Heft September 2007

Kostendämpfungs-Pauschale und Abzug von der Beihilfe

Der seit dem Jahr 1999 gesetzlich normierte Abzug der Kostendämpfungspauschale von der Beihilfe ist rechtswidrig (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Urteil vom 18. Juli 2007
- Az.: 6 A 3535/06 u. a. -

Die Krankheitsvorsorge für Beamte, Richter, Versorgungsempfänger (Pensionäre) und bis 1998 eingestellte Angestellte ist in Nordrhein-Westfalen so geregelt, dass sie einen Teil ihrer Arzt-, Krankenhaus- und Arzneimittelkosten vom Land ersetzt erhalten (so genannte Beihilfe). Den verbleibenden Rest der Kosten, der je nach Familiensituation zwischen 50 % und 20 % beträgt, bringen die Beihilfeberechtigten selbst auf, indem sie eine private Krankenversicherung für jedes Familienmitglied abschließen und aus ihrem Gehalt bezahlen müssen.

Seit dem Jahr 1999 wird den Beihilfeberechtigten ein bestimmter Betrag als Kostendämpfungspauschale von der Beihilfe abgezogen, den auch die private Krankenversicherung nicht ersetzt. Die Kostendämpfungspauschale ist gestaffelt und beträgt je nach Gehaltshöhe zwischen 150 Euro und 750 Euro jährlich.

Gegen den Abzug der Kostendämpfungspauschale hatten zahlreiche Beihilfeberechtigte mit Erfolg beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen geklagt. Die Berufungen des Landes NRW gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts hat das OVG nunmehr zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Nach der aus der Verfassung folgenden Pflicht zur Alimentation müsse der Dienstherr den gesamten Lebensunterhalt des Beamten decken. Dazu gehörten auch die Krankheitskosten. Das ausgezahlte Gehalt sei so zusammengesetzt, dass es neben dem Anteil für alle übrigen Bedürfnisse auch einen Anteil für Krankheitskosten enthalte. Im Rahmen der Eigenvorsorge beteilige sich der Beamte an seinen Krankheitskosten, indem er diesen Gehaltsanteil einsetze, um die notwendigen Krankheitskostenversicherungen für sich und seine Familie abzuschließen. Nach der Konzeption von Eigenvorsorge und Beihilfe wirkten beide so zusammen, dass es idealtypisch ungedeckten Unterhaltsbedarf in Krankheitsfällen nicht geben könne.

Der Dienstherr unterlaufe durch die Kostendämpfungspauschale die Grundsätze, nach denen er das Gehalt bemesse. Er verhalte sich widersprüchlich, wenn er einerseits der Besoldung einen - wenn auch nicht genau bezifferten - Anteil beifüge, mit dem der Beamte die Eigenvorsorge für den Krankheitsfall betreiben solle, andererseits aber den Beamten über diese Eigenvorsorge hinaus belaste, indem er die Beihilfe um die Kostendämpfungspauschale kürze. Mit der Kostendämpfungspauschale als einer dritten Finanzierungsgrundlage der Krankheitskosten handele der Dienstherr eigenen Vorentscheidungen zuwider und treuwidrig.

Die Kostendämpfungspauschale verstoße außerdem gegen das Gebot der beamtenrechtlichen Rücksichtnahme, weil ungedeckter krankheitsbedingter Unterhaltsbedarf nur hinzunehmen sei, soweit die Beihilfevorschriften aus praktischen Gründen nicht mit jedem Versicherungstarif zur Deckung zu bringen seien. Die Kostendämpfungspauschale stelle dagegen keine unvermeidbare Folge, sondern eine gewollte Belastung der Beihilfeberechtigten dar, die zudem nicht versicherbar sei.

Der Senat weicht mit seiner Entscheidung von einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277) ab, mit dem dieses eine vergleichbare frühere Regelung in Niedersachsen für rechtmäßig erklärt hatte. Deswegen ist die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen, die das unterlegene Land Nordrhein-Westfalen einlegen kann. Wir gehen davon aus, dass das Land Revision einlegen wird.

Rechtmäßigkeit der „Sexsteuer“ in der Stadt Köln

Die mit der Kölner „Sexsteuer“ neu eingeführten Besteuerungsgegenstände verstoßen weder gegen Europarecht noch gegen das Grundgesetz noch gegen Bestimmungen des nordrhein-westfälischen Kommunalabgabengesetzes (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Köln, Urteil vom 11. Juli 2007
- Az.: 23 K 4180/04 u. a.

Das Verwaltungsgericht Köln hat vier Klagen gegen die Erhebung einer "Sexsteuer" im Jahre 2004 abgewiesen; in einem weiteren Fall hat es der Klage hingegen stattgegeben. Die Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom Dezember 2003 sei im Wesentlichen rechtswirksam, urteilten die Richter.

Die Vergnügungssteuer wird von Städten und Gemeinden aufgrund kommunaler Satzungen erhoben und fließt ausschließlich den Kommunen zu. Im Dezember 2003 hatte die Stadt Köln erstmals "die gezielte Einräumung der Gelegenheit zu sexuellen Vergnügungen in Bars, Sauna- , FKK- und Swingerclubs" und "das Angebot sexueller Handlungen gegen Entgelt, z. B. in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen mit Ausnahme von Straßenprostitution in Verrichtungsboxen" der Vergnügungssteuer unterworfen. Die Stadt rechnete insoweit mit jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von ca. 700.000,00 Euro. Gegen die Steuerbescheide erhoben einige Veranstalter Klage.

Vier dieser Klagen wiesen die Richter nun ab und führten dazu aus, die neu eingeführten Besteuerungsgegenstände verstießen weder gegen Europarecht noch gegen das Grundgesetz noch gegen Bestimmungen des nordrhein-westfälischen Kommunalabgabengesetzes. Unwirksam sei allerdings eine Satzungsbestimmung, nach der derjenige als Mitunternehmer Steuern schulde, der lediglich Räumlichkeiten zur Verfügung stelle ohne an der jeweiligen Vergnügungsveranstaltung in irgendeiner Weise beteiligt zu sein. Nichtig sei auch die Festsetzung einer Pauschalsteuer von 150,00 Euro je Raumeinheit und angefangenem Kalendermonat in den Fällen des Angebots sexueller Handlungen etwa in Beherbergungsbetrieben, Privatwohnungen, Wohnwagen und Kraftfahrzeugen. Diese monatsbezogene Berechnung der Steuer findet heute allerdings bereits nicht mehr statt; die Stadt Köln hat ihre Vergnügungssteuersatzung in dieser Hinsicht inzwischen mit Wirkung zum 1. Januar 2006 geändert.

Gegen die Urteile kann die unterlegene Partei binnen eines Monats (bis 27.08.2007) die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster beantragen.

Rücknahmefrist im Verhältnis zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung

Die Rücknahmefrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW gilt auch im Verhältnis zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung.

OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2007
- Az.: 15 A 371/05 -

Die beklagte Bezirksregierung bewilligte der klagenden Stadt mit verschiedenen Bescheiden Erstattungen nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz. Nach einer Rechnungsprüfung nahm die Beklagte eine Vielzahl von Bescheiden zurück, weil die Bewilligungsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Die dagegen gerichtete Klage hatte in beiden Instanzen Erfolg, weil die Rücknahmefrist verstrichen war.

Zur Begründung wird Folgendes ausgeführt:

Die teilweise Rücknahme der Bewilligungsbescheide ist rechtswidrig, da sie entgegen § 48 Abs. 4 VwVfG NRW nach Ablauf eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von den Tatsachen, welche die Rücknahme der rechtswidrigen Verwaltungsakte rechtfertigen, ausgesprochen wurde.<

Diese Fristregelung ist anwendbar. Die gelegentlich mit Rücksicht auf die Rechtsprechung des BVerwG, dass sich eine Behörde gegenüber einer anderen nicht auf Vertrauensschutz berufen könne, dargestellten Zweifel, ob die Rücknahmefrist im Verhältnis zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung Anwendung findet, werden vom OVG nicht geteilt.

Der Wortlaut gebe für einen so eingeschränkten Geltungsbereich der Norm keinen Anhalt. Allein aus deren Sinn und Zweck ließe sich im Wege teleologischer Reduktion eine Beschränkung des Anwendungsbereichs begründen. Die Rücknahmefrist diene aber nicht allein dem schutzwürdigen Vertrauen in den Bestand eines rechtswidrigen Verwaltungsakts. Da es sich bei der Rücknahmefrist um eine Entscheidungsfrist handelt, also der Behörde die Frist zur Verfügung steht, um sich nach erkannter Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und Kenntnis der für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen darüber klar zu werden, ob und inwieweit sie von ihrem Rücknahmeermessen Gebrauch machen will, gehe es bei der Fristgebundenheit auch um die im Interesse der Rechtssicherheit nötige Klarstellung, ob und von welchem Zeitpunkt an der jeweilige Rücknahmefall endgültig abgeschlossen ist.

Es gehe hier somit nicht - wie allgemein sonst beim Vertrauensschutz - darum, dass für den Begünstigten ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand von - rechtswidrigen - Verwaltungsakten begründet worden wäre. Die Klägerin konnte spätestens nach der Anhörung über die beabsichtigte Rücknahme gerade kein Vertrauen mehr auf den Bestand der Bewilligungsbescheide haben. Sie hat aber aus Gründen der Rechtssicherheit einen Anspruch darauf, dass sich die Beklagte binnen der Jahresfrist entscheidet, ob und inwieweit die Bewilligungsbescheide Bestand haben sollten. Auf den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Rechtssicherheit können sich auch Hoheitsträger berufen, deren Handeln auf rechtsbeständiger Grundlage aufbauen soll.

So bestehe etwa ein verfassungsrechtlich anerkanntes Rechtssicherheitsinteresse einer Verwaltungsbehörde an der Bestandskraft von Verwaltungsakten ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit. Daher wird in der Literatur vertreten, dass die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW auch zwischen Hoheitsträgern gilt.

Auch hier habe die Klägerin ein solches Interesse an der Einhaltung der Frist des § 48 Abs. 4 VwVfG NRW bei der Rücknahme der ihr gewährten Zuwendung: Die Gelder seien vereinnahmt und verbraucht. Für die weitere Finanzplanung musste sie sich bei dem laufenden Rücknahmeverfahren auf gegebenenfalls erhebliche Rückzahlungen einstellen, was ihre Dispositionsfreiheit bei Ausübung der kommunalen Selbstverwaltung beschränkt. Dem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit anerkennenswerten Interesse dient § 48 Abs. 4 VwVfG NRW, binnen der gesetzlichen Rücknahmefrist Klarheit über die finanziellen Planungsgrundlagen zu bekommen.

Diese Frist beginnt zu laufen, wenn der für die Entscheidung über die Rücknahme zuständige Amtswalter die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes erkannt hat und ihm die für die Rücknahmeentscheidung außerdem erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind.

© StGB NRW 2007

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