Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 515/2019 vom 13.09.2019

OVG Münster fordert Nachbesserung des Luftreinhalteplans für Köln

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG Münster) hat mit Urteil vom 12.09.2019 entschieden, dass der Luftreinhalteplan vom 01.04.2019 für die Stadt Köln rechtswidrig ist und das Land NRW ihn deshalb fortschreiben muss (Aktenzeichen: 8 A 4775/18 – 1. Instanz: VG Köln 13 K 6684/15). Allerdings ist ein flächendeckendes Diesel-Fahrverbot für die Kölner Innenstadt nicht zwingend erforderlich.

Nach derzeitigem Stand müssen Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5/V und älter in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden, um eine zügigere Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid jedenfalls an folgenden Messstellen zu erreichen: Clevischer Ring, Justinianstraße, Luxemburger Straße und Neumarkt. Welche konkreten Straßenabschnitte dafür gesperrt und welche Fahrzeuge von den Fahrverboten ausgenommen werden, muss die Bezirksregierung Köln nun prüfen und festlegen.

Der 8. Senat des OVG Münster hat damit das von der Deutschen Umwelthilfe erstrittene Urteil des Verwaltungsgerichts Köln insoweit bestätigt, als die bisherige Luftreinhalteplanung unzureichend ist. Es hat allerdings nicht entschieden, dass auf jeden Fall eine Fahrverbotszone eingerichtet werden muss. Bloße streckenbezogene Fahrverbote könnten unter Umständen genügen. Die bereits in seinem Urteil zur Luftreinhalteplanung für die Stadt Aachen dargelegten allgemeinen Anforderungen an Luftreinhaltepläne hat das OVG Münster bestätigt.

An verschiedenen Messstellen in der Stadt Köln ist der seit dem 01.01.2010 einzuhaltende Grenzwert für Stickstoffdioxid (im Jahresmittel 40 Mikrogramm pro Kubikmeter) deutlich überschritten. Die Jahresmittelwerte für 2018 betragen an den Messstellen Clevischer Ring 59 Mikrogramm pro Kubikmeter, Justinianstraße 48 Mikrogramm pro Kubikmeter und Luxemburger Straße 45 Mikrogramm pro Kubikmeter. Die Messstelle Neumarkt weist für das zweite Halbjahr 2018 einen Mittelwert von 47 Mikrogramm pro Kubikmeter auf.

Die zuständige Bezirksregierung hat einen Luftreinhalteplan mit Wirkung ab 01.04.2019 aufgestellt, der verschiedene Maßnahmen enthält, um die Luftqualität in Köln zu verbessern. Fahrverbote hat sie nicht vorgesehen. Mit der zusätzlichen Anordnung von Fahrverboten könnte nach den Prognosen der Bezirksregierung Köln an allen vier vorgenannten Straßen im Jahr 2020 der Grenzwert hinreichend sicher eingehalten werden bzw. wäre mit 41 Mikrogramm pro Kubikmeter am Clevischen Ring nur noch knapp überschritten. Ohne Fahrverbote ist die Einhaltung des Grenzwerts hingegen nicht vor dem Jahr 2022 bzw. 2023 hinreichend sicher zu erwarten.

Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die im Luftreinhalteplan vorgesehenen Maßnahmen nicht den Anforderungen der Europäischen Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 und des Bundes-Immissionsschutzgesetzes genügen.

Nach den bisherigen Prognosen und Messwerten sind für die Messstellen Clevischer Ring, Justinianstraße, Luxemburger Straße und Neumarkt keine anderen Maßnahmen als Fahrverbote für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 5/V und älter ersichtlich, um den geltenden Grenzwert für Stickstoffdioxid zumindest im Jahr 2020 einzuhalten. Nach den Prognosen der Bezirksregierung Köln kann an allen anderen betroffenen Straßen im Jahr 2020 der Grenzwert hinreichend sicher eingehalten werden bzw. würde an einer Messstelle mit 41 Mikrogramm pro Kubikmeter nur geringfügig überschritten.

Für die übrigen Messstellen in Köln erscheint es daher laut Gericht unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Messwerte im Jahr 2019 nicht zwingend geboten, auch dort Fahrverbote anzuordnen. Dies gilt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch für die Aachener Straße in Köln-Weiden, wo der Grenzwert nach derzeitiger Prognose 41 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahre 2020 nicht übersteigen wird, spätestens aber 2021 eingehalten werden wird.

Fahrverbote müssen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls verhältnismäßig sein. In dem neuen Luftreinhalteplan muss das Land NRW, vertreten durch die Bezirksregierung Köln, unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung der Messwerte daher zunächst streckenbezogene Fahrverbote prüfen. Dabei müssen insbesondere der dadurch bedingte Ausweichverkehr und dessen Auswirkungen näher untersucht werden. Sollten durch den Ausweichverkehr Grenzwerte in anderen Straßen überschritten werden, kann dies Fahrverbote für weitere Straßen erforderlich machen.

Die Bezirksregierung Köln muss auch prüfen, für welche Fahrzeuge Ausnahmen vom Fahrverbot erteilt werden können, ohne die Einhaltung der Grenzwerte zu gefährden, z. B. für Fahrzeuge von Handwerkern oder Anwohnern oder nachgerüstete Fahrzeuge. Sollte allerdings aufgrund der bereits ergriffenen Maßnahmen der Jahresmittelwert für 2019 entgegen der bisherigen Prognose der Bezirksregierung an einzelnen Stellen günstiger ausfallen und eine aktualisierte Prognose ergeben, dass der Grenzwert kurzfristig eingehalten werden wird, lässt das Urteil zu, dort gegebenenfalls aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch von einem Fahrverbot abzusehen.

Soweit die Bezirksregierung Köln jenseits der vier genannten Straßen in einem neuen Luftreinhalteplan von Fahrverboten absieht, weil die Grenzwerte nach ihrer Prognose kurzfristig eingehalten werden, muss sie schon im Luftreinhalteplan für den Fall vorsorgen, dass die Prognose sich nicht bewahrheitet. Als Ausgleich für die mit einer Prognose stets verbundenen Unsicherheiten muss der fortzuschreibende Luftreinhalteplan nach dem Urteil vorsehen, dass die Entwicklung der Luftschadstoffwerte regelmäßig kontrolliert wird. Ferner muss der Luftreinhalteplan auf einer zweiten Stufe zusätzliche Maßnahmen wie etwa Fahrverbote an den davon noch nicht erfassten Stellen für den Fall enthalten, dass die Grenzwerte mit den bisherigen Maßnahmen entgegen der Prognoseerwartung doch nicht schnellstmöglich eingehalten werden.

Die Bezirksregierung Köln muss den Luftreinhalteplan 2019 unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern, fortschreiben. Dies dauert erfahrungsgemäß mehrere Monate. Dabei wird sie die Vorgaben des Urteils zu beachten und im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums die konkreten Einzelheiten festzulegen haben. Diese Einzelheiten hängen auch von der Entwicklung der Messwerte und einer hinreichend einzelfallbezogenen Prüfung der Verhältnismäßigkeit durch die Behörde ab.

Der 8. Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Der 8. Senat hat mitgeteilt, derzeit weitere Verfahren zu den Luftreinhalteplänen in anderen Städten nicht zu terminieren. Er will zunächst ein nicht öffentliches Sondierungsgespräch zu möglichen Vergleichsverhandlungen abwarten. Ein Ergebnis oder nähere Einzelheiten werden laut OVG Münster nicht vor Anfang November vorliegen. In NRW werden derzeit 12 Gerichtsverfahren geführt.

Anmerkung aus kommunaler Sicht

Das Urteil des OVG NRW bestätigt zunächst, dass Fahrverbote im Zuge von Grenzwertüberschreitungen kein Automatismus sind. Vielmehr wird die Verhältnismäßigkeit unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und plausibler Prognosen zur Wirkung begonnener Maßnahmen der Kommunen betont. Das Gericht würdigt somit die Bemühungen der Stadt Köln, wie zuvor auch im Urteil zur Stadt Aachen, welche enorme Anstrengungen unternommen hat, um die Schadstoffbelastung zu reduzieren. Hierzu zählen in Köln etwa die Umrüstung älterer Dieselbusse, die Förderung des Radverkehrs und ÖPNV als auch die Verhängung eines Durchfahrtverbots für Lkw über 7,5 Tonnen in der Innenstadt.

Das Urteil bestätigt zudem die Anstrengungen von Bund und Ländern, die Kommunen bei der Verkehrswende und zur Erreichung sauberer Luft umfassend zu unterstützen. 2018 waren bundesweit 57 Städte von Grenzwertüberschreitungen betroffen, 2017 waren es noch 65 Städte. Förderprogramme des Bundes wie u. a. das „Sofortprogramm Saubere Luft“ müssen verstetigt und auf alle Städte und Gemeinden ausgeweitet werden. Um die Klimaschutzziele zu erreichen und die Luft- und somit Lebensqualität in den Kommunen zu verbessern, fordert der StGB NRW umfangreiche Maßnahmen von Bund und Land NRW für den Klimaschutz und eine Verkehrswende in ganz Deutschland. Der Blick hierfür muss sich neben den Großstädten auch auf die Fläche richten. So können insbesondere die hohen Pendlerverkehre durch attraktivere Stadt-Umland-Verbindungen auf die Schiene verlagert werden. Daneben gilt es, den Radverkehr zu stärken und durch den Ausbau der Elektromobilität in der Stadt und auf dem Land weitere Alternativen zu schaffen. Zugleich ist die Automobilindustrie aufgefordert, die Nachrüstung betroffener Diesel-PKW und die Entwicklung alternativer Antriebe voranzutreiben.

Saubere Luft ist nur mit sauberer Mobilität und einer umfassenden Verkehrswende zu erreichen. Fahrverbote führen zu Umgehungsverkehren in den Städten und lösen die dargestellten Probleme nicht. Um die Einhaltung der Grenzwerte zu erreichen, sollten sie daher nur das letzte Mittel sein. Für die Verkehrswende bedarf es nachhaltiger Investitionen in die kommunale Verkehrsinfrastruktur und den Ausbau des ÖPNV.

Az.: 27.2.1-001/001 gr

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