Heft September 2018

Auslegung der Wettbürosteuer

Das OVG-Urteil stellt die Voraussetzungen einer Mitverfolgungsmöglichkeit klar und formuliert Anforderungen an einen räumlich-funktionalen Zusammenhang getrennter Wett- und Gastronomiebereiche. (Orientierungssatz)

OVG NRW, Urteil vom 13. März 2018
- 14 A 1490/16

Die beklagte Kommune erließ Ende 2014 eine Wettbürosteuersatzung, nach deren § 1 der Besteuerung im Gebiet der Beklagten das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros) unterlagen, die neben der Annahme von Wetten (auch an Terminals, Wettautomaten oder ähnlichen Wettvorrichtungen) auch das Mitverfolgen der Wetterergebnisse ermöglichten. Der Kläger betreibt im Stadtgebiet eine Wettannahmestelle, in der er Wetten für einen bestimmten Wettveranstalter vermittelt.

Nach Ansicht des OVG ist das von dem Kläger betriebene Wettlokal kein Wettbüro im Sinne der örtlichen Wettbürosteuersatzung. Durch die Möglichkeit, Wettereignisse mit zu verfolgen, unterscheide sich das Wettbüro von der reinen Wettannahmestelle. Es verlagerte durch die Mitverfolgungsmöglichkeit die Wettkampfatmosphäre in die Kommunen und nutze diese zum Vermitteln bzw. Veranstalten von Wetten. Eine Mitverfolgungsmöglichkeit setze daher voraus, dass Wettereignisse im Rahmen einer Fernsehübertragung beobachtet werden können. Dies müsse nicht notwendig nur durch live verfolgbare Wettereignisse geschehen, vielmehr genügten auch zeitlich verzögerte Präsentationen, sofern auf live verfolgbare Übertragungen nicht vollständig verzichtet werde.

Eine bloße Ergebnismitteilung oder auch eine reine Radioübertragung genügten hingegen nicht. Das Wettbüro werde durch dieses Angebot zu einem Treffpunkt, an dem sich Gleichgesinnte über vergangene oder aktuell laufende Wettereignisse und damit verbundene Wettchancen austauschen könnten. Auch dem, der im Moment gar nicht die Absicht habe zu wetten, solle so ein Anreiz geboten werden, sich in das Wettbüro zu begeben, weil er dort die Möglichkeit habe, bewettbare sportliche Ereignisse zu verfolgen, und die Wahrscheinlichkeit bestehe, dort gleichgesinnte, nämlich an Pferde- und Sportwetten interessierte Personen zu treffen, mit denen man die Zeit angenehm und nunmehr möglicherweise doch wettend verbringen könne.

Dem Wettbüro müsse dementsprechend auch eine gewisse Aufenthaltsqualität zukommen, die z. B. durch Tische, Stühle, Dekoration, Angebot von Getränken und Snacks realisiert werden könne. Gemessen an diesen Grundsätzen sei das streitgegenständliche Wettlokal kein Wettbüro, sondern eine reine Wettannahmestelle, in dem Lokal keinerlei Fernsehübertragungen stattfanden. Die hinter dem Thekenbereich angebrachten vier Bildschirme zeigten lediglich in tabellarischer Form die kommenden Livewetten sowie die aktuell bewettbaren Ereignisse, deren Spielstände laufend aktualisiert wurden. Hierdurch hätten jedoch keine Wettereignisse mitverfolgt werden, sondern lediglich deren Zwischenergebnisse.

Das Mitverfolgen von ständig aktualisierten Zwischenergebnissen stehe dem Mitverfolgen von Wettereignissen im Wege einer Fernsehübertragung jedoch nicht gleich. Denn (Zwischen-)Ergebnisse seien keine Wettereignisse, sie dokumentierten lediglich deren Verlauf bzw. Ausgang. Zum Fehlen einer Fernsehübertragung komme hinzu, dass dem 19 qm großen Wettlokal des Klägers auch keine hinreichende Aufenthaltsqualität zukomme. Die Kunden könnten lediglich im Stehen die Zwischenergebnisse verfolgen, an den beiden Wettterminals Wetten abschließen oder Wettscheine an einem an der Wand befestigten Schreibbrett ausfüllen und an der Theke abgeben.

Das Lokal sei schließlich auch nicht deswegen als Wettbüro zu qualifizieren, weil es mit der ebenfalls von dem Kläger betriebenen, unmittelbar angrenzenden Gaststätte in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stünde. Zwar biete die Gaststätte die Möglichkeit, Sportereignisse und damit Wettereignisse im Wege von Fernsehübertragungen mit zu verfolgen. Sie biete mit ihren Sitzgelegenheiten und ihrem Getränkeangebot auch die nötige Aufenthaltsqualität. Zwischen beiden Betrieben bestehe jedoch keine räumlich-funktionale Einheit.

Sie verfügten zwar über einen gemeinsamen, an der Gebäudeecke befindlichen Treppenaufgang, der durch ein Rollgitter verschlossen werden kann, wodurch die beiden Betriebe nicht unabhängig voneinander geöffnet werden könnten. Im Übrigen seien sie jedoch baulich voneinander getrennt. Sie verfügten über getrennte Eingänge und keine gemeinsam genutzten Räume. Der Zutritt zum Wettlokal sei - wie auf der Eingangstür deutlich vermerkt ist - nur volljährigen Personen gestattet, während die Gaststätte nach Maßgabe des Jugendschutzgesetzes auch von Minderjährigen betreten werden könne. Vor diesem Hintergrund handele es sich bei Wettlokal und Gaststätte um getrennte Betriebe.
Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Nutzungsrecht an Wahlgräbern

1. Mit der Einräumung eines Nutzungsrechts an einem Wahlgrab wird nicht zugleich eine Entscheidung über eine (gleich lange) Ruhezeit aller damals und später dort beizusetzenden Verstorbenen getroffen.

2. Grundsätzlich stellt jede Verlängerung eines Nutzungsrechts, die einem Berechtigten im gebührenrechtlichen Sinne zurechenbar ist, eine Leistung des Friedhofsträgers und damit eine weitere Inanspruchnahme des Friedhofs als öffentlicher Einrichtung dar. (Amtliche Leitsätze)

OVG NRW, Beschluss vom 13. Juni 2018
- 14 A 2498/16

Der Kläger erwarb im Jahr 2014 bei der Beklagten Gemeinde das Nutzungsrecht an einem Urnenwahlgrab zur Beisetzung von zwei Personen für eine Nutzungsdauer von 20 Jahren. Nach der Bestattung des Vaters des Klägers noch im selben Jahr beschloss die Beklagte im Folgejahr eine neue Friedhofssatzung, nach der die Ruhezeit für Urnengräber statt bisher 20 Jahre nunmehr 30 Jahre beträgt. Aus Anlass der anschließenden Beisetzung auch der Mutter des Klägers zog die Beklagte diesen für eine Verlängerung des Nutzungsrechts um elf Jahre zu einer Gebühr heran.

Das VG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, die Festsetzung der Verlängerungsgebühr beruhe auf der Friedhofsgebührenordnung. Die Verlängerung habe geschehen müssen, weil bei Beisetzung der Mutter die seinerzeit vereinbarte Ruhezeit von 20 Jahren nicht mehr mit der geltenden Friedhofssatzung übereingestimmt habe und damit unzulässig gewesen wäre. Der Kläger hat sich demgegenüber auf die vertragliche Abrede mit der Beklagten berufen, die sie sich hinsichtlich der Nutzungszeit und auch hinsichtlich des seinerzeitigen (niedrigeren) Gebührensatzes weiterhin entgegenhalten lassen müsse.

Das OVG hat demgegenüber das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt. Anders als der Kläger meine, beurteilten sich die Rechtsbeziehungen zwischen Friedhofsträger und Nutzungsrechtsinhaber auch im Fall des Erwerbs einer Wahlgrabstätte nicht nach vertragsrechtlichen Grundsätzen, sondern auf der Grundlage einer Satzung, die die Benutzung des Friedhofs als öffentlicher Einrichtung regelt (vgl. § 4 BestG NRW); - was auch für Friedhöfe gelte, die in Trägerschaft von als Körperschaften des öffentlichen Rechts organisierten Religionsgemeinschaften stehen.

Mit der Einräumung eines Nutzungsrechts an dem zweistelligen Urnenwahlgrab habe der Kläger ein subjektiv-öffentliches Recht auf die ausschließliche Benutzung dieses Wahlgrabs durch sich und seine Angehörigen oder Rechtsnachfolger für 20 Jahre erworben. Damit sei aber nicht zugleich eine Entscheidung über eine (gleich lange) Ruhezeit aller damals und später dort beizusetzenden Verstorbenen getroffen worden. Diese werde nicht durch eine individuelle Entscheidung gegenüber dem Nutzungsberechtigten, sondern allein in der Friedhofsordnung festgelegt und könne unter Berücksichtigung ihrer Zwecksetzung auch bei bereits belegten Gräbern jederzeit verlängert oder verkürzt werden.

Dabei seien nach der Vorgabe in § 4 Abs. 2 BestG NRW für Erdbestattungen und Aschenbeisetzungen gleich lange Ruhezeiten festzulegen. Daraus folge zugleich, dass die (verbleibende) Nutzungszeit an einem Wahlgrab zumindest im Zeitpunkt einer beabsichtigten Beisetzung oder Bestattung der zu diesem Zeitpunkt nach Maßgabe der Satzung geltenden Ruhezeit zu entsprechen hat. Ist dies nicht der Fall, sei das Nutzungsrecht entsprechend zu verlängern, wofür wiederum weitere Gebühren erhoben werden könnten. Denn grundsätzlich stelle jede Verlängerung eines Nutzungsrechts, die einem Berechtigten im gebührenrechtlichen Sinne zurechenbar sei, eine Leistung des Friedhofsträgers und damit eine weitere Inanspruchnahme des Friedhofs als öffentlicher Einrichtung dar.

Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, die Beklagte habe in dem ursprünglichen Gebührenbescheid betreffend den Erwerb des Nutzungsrechts für das Urnengrab die Verlängerungsgebühr bindend auf einen geringeren Betrag festgesetzt habe. Dies treffe schon deshalb nicht zu, weil in dem Bescheid nicht über eine Verlängerungsgebühr, sondern allein über die Gebühr für die erstmalige Überlassung des Nutzungsrechts sowie die weiteren Bestattungsgebühren entschieden worden sei. Soweit dort der damals geltende Satz für die Verlängerungsgebühr angegeben worden sei, sei dies überflüssig gewesen und habe ersichtlich nur informatorischen Gehalt gehabt.

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