Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 25/2020 vom 28.01.2020

Gespräch mit Staatssekretär Flasbarth zum Ausbau der Windenergie

Am 22. Januar 2020 fand auf Einladung von BMU-Staatssekretär Jochen Flasbarth in Berlin ein Gespräch mit den kommunalen Spitzenverbänden und dem VKU statt. Gegenstand waren die aktuellen Herausforderungen beim ins Stocken geratenen Ausbau der Windenergie an Land sowie Lösungsansätze für eine stärkere Akzeptanz der Windenergie vor Ort. Bereits länger bestehende kommunale Forderungen, die Genehmigungs- und Klageverfahren beim Windkraftausbau zu beschleunigen, werden vom BMU unterstützt.

I. Ziele beim Ausbau der Windenergie

Nach dem auf Bundesebne beschlossenen Klimaschutzgesetz sowie dem Klimaschutzprogramm 2030 muss bis zum Jahr 2030 unser Strom zu 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Diese Vorgabe soll dazu beitragen, die Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland zu gewährleisten. Ohne einen weiteren Ausbau der Windenergie mit zurzeit ca. 30.000 Windrädern an Land und einer Nettostromerzeugung von gegenwärtig rund 35 Prozent wird das 65 Prozent-Ziel nicht erreicht werden können.

II. Windenergieausbau nahezu zum Erliegen gekommen

Tatsache ist aber, dass im letzten Jahr der Windenergieaufbau nahezu zum Erliegen gekommen ist. Neben dem Auslaufen der im Jahr 2000 eingeführten EEG-Umlage, wonach Windkraftanlagen, die älter als 20 Jahre sind, nicht mehr gefördert werden, ist auch die ab dem Jahr 2021 entfallende staatliche Einspeisevergütung ein Grund für den massiven Rückgang des Ausbaus der Windenergie. Hinzu kommen aber auch massive Probleme im Planungs- und Genehmigungsverfahren von Windkraftanlagen. Diese führen gerade auf der Ebene der Städte und Gemeinden wegen der von diesen bei der Planung fast nicht zu erfüllenden Begründungs- und Abwägungspflichten bei der Aufstellung der Flächennutzungspläne zu großen Problemen. Das liegt einerseits an zu dezidierten Anforderungen der obergerichtlichen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und von Oberverwaltungsgerichten (Harte und weiche Tabuzonen, substanzieller Raum für die Windenergie etc.) an die Planung der Städte und Gemeinden.

Andererseits haben aber auch die nicht zuletzt durch das Verbandsklagerecht möglichen Klagen von Naturschutzverbänden gegen neu zu errichtende Windkraftanlagen zugenommen. So ergab unter anderem eine Umfrage der Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) im zweiten Quartal 2019, dass deutschlandweit 325 Windturbinen mit mehr als 1.000 Megawatt Leistung aktuell beklagt sind. Häufigste Klagegründe sind dabei der Artenschutz. Die meisten Kläger werden durch Umweltverbände, insbesondere dem NABU, angestrengt. Dieser prozessiert insgesamt gegen 60 Prozent der erfassten Windturbinen.

III. Nicht zielführender Ansatz: Bundesweiter Mindestabstand

Das Erreichen des 65 Prozent-Ziels hängt entscheidend von der vorhandenen Flächenverfügbarkeit ab. Insoweit wird aktuell nach wie vor die gesetzliche Einführung (§ 35 a BauGB-Entwurf) einer bundesweiten Mindestabstandsregel von 1.000 Metern Abstand zur „zulässigen zusammenhängenden Bebauung mit mehr als fünf Wohngebäuden“ diskutiert. Die kommunalen Spitzenverbände sprachen sich in dem Gespräch gegen pauschale und bundesweite Abstandsregelungen aus. Das Umweltbundesamt geht insoweit davon aus, dass „bereits ein Mindestabstand von 1.000 m die aktuelle Flächenkulisse für den Neubau von Windenergieanlagen um 20 bis 50 Prozent reduziert. Ein Zubau an Windenergiekapazität gegenüber dem Status quo wäre auf der verbleibenden Fläche damit faktisch nicht möglich“.

Hinzu kommt, dass pauschale Abstandsregeln nicht generell geeignet sind, die Akzeptanz von Projekten vor Ort zu stärken, weil insoweit ein monokausaler Zusammenhang zwischen Abstand und Akzeptanz nicht besteht. Daher reichen die bestehenden Vorgaben für Genehmigungsverfahren (BImSchG, BImSchV, TA Lärm, Rücksichtnahmegebot etc.) grundsätzlich aus, um sowohl den Gesundheitsschutz sicherzustellen, als auch eine optisch bedrängende Wirkung unter Berücksichtigung der konkreten Vor-Ort-Situation zu vermeiden.

IV. Lösungsansätze zur Steigerung der Akzeptanz von Windenergieanlagen

Die kommunalen Spitzenverbände, der VKU sowie das BMU waren sich im Ergebnis einig, dass sowohl auf der Ebene der Planung und Genehmigung als auch der Anreizförderung (finanzielle Partizipation von Kommunen und Bürgerschaft etc.) Lösungsansätze zur Steigerung der Akzeptanz beim Windenergieausbau liegen. Hierzu gehört auch ein verstärktes Repowering. Zusammengefasst wurden insbesondere folgende Punkte als zielführend angesprochen:

  • Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsdauer: Die aktuelle Genehmigungsdauer von durchschnittlich 18 Monaten pro Windenergieanlage muss erheblich verkürzt werden. Das BMU hat angekündigt, die aufschiebende Wirkung für Widersprüche gegen genehmigte WEA entfallen zu lassen. Auch soll der Instanzenweg vor den Verwaltungsgerichten um eine Instanz verkürzt werden. Aus kommunaler Sicht sind auch Schritte zum Abbau des Umwelt-Verbandsklagerechts seitens der Bundesregierung zu forcieren. Die Steuerungsmöglichkeiten der Gemeinden über die Bauleitplanung (Flächennutzungsplanung) sind zu stärken. Hierzu sollte die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte mit ihren strengen Anforderungen, die oft zur Aufhebung der Flächennutzungspläne führen, zugunsten eines größeren gemeindlichen Gestaltungsspielraums zurückgeführt werden. Daher bietet sich an, gesetzgeberisch auch die Heilungsvorschrift des § 214 Abs. 3 S. 2 BauGB im Sinne einer Klarstellung zu schärfen. Danach sollten „Mängel im Abwägungsvorgang bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen für Windenergieanlagen nur erheblich sein, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind“.

Denn es muss nach allen bisherigen Erfahrungen davon ausgegangen werden, dass in der großen Mehrzahl der Fälle etwa die Einstufung von „harten oder weichen Tabuzonen etc.“ für das Abwägungsergebnis bei der Planung in den Städten und Gemeinden keine Rolle gespielt hat. Die Gerichte sollten diese Frage des Einflusses auf das Abwägungsergebnis aufklären.

  • Standardisierung naturschutzrechtlicher Vorgaben: Kommunen und Unternehmen brauchen einheitliche, klare und praktikable Vorgaben zum Umgang mit den komplexen artenschutzrechtlichen Regeln und zum gesetzlichen Vollzug. Dies betrifft etwa:
    • Die Definition des Begriffs des signifikant erhöhten Tötungsrisikos (s. § 44 Abs. 5 Nr. 1 BNatSchG).
    • Den erforderlichen Untersuchungsrahmen und die Methoden.
    • Anerkannte Vermeidungsmaßnahmen.
    • Eine Klarstellung zur Ausgestaltung der Ausnahmen nach § 45 Abs. 7 BNatSchG. Nötig ist eine Klarstellung, wann für den Ausbau von Windenergieanlagen ein „überwiegendes Interesse“ dergestalt besteht, dass Ausnahmen vom Artenschutz und klar definierten Voraussetzungen gerechtfertigt sind.
  • Die grundsätzlich hohe gesamtgesellschaftliche Akzeptanz für die Nutzung und den Ausbau der Windenergie (ca. 80 Prozent) muss auch im lokalen Kontext gesteigert werden. Hierzu verstärkt nötig sind folgende Lösungsansätze:
    • Verstärkter und vor allem frühzeitiger Dialog mit den Betroffenen vor Ort.
    • Einbezug der Städte und Gemeinden als Planungsträger schon bevor Verträge mit Flächeneigentümern und/oder Landwirten geschlossen werden (Frühzeitige Pflicht zur Information der Investoren gegenüber Kommunen etc.)
    • Unterstützung zur Akzeptanzsteigerung vor Ort durch professionelle Moderatoren, wie dem Kompetenzzentrum für Naturschutz und Energiewende (KNE).
    • Einrichtung von Servicestellen auf Landesebene.
  • Finanzielle Stärkung und Partizipation vor Ort: Eine maßgebliche Akzeptanzsteigerung für Windenergieanlagen vor Ort lässt sich durch eine stärkere finanzielle Partizipation von Kommunen sowie der betroffenen Bürgerschaft erreichen. Angesprochen wurden von den kommunalen Spitzenverbänden insbesondere folgende Punkte:
    • Festhalten an der Einführung eines kommunalen Hebesatzrechts bei der Grundsteuer für Windenergieanlagen, auch wenn der Vermittlungsausschuss empfohlen hat, dieses zu streichen. Ein gesondertes Grundsteuerhebesatzrecht bietet den Städten und Gemeinden individuell gut handhabbare und bereits in anderen Bereichen bewährte Gestaltungsmöglichkeiten vor Ort.
    • Beteiligung der Städte und Gemeinden an den Einnahmen der Windenergieanlagen über eine Gewerbesteuerzerlegung.
    • Sonderabgabe für Windenergieanlagen zur Steigerung der regionalen Wertschöpfung, die im Land Brandenburg in Kraft gesetzt wurde.
    • Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz, analog zu bereits existierenden Modellen im skandinavischen Raum.
    • Stärkung kommunaler Projekte, zum Beispiel durch eine Bürgerstiftung, mit der Möglichkeit für die örtliche Bürgerschaft, geringere Strompreise zu erhalten.

V. Fazit

In dem in guter Atmosphäre verlaufenen Gespräch wurden die Lösungsansätze maßgeblich darin gesehen, die Städte und Gemeinden und die Planungsträger bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen etc. zu stärken und deren Gestaltungsspielräume zu erhöhen. Weiter sollten die Partizipationsmöglichkeiten, auch in finanzieller Hinsicht, der Kommunen und der betroffenen Bürgerschaft erweitert werden. Pauschale und bundesweit verpflichtende Abstandsregelungen (Bsp.: 1.000 Meter) wurden von den kommunalen Spitzenverbänden nicht als zielführend angesehen. Insgesamt bestand Einigkeit, dass die besprochenen Lösungsansätze auch in konkreten Gesetzgebungsvorhaben münden müssen. Das BMU sagte insoweit seine Unterstützung zu.

Az.: 28.6.9-002/005 we

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