Düsseldorfer Stadtwerke-Tochter Innovatio verstößt gegen § 107 GO

LG Düsseldorf, Urteil vom 26. Juli 2000, Az.: 34 O 15/2000

Mit Urteil vom 26. Juli 2000 hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 34 O 15/2000) der Firma Innovatio, die zur Hälfte von den Düsseldorfer Stadtwerken gehalten wird, untersagt, Dienstleistungen auf dem Gebiet des Gebäudemanagements anzubieten und auszuführen, soweit es sich dabei um Dienstleistungen in einem näher umschriebenen Umfang handelt. In seinem Urteil äußert sich das Gericht zur Zulässigkeit sogenannter Annextätigkeiten sowie zu der Frage, inwieweit gemeindewirtschaftsrechtliche Vorschriften auf privatrechtliche Unternehmen Anwendung finden, an denen sich eine Kommune beteiligt hat.
 
Bei dem beklagten Unternehmen handelt es sich um eine GmbH, deren Unternehmensgegenstand das Gebäude- und Energiemanagement im Bereich der Stadtwerke Düsseldorf sowie alle damit zusammenhängende Geschäfte sind. Diese umfassen den Betrieb der Gebäude- und Systemtechnik, Sicherheitsaufgaben, Reinigungs-Service, Versorgungs-Service und die Entsorgung. Gesellschafter sind mit 50% die Stadtwerke Düsseldorf, deren Aktien zu 80% von einer städtischen Beteiligungsgesellschaft gehalten werden, deren Gesellschafterin die Stadt Düsseldorf ist. Die weiteren 50% des beklagten Unternehmens liegen in privater Hand.
 
Im Einzelnen wurde das Unternehmen verurteilt, es zu unterlassen, "Dienstleistungen auf dem Gebiet des Gebäudemanagements anzubieten und auszuführen, soweit es sich um Dienstleistungen in folgendem Umfang handelt:
Kaufmännisches Gebäudemanagement, vor allem im Bereich des Vertragswesens, Mahnwesens, Kostenrechnungen, Betriebskostenabrechnungen, Versicherungswesens, Budgetplanung, Liegenschaftscontrolling, Datenverwaltung, Infrastrukturelles Gebäudemanagement, vor allem Hausmeisterdienste, interne Postdienste, Kopier-/Druckereidienste, Reinigung, Pflege, Gartenpflege, Winterdienste, Sicherheits-/Pförtnerdienste, Umzüge, Waren-/Logistikdienste, Technisches Gebäudemanagement vor allem im Bereich der Energietechnik, Sanitärtechnik, von Elektroanlagen, Aufzügen und Fördertechnik, Heizung/Klima, Gebäudeleittechnik/Fernleittechnik, Lichtwellenleiter, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die hinter folgenden Schnittstellen liegen:

  • Hauptsperreinrichtung oder Haus-Druckregelgerät nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung,
  • Hauptsperrvorrichtung nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser,
  • Übergabestelle nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen über die Versorgung mit Fernwärme,
  • Hausanschlusssicherung nach der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden
  • Sicherheitstechnik, Gebäude-EDV, Gebäude-Informationssysteme sowie Telekommunikation, letzteres soweit der Vertrieb und/oder die Installation von Endgeräten von Telekommunikationsanlagen betroffen ist."

Hinsichtlich der Begründetheit der Klage stützt sich das Gericht auf folgende Entscheidungsgründe:
"Grundsätzlich schützt § 1 UWG nicht vor Wettbewerb. Ein Verstoß gegen § 1 UWG kann aber darin liegen, dass eine wettbewerbliche Tätigkeit aufgenommen wird, wenn dem Verletzer die Aufnahme dieser Tätigkeit von Gesetzes wegen verboten ist und diese Verbotsbestimmung auch den Schutz anderer privater Mitbewerber bezweckt.
 
Eine solche Bestimmung ist § 107 GO NW. Die Kammer schließt sich der Auffassung der Rechtsprechung an, dass 107 GO NW auch dem Schutz der privaten Wirtschaft gegen eine unzulässige privatwirtschaftliche Betätigung der Gemeinden dient, so dass eine Nichtbeachtung dieser Vorschrift sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG sein kann (vgl. BGH GRUR 1965, 373 - Blockeis II; GRUR 1973, 655, 657 - Möbelauszeichnung; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 1470, 1471; OLG Hamm, NJW 1998, 3504, 3505; auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., § 1 UWG Rn.933).
 
§ 107 GO NW ist keine rein fiskalische Norm, sondern bezieht sich unmittelbar auf die wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde. Sie soll die kommunalen Handlungsmöglichkeiten begrenzen und so zum Ausgleich der gegenläufigen Interessen von Kommunen und Privatwirtschaft beitragen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluß v. 12.1.2000, Verg 3/99). Diese Ausgleichsfunktion resultiert daraus, dass eine wirtschaftliche Betätigung von Gemeinden und ihr zuzurechnenden Unternehmen in den durch Art.12 GG geschützten Tätigkeitsbereich der rein privatwirtschaftlichen Mitbewerber eingreift und somit eine Abwägung zwischen den beiderseitigen Interessen vorzunehmen ist.
 
Entgegen einer Ansicht in der Literatur (Köhler, WRP 1999, 1205, 1207 und 1211) hat sich an diesem Zweck des 107 GO NW auch durch die Neufassung durch das 1. ModernG NRW vom 15. Juni 1999 (GV Bl. NW Nr. 27 vom 13.7.1999) nichts geändert. Zwar verlangt § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 GO NW nunmehr nur noch einen öffentlichen Zweck, während nach der alten Normfassung noch ein ‚dringender’ öffentlicher Zweck erforderlich war; doch läßt dies nicht den Schluß zu, dass der Gesetzgeber den von der Rechtsprechung angenommenen Schutz der privaten Mitbewerber durch § 107 GO NW habe aufheben wollen. Zwar hat der Bundesgerichtshof bei seiner Auslegung maßgeblich auf das Merkmal des ‚dringenden’ öffentlichen Zwecks abgestellt (BGH GRUR 1962, 159, 162 - Blockeis I), doch ergibt sich daraus nicht zwingend der Schluß, dass der Wegfall dieses Merkmals nun eine andere Auslegung des § 107 GO NW erfordert.
 
Vielmehr läßt sich der Gesetzesbegründung (Landtags-Drucksache 12/3730, S.105 f.) durchaus entnehmen, dass der Gesetzgeber die wettbewerbsrechtlichen Untersagungsentscheidungen der Zivilgerichte gegen Kommunen billigt und dass nach seinem Willen die Norm gerade auch der Abgrenzung der kommunalen Handlungsmöglichkeiten und dem Interessenausgleich zwischen kommunalen und privatwirtschaftlichen Interessen dient, so dass die Interessen privatwirtschaftlicher Unternehmen in den Schutzbereich des § 107 GO NW nach wie vor einbezogen sind (so auch OLG Düsseldorf, Urt. vom 28.10.1999 - 2 U 7/99 - und OLG Düsseldorf, Beschluß v. 12.1.2000 - Verg 3/99).
 
Diese Auffassung wird durch die neu eingeführte Subsidiaritätsklausel des § 107 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 GO NW noch gestützt. Diese verdeutlicht, dass der privatrechtliche Wettbewerb in den nicht in dieser Bestimmung genannten Wirtschaftsbereichen vor der öffentlichen Hand geschützt werden soll, da das Angebot von Gütern und Dienstleistungen grundsätzlich Sache der privaten Wirtschaft ist (vgl. Plenarprotokoll des Landtags NRW 12/116 v. 9.6.1999, S. 9667).
 
Die Gründung der Beklagten verstieß gegen § 107 GO NW.
 
Gemäß § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NW darf sich eine Kommune zur Erfüllung ihrer Aufgaben nur wirtschaftlich betätigen, wenn ein öffentlicher Zweck die Betätigung erfordert. Als wirtschaftliche Betätigung ist dabei der Betrieb von Unternehmen zu verstehen, die als Anbieter von Dienstleistungen am Markt tätig werden, sofern die Leistung auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzielung erbracht werden kann. Die Tätigkeit der Beklagten ist eine solche Betätigung, da sie auf dem freien Markt erfolgt. Es fehlt aber an einem öffentlichen Zweck für diese Betätigung.
 
Ein solcher Zweck liegt in der Regel dann vor, wenn die Leistungen des Unternehmens im Aufgabenbereich der Gemeinde liegen und eine im öffentlichen Interesse gebotene Versorgung der Einwohner zum Ziel haben, also zum Bereich der Daseinsvorsorge gehören. Rein erwerbswirtschaftlich-fiskalische Unternehmen sind den Gemeinden aber untersagt (vgl. BVerGE 61, 82, 107). Auch eine nur mittelbare Gemeinwohldienlichkeit der Tätigkeit des gemeindlichen Unternehmens genügt nicht.
Zur Daseinsvorsorge gehört die Belieferung der Bevölkerung mit Energie, wie sich auch § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GO NW entnehmen läßt. Das bedeutet aber nicht, dass für alle im Zusammenhang mit der Energieversorgung stehenden Tätigkeiten ebenfalls ein öffentlicher Zweck besteht. Zwar umfaßt der Begriff der Daseinsvorsorge auch sogenannte Annextätigkeiten, d. h. solche Tätigkeiten, die mit der jeweiligen Hauptaufgabe in sehr engem Zusammenhang stehen oder die lediglich vorübergehend zur Auslastung freier Kapazitäten betrieben werden. Jedoch gehören Aufgaben des Gebäudemanagements nicht zu den Annextätigkeiten im Bereich der Energieversorgung, wie die Bezirksregierung in ihrer an den Oberstadtdirektor wegen der Beteiligung der Stadtwerke Düsseldorf AG an der Beklagten gerichteten Beanstandung nach § 119 Abs. 1 S. 1 GO NW vom 27.11.1998 zutreffend ausgeführt hat.
Die Beklagte bietet Tätigkeiten u.a. im kaufmännischen Gebäudemanagement sowie Hausmeister- oder Cateringdienste an. Hierbei handelt es sich um Dienste allgemeinerer Art, die mit der Energieversorgung nicht mehr in hinreichendem Zusammenhang stehen und nicht mehr zum Aufgabenbereich der Kommunen gehören. Dies läßt sich auch aus den Gesetzesmaterialien zum 1.ModernG NRW (Landtags-Drucksache 12/3947, S. 94) entnehmen, die ausdrücklich erwähnen, dass im Bereich des Handwerks, namentlich des Gebäudemanagements, die Handlungsspielräume der Kommunen nicht erweitert werden sollten. Im Bereich der Energieversorgung war durch das 1.ModernG NRW eine vorsichtige Ausweitung der kommunalen Handlungsspielräume nur im Bereich des Energiemanagements und der Energieberatung angestrebt, nicht aber ein Vordringen der Stadtwerke in klassische Geschäftsfelder von Handwerk und Mittelstand (vgl. Plenarprotokoll Landtag NRW 12/116 v. 9.6.1999, S. 9677).
 
Auch sind durch die Beklagte nicht freie Kapazitäten vorübergehend genutzt, sondern neue Kapazitäten geschaffen worden. Ein öffentlicher Zweck ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte ohne die in Rede stehenden Tätigkeiten eventuell Einbußen im Kerngeschäft der Energieversorgung hinnehmen müßte und deshalb ihre Leistungsfähigkeit gefährdet sein könnte. Die Sicherung der Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge kann nicht zu einer Ausweitung gemeindlicher Handlungsspielräume führen. Vielmehr müssen die Gemeinden unter Beachtung der ihnen durch das Kommunalrecht gezogenen Grenzen für die Wahrnehmung dieser Aufgaben Sorge tragen.
 
Ein Ausnahmetatbestand für solche Fälle ist im Gesetz nicht vorgesehen. §§ 107, 108 GO NW lassen den Gemeinden zwar auch Spielraum zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben in privatwirtschaftlich organisierter Art und Weise, doch ergibt sich daraus im Umkehrschluß, dass diese Normen die Gemeinden auch zu einer anderen Organisationsformen verpflichten, wenn die Wahrnehmung der kommunalen Aufgaben durch Betätigung in Gestalt privatwirtschaftlicher Gesellschaften nicht mehr hinreichend gewährleistet ist.
Dieser Verstoß bei der Gründung der Beklagten setzt sich in ihrer geschäftlichen Tätigkeit fort und macht daher deren gesamte wirtschaftliche Tätigkeit, soweit sie hier in Rede steht und sich aus dem Urteilstenor im einzelnen ergibt, rechtswidrig. § 108 GO NW erfaßt nämlich nicht nur die Gründung eines Unternehmens durch eine Kommune, sondern die gesamte Dauer der kommunalen Beteiligung.
Die Beklagte kann, sich nicht erfolgreich darauf berufen, gar nicht Normadressatin des § 107 GO NW zu sein, weil sie durch ihre Geschäftstätigkeit den mit ihrer Gründung erfolgten Verstoß gegen §§ 107, 108 GO NW manifestiert und sich diesen zurechnen lassen muß.
 
Über § 108 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GO NW gelten die Voraussetzungen des § 107 GO NW auch für die von Kommunen gegründeten Unternehmen. Diese Norm soll sicherstellen, dass sich eine Gemeinde den Beschränkungen des § 107 GO NW nicht dadurch entzieht, dass sie sich gesellschaftsrechtlicher Organisationsformen bedient. Ferner kann Störer im Sinne des Wettbewerbsrechts auch das Unternehmen sein, an dem sich die Kommune beteiligt hat, weil es mit seiner Geschäftstätigkeit eine Wettbewerbshandlung vornimmt, die der beteiligten Kommune unter Verstoß gegen die wettbewerbsschützenden Vorschriften der §§ 107, 108 GO NW eine Beteiligung am Wirtschaftsleben in Konkurrenz zu den Klägern ermöglicht (vgl. Beckmann/David, DVBl. 1998, 1041, 1047).
Unerheblich ist es dabei, dass die Stadt Düsseldorf nur mittelbar zu 40 % an der Beklagten beteiligt ist. Die wirtschaftliche Verflechtung der Beklagten mit der Stadtwerke Düsseldorf AG und damit mit der Stadt Düsseldorf ist derart stark, dass sich die Beklagte nicht erfolgreich darauf berufen kann, dass die Stadt Düsseldorf an ihr rein kapitalistisch und ohne nennenswerten Einfluß beteiligt sei. Dies ist damit begründet, dass sich die Stadtwerke Düsseldorf AG in der Konsortialvereinbarung mit der zweiten Gesellschafterin der Beklagten, der Dalkia GmbH (vormals: Wartungs-Techno-Dienst GmbH), dazu verpflichtet hat, der Beklagten für den Bereich Gebäudemanagement geeignete Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen und dass diese Vereinbarung eine Meistbegünstigungsklausel zugunsten der Beklagten enthält; außerdem ist vorgesehen, dass die Beklagte in bestimmter Höhe ihre Umsätze der Stadtwerke Düsseldorf AG zur Verfügung stellt.
Die Gründung der Beklagten diente aus Sicht der Stadtwerke Düsseldorf AG somit der Stärkung der eigenen Wirtschaftskraft und der verstärkten Anbindung von Kunden. Die Stadtwerke Düsseldorf AG unterlag bei der Gründung der Beklagten den Bindungen des Kommunalrechts, da sie zu 80 Prozent in der Hand der Stadt Düsseldorf ist und für diese Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge wahrnimmt. Insoweit gilt also der Grundsatz, dass es Gemeinden verwehrt ist, sich durch Benutzung gesellschaftsrechtlicher Organisationsformen den öffentlich-rechtlichen Beschränkungen zu entziehen. Vielmehr kann auch eine starke Verschachtelung bei der Beteiligung an privatwirtschaftlichen Unternehmen die Gemeinden nicht von den kommunalrechtlichen Bindungen befreien, sondern diese wirken in solchen Konstellationen zwangsläufig zurück.
 
Zudem kommt es nicht darauf an, ob und inwieweit die Stadtwerke Düsseldorf AG und/oder die Stadt Düsseldorf selbst auf die aktuelle Geschäftstätigkeit der Beklagten Einfluß nehmen können. Entscheidend ist, dass die Beklagte zu dem Zweck gegründet wurde, die Marktposition der Stadtwerke Düsseldorf AG zu stützen und somit die Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge durch diese zu sichern; im Zeitpunkt der Gründung aber hatte die Stadtwerke Düsseldorf AG hinreichenden Einfluß, da ohne ihre Beteiligung eine Gründung der Beklagten gar nicht erfolgt wäre.
 
Nach alledem ist der von den Klägern gegen die Beklagte geltend gemachte Unterlassungsanspruch in vollem Umfang gegeben."

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