverträge mit den eigenen Gemeinde- oder Stadtwerken abschließen möchte. Insoweit wird die Auffassung vertreten, daß die Kommunen ihren künftigen Stromlieferanten durch eine öffentliche Ausschreibung ermitteln müßten. Eine freihändige Vergabe des Auftrages sei heute nicht mehr zulässig. Die Beschaffung von Strom unterscheide sich seit der Liberalisierung des Marktes nämlich nicht mehr von anderen Lieferleistungen.

Vor dem Hintergrund dieser Argumentation sind wir der Frage nachgegangen, ob tatsächlich eine Ausschreibungspflicht besteht oder ob ein solcher Energielieferungsauftrag wie bislang freihändig vergeben werden kann. Hierzu möchten wir Ihnen folgendes mitteilen:

Die Vorschriften über die Vergabe von Aufträgen verpflichten die Verwaltung, die von ihr benötigten Waren und Dienstleistungen grundsätzlich im Wettbewerb zu beschaffen. Es soll möglichst vielen Bietern die Gelegenheit gegeben werden, ihre Leistung anzubieten. Das einzuhaltende Verfahren ist in den Verdingungsordnungen und neuerdings auch in den

§§ 97 ff. GWB geregelt. Ein förmliches Vergabeverfahren ist jedoch nur dann durchzuführen, wenn der konkrete Auftrag überhaupt den vergaberechtlichen Vorschriften unterliegt. Dies ist bei Stromlieferungsverträgen allerdings sehr zweifelhaft. Bei der Beantwortung dieser Frage ist danach zu unterscheiden, in welcher Rechtsform die Gemeinde die Aufgabe der Energieversorgung erledigt.

1. Eigenbetrieb

Sofern die Energieversorgung durch einen Eigenbetrieb der Gemeinde erfolgt, ist seitens der Kommune keine Ausschreibung erforderlich. Da es sich bei dem Eigenbetrieb um ein unselbständiges Sondervermögen der Gemeinde handelt, ist hinsichtlich der Versorgung der Gemeinde mit Energie durch den Eigenbetrieb ein "Insichgeschäft" gegeben, das nicht dem Vergaberecht unterliegt.

2. Von der Gemeinde beherrschte Gesellschaft

Eine Ausschreibung der Energielieferung ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Gemeinde zum Zwecke der Energieversorgung eine Gesellschaft des privaten Rechts gegründet hat, die sie zu 100% beherrscht. Ausreichend ist jedoch auch eine sog. gemischt-wirtschaftliche Gesellschaft, wenn die Gemeinde die Mehrheit der Gesellschafteranteile hält.

a) Keine Ausschreibung im Bereich der Daseinsvorsorge

Dies gilt jedenfalls unproblematisch für die Gesellschaften, die im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sind. Wenn ein privates Unternehmen gerade zu dem Zweck gegründet worden ist, eine hoheitliche Aufgabe zu erfüllen, dann liegt ein besonderer Umstand vor, der es rechtfertigt die vergaberechtlichen Vorschriften nicht anzuwenden. Andernfalls würde der Zweck der Gesellschaft verfehlt.

Eine Stütze kann diese Praxis nunmehr in dem Grundsatzurteil des EuGH vom 10.11.1998 (Rechtssache C-360/96) finden. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt hatten zwei niederländische Gemeinden ihre kommunalen Müllabfuhrdienste zusammengelegt und sie einer juristischen Person des Privatrechts übertragen, deren Anteile überwiegend in öffentlicher Hand waren. Gegen die Beauftragung des Unternehmens wandte sich ein privater Konkurrent, der auf dem Standpunkt steht, die Lieferung müsse ausgeschrieben werden. Der EuGH hat dem nicht entsprochen und im Ergebnis die freihändige Vergabe der Leistung an das Privatunternehmen nicht beanstandet. Weder die Tatsache, daß Privatunternehmen diese Aufgabe ebenfalls erfüllen könnten noch der Umstand, daß ein solches Unternehmen auch andere Tätigkeiten ausübt, stehen danach dem fehlenden Auftragscharakter entgegen.

Fraglich ist allerdings, ob die Energieversorgung noch als eine Aufgabe der Daseinsvorsorge zu verstehen ist. Nach unserem Verständnis ist dies auch nach der Liberalisierung der Energiemärkte der Fall. Allein der Umstand, daß in diesem Bereich der Wettbewerb zugelassen worden ist, führt nicht automatisch zu einer Änderung der Aufgabenqualität. Die Gemeinden haben vielmehr auch zukünftig die Versorgung ihrer Einwohner mit Energie sicherzustellen, unabhängig davon, ob der Energiemarkt liberalisiert ist.

b) Ausschreibung außerhalb der Daseinsvorsorge?

Zum Teil wird allerdings die Auffassung vertreten, daß infolge der Öffnung der Energiemärkte die Gemeinden im Rahmen der Energieversorgung keine Aufgaben der Daseinsvorsorge mehr wahrnehmen. Doch selbst wenn man sich dieser Ansicht anschließen würde, hätte dies u.E. nicht die Anwendbarkeit des Vergaberechts zur Folge. Auch in diesem Fall sprechen einige Argumente gegen eine Pflicht zur Ausschreibung.

Würde die Gemeinde sich dafür entscheiden, einen Energielieferungsauftrag durch einen Eigen- oder Regiebetrieb durchzuführen, so läge unzweifelhaft keine Auftragserteilung gegenüber einem Dritten vor. Wohl niemand nähme hier eine Verpflichtung der Gemeinde zur öffentlichen Vergabe des Auftrages an.

Wollte man dies für ein gemeindliches Unternehmen in der Rechtsform des Privatrechts anders sehen, so würde damit das bisherige Verständnis von der kommunalen Wirtschaft aufgegeben. Die Freiheit hinsichtlich der Wahl der Rechtsform ist Bestandteil des kommunalen Selbstverwaltungsrechts. Das Wahlrecht der Gemeinden beruht auf der Annahme, daß es sich dem Wesen nach um gleichwertige Betätigungen handelt. Lediglich praktische Überlegungen (z.B. steuerrechtliche Fragen) sind für die Rechtsformenwahl maßgeblich.

Auch ein Unternehmen in privater Rechtsform übernimmt Aufgaben, die letztlich die Kommune selbst wahrzunehmen hätte oder wahrnehmen würde, wenn nicht dieses Unternehmen gegründet worden wäre, auf das die Aufgaben verlagert worden sind. Der Aufgabenträger hat also nur die Organisationsform ausgetauscht. Beide Formen der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinde vergaberechtlich unterschiedlich zu behandeln, würde letztlich eine Behinderung der Rechtsformenwahl darstellen. Kaum jemand könnte nachvollziehen, daß eine Gemeinde eine juristische Person des Privatrechts zum Zwecke der Energieversorgung gründet, selbst jedoch die eigene Energie von einem anderen Energieversorgungsunternehmen beziehen muß.

Bei einem solchen Ansatz würde die private Gesellschaft ihren Zweck verfehlen. Dies gilt auch deshalb, weil die Gemeinde für die meisten Kommunen einer der wichtigsten Energieabnehmer sein dürfte. Der Wegfall der Gemeinde als Abnehmer würde für die eigene Gesellschaft mitunter einen nicht unerheblichen Schaden zur Folge haben. Aufgrund dieser Gesichtspunkte würde eine Ausschreibungspflicht auch außerhalb der Daseinsvorsorge den verfassungsrechtlich geschützten Grundsatz der Freiheit der Rechtsformenwahl berühren.

Im Ergebnis möchten wir daher festhalten, daß die Gemeinden, die über ein eigenes Energieversorgungsunternehmen verfügen oder Mehrheitsgesellschafterin eines solchen sind, für die Energieversorgungsaufträge keiner Ausschreibungspflicht unterliegen.

3. Minderheitsbeteiligung an einer kommunalen Gesellschaft

Hat die Gemeinde gemeinsam mit anderen Kommunen ein Unternehmen zum Zwecke der Energieversorgung der beteiligten Gemeinden gegründet, das zu 100% im Eigentum der Kommunen steht, so besteht unproblematisch dann keine Pflicht zur Ausschreibung, wenn einer der betreffenden Kommunen 51% der Anteile an dieser Gesellschaft gehören. Vielfach wird die Gemeinde jedoch einen geringeren Geschäftsanteil an dieser kommunalen Gesellschaft halten. Auch hier ist die Gemeinde zur freihändigen Vergabe des Auftrages berechtigt. Es handelt sich nämlich um eine Bedarfdeckung im Rahmen einer interkommunalen Zusammenarbeit. Die Quote der Beteiligung der Kommune kann schon aus diesem Grund nicht maßgeblich für die Ausschreibung sein. Die Gemeinde ist vielmehr vergaberechtlich so zu bahandeln, als würde sie den Auftrag an ein eigenes Gemeinde- oder Stadtwerk vergeben.

4. Minderheitsbeteiligung an einer privaten Gesellschaft

Eine Ausschreibungspflicht könnte jedoch dann erforderlich sein, wenn sich die Gemeinde an einer privaten Energieversorgungsgesellschaft beteiligt. Für die Frage, ob ein Energielieferungsauftrag der Ausschreibung unterliegt, ist der Gesichtspunkt einer Minderheitsbeteilung der Kommune grundsätzlich kein geeignetes Kriterium. Da die Energieversorgung u.E. immer noch Teil der Daseinsvorsorge ist und die Gemeinde bei der Aufgabenerledigung eine Rechtsformenwahl hat, kann eine Minderheitsbeteiligung der Gemeinde nicht zu einer Ausschreibungspflicht führen.

Maßgeblich für die Ausschreibungspflicht ist vielmehr der Zweck der Gesellschaft. Ist durch die Satzung der Gesellschaft sichergestellt worden, daß (auch) die beteiligte Gemeinde mit Energie versorgt wird, so kommt die Gemeinde hierdurch ihrer daseinsvorsorgenden Aufgabe der Energieversorgung nach. Damit hat auch diese kommunale Aufgabenerledigung durch eine private Gesellschaft grundsätzlich zur Folge, daß eine Ausschreibung eines Energielieferungsauftrages durch die Gemeinde nicht erfolgen muß.

5. Ausschreibungspflicht bei geringfügiger Beteiligung

Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn die Beteiligung der Gemeinde an der juristischen Person des Privatrechts so gering ist, daß niemand mehr von der Erfüllung einer Aufgabe der Daseinsvorsorge ausgehen kann, sondern vielmehr lediglich eine geringe kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft gegeben ist. Dann wird man wohl von einer Ausschreibungspflicht der Gemeinde ausgehen müssen. Wo allerdings die Grenze liegt, ab der eine Ausschreibung durch die Gemeinde erfolgen muß, kann nicht generell beantwortet werden. Grundsätzlich kann aber gesagt werden, daß eine Ausschreibung immer dann erfolgen muß, wenn die Gemeinde keinen Einfluß auf die Geschäftspolitik des Unternehmens hat.

Wir kommen daher zu folgendem Ergebnis: Die Gemeinde kann im Falle einer Beteiligung an einem Energieversorgungsunternehmen Energielieferaufträge an dieses Unternehmen grundsätzlich freihändig vergeben, wenn durch die Satzung des Unternehmens die Versorgung der Gemeinde mit Energie sichergestellt ist. Eine Verpflichtung zur Ausschreibung besteht lediglich dann, wenn der Anteil an dem Unternehmen derart gering ist, daß die Gemeinde keinen Einfluß auf die Geschäftspolitik ausüben kann.

Az.: G/3 811-I

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