Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 440/2020 vom 04.06.2020

EuGH zur Zusammenarbeit bei Software-Entwicklung

Der EuGH hat am 28.05.2020 (C-796/18) nach Vorlagefragen des OLG Düsseldorf  entschieden, dass Kommunen grundsätzlich ohne Ausschreibung auch bei Hilfstätigkeiten (Software-Entwicklung) zusammenarbeiten dürfen, sofern diese Tätigkeiten zur wirksamen Erfüllung öffentlicher Aufgaben beitragen. Damit folgt der EuGH den Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts, über die wir bereits mit Mitteilung Nr. 304/2020 berichtet hatten. Jedoch darf laut EuGH durch die Kooperation kein privates Unternehmen besser gestellt werden als seine Wettbewerber. Die Vereinbarung der Städte Köln und des Landes Berlin über die kostenlose Nutzung und Entwicklung einer Software für Feuerwehreinsätze beinhaltet nach dem EuGH einen „öffentlichen Auftrag". Dieser kann aber nach Art 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 (s. auch § 108 Abs. 6 GWB) vergaberechtsfrei sein. Der Fall geht nun zurück an das Oberlandesgericht Düsseldorf, das die genauen Umstände prüfen muss.

1.         Sachverhalt

Im September 2017 schlossen die Stadt Köln und das Land Berlin einen Software-Überlassungsvertrag, nach dem das Land der Stadt die entgeltfreie dauerhafte Nutzung einer Einsatzleitstellensoftware für ihre Feuerwehr überließ. Die Partner vereinbarten eine gleichberechtigte Partnerschaft, durch die das Softwaresystem auch erweitert und weiter entwickelt werden konnte. Diese Erweiterungen waren dann dem Partner zur „kostenneutralen Nutzung" zu überlassen.

2.         Software-Entwickler klagt gegen Überlassungsvertrag

Die ISE, die Software entwickelt und vertreibt, focht die Verträge bei der Vergabekammer Rheinland an und beantragte, sie für unwirksam zu erklären. Die Stadt Köln habe einen öffentlichen Lieferauftrag vergeben. Die Beteiligung der Stadt Köln an der Weiterentwicklung der überlassenen Software stelle einen ausreichenden geldwerten Vorteil dar. Die Beschaffung der Basissoftware ziehe außerdem die Beauftragung des Herstellers mit Folgeaufträgen nach sich: Für einen Dritten würden Pflege und Weiterentwicklung der Software einen wirtschaftlich nicht vertretbaren Aufwand bedeuten.

3.         EuGH bejaht „öffentlichen Auftrag"

Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsauftrag zurück. Das dann angerufene Oberlandesgericht Köln rief den EuGH an. Die Stadt Köln argumentierte, die Zusammenarbeit der beiden Behörden falle nicht unter das Vergaberecht und die Pflicht zur Ausschreibung. Der EuGH entschied, dass die Vereinbarung zwar einen „öffentlichen Auftrag" im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie 2004/18/EG darstellt (s. § 103 Abs. 1 GWB), wenn sich aus dem Wortlaut dieser Vereinbarungen ergibt, dass es grundsätzlich zu Anpassungen der Software kommen wird. Insoweit sei wegen der gegenseitig übernommenen Plichten der Vertragspartner trotz der vereinbarten „kostenlosen“ Nutzung eine für einen öffentlichen Auftrag vorausgesetzte „Entgeltlichkeit“ gegeben. 

4.         Ausschreibung kann dennoch entbehrlich sein

Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 (s. § 108 Abs. 6 GWB) sei aber so auszulegen, dass Kooperationen zwischen öffentlichen Auftraggebern vom Anwendungsbereich der in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sein können. Voraussetzung ist, dass sich diese Zusammenarbeit auf Tätigkeiten bezieht, die zu den von jedem an der Zusammenarbeit Beteiligten – und sei es allein – zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen akzessorisch sind, sofern diese Tätigkeiten der wirksamen Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen dienen.

5.         Keine Besserstellung eines privaten Unternehmens erlaubt

Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit dem zweiten Absatz ihres 33. Erwägungsgrundes und ihrem Art. 18 Abs. 1 ist laut EuGH so auszulegen, dass eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht dazu führen darf, dass ein privates Unternehmen bessergestellt wird als seine Wettbewerber. Das hat das OLG Düsseldorf nun zu prüfen.

6.         Anmerkung

Die EuGH-Entscheidung ist aus kommunaler Sicht grundsätzlich zu begrüßen. Sie erweitert die Möglichkeit einer vergaberechtsfreien - horizontalen - kommunalen Kooperation nach § 108 Abs. 6 GWB auch auf bestimmte Hilfsgeschäfte (Software-Entwicklung) der Kommunen, falls diese zu den zu erbringenden öffentlichen (Feuerwehr-) Dienstleistungen dieser Kommunen akzessorisch sind. Indem der EuGH auch eine „kostenlose“ Überlassung und Nutzung der Software im Falle einer gegenseitigen Vereinbarung von Pflichten als „entgeltlichen Vertrag“ sieht, bejaht er auch einen „öffentlichen Auftrag“ (s. auch §103 Abs. 1 GWB). Erst damit wird der Anwendungsbereich für eine Ausnahme vom Vergaberecht bei einer horizontalen kommunalen Kooperation (s. § 108 Abs. 6 GWB) begründet.

Voraussetzung der Vergaberechtsfreiheit ist nun die Antwort auf die Frage, ob die konkrete Kooperation der Kommunen ein privates Unternehmen bevorzugt und dieses besser stellt. Die Frage hat jetzt das OLG Düsseldorf zu beantworten.

Az.: 21.1.1.3-003/010 we

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