Heft Oktober 2017

Beteiligtenfähigkeit kommunaler Wähler-Vereinigungen

Kommunale Wählervereinigungen sind - anders als politische Parteien - im landesrechtlichen Organstreitverfahren nicht beteiligtenfähig. (Amtlicher Leitsatz)

VerfGH NRW, Beschluss vom 27.06.2017
- Az.: VerfGH 14/16 -

Nachdem der nordrhein-westfälische Verfassungsgerichtshof (VerfGH) mit Urteil vom 06.07.1999 - VerfGH 14, 15/98 - entschieden hatte, dass die Beibehaltung der 5 %-Sperrklausel in § 33 Abs. 1 KWahlG (a. F.) mit dem Recht auf Chancengleichheit als politische Partei aus Art. 21 GG, Art. 1 Abs. 1 LV und dem Recht auf Gleichheit der Wahl aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 LV nicht vereinbar war und aufgrund des Urteils die Sperrklausel durch das Gesetz zur Änderung wahlrechtlicher Vorschriften vom 14.07.1999 (GV. NRW. S. 412) ersatzlos gestrichen wurde, wurde mit dem sog. Kommunalvertretungsstärkungsgesetz in Art. 78 Abs. 1 LV für die Wahlen der Räte der Gemeinden, der Bezirksvertretungen, der Kreistage und der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr eine 2,5 %-Sperrklausel festgeschrieben und § 33 KWahlG entsprechend geändert. Das Gesetz trat am 01.07.2016 in Kraft.

Die Antragstellerin des hiesigen Verfahrens ist eine in ihrer Tätigkeit auf einen bestimmten Landkreis beschränkte kommunale Wählervereinigung. Nach § 2 ihrer Satzung vertritt sie ausschließlich kommunalpolitische Interessen, hat das Ziel, an der politischen Willensbildung ihres Kreises mitzuwirken, beteiligt sich zu diesem Zweck an Kommunalwahlen und unterstützt ihre Mitglieder, die dem Kreistag und/oder Gemeinde- und Stadträten sowie Bezirksausschüssen im Kreis angehören. Bei der letzten Kommunalwahl im Jahr 2014 erlangte sie mit einem Stimmenanteil von 3,01 % zwei Sitze im Kreistag.

Die Antragstellerin hat am 10.12.2016 ein Organstreitverfahren eingeleitet. In ihrer Begründung trägt sie zum einen vor, dass sie, auch ohne politische Partei zu sein, im Organstreitverfahren beteiligtenfähig sei. Nur so sei ihr eine effektive Durchsetzung ihres Rechts auf chancengleiche Teilnahme an Kommunalwahlen möglich. Zum anderen genüge die Sperrklausel nicht den von der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an Differenzierungen innerhalb der Wahlgleichheit, die aufgrund ihrer bundesverfassungsrechtlichen Verankerung in Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch der landesverfassungsändernde Gesetzgeber zu beachten habe.

Der VerfGH entschied demgegenüber, dass die Antragstellerin im Organstreitverfahren nach Art. 75 Nr. 2 der Landesverfassung (LV NRW), § 12 Nr. 5, §§ 43 ff. VerfGHG NRW nicht beteiligtenfähig sei, weil sie keine politische Partei ist. Im Organstreitverfahren entscheidet der Verfassungsgerichtshof über die Auslegung der Verfassung aus Anlass von Streitigkeiten über den Umfang der Rechte und Pflichten eines obersten Landesorgans oder anderer Beteiligter, die durch diese Verfassung oder in der Geschäftsordnung eines obersten Landesorgans mit eigenen Rechten ausgestattet sind.

Hierzu gehören nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auch politische Parteien und ihre Landesverbände. Kennzeichnend für politische Parteien sei insbesondere der Wille zur Einflussnahme auf die politische Willensbildung im Bereich des Bundes oder eines Landes und zur Teilnahme an den jeweiligen Parlamentswahlen. Deshalb seien - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG - kommunale Wählervereinigungen und sog. Rathausparteien, die ihre Tätigkeit auf den örtlichen Bereich beschränken und nur an Kommunalwahlen teilnehmen, keine politischen Parteien. Durch die fehlende Beteiligtenfähigkeit im Organstreitverfahren sei die Antragstellerin jedoch nicht rechtsschutzlos gestellt. Zur Verteidigung ihres Rechts auf chancengleiche Teilnahme an Kommunalwahlen stehe ihr das Wahlprüfungsverfahren nach §§ 39 ff. KWahlG zur Verfügung, in dessen Rahmen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist (§ 41 KWahlG).

 

Zweitwohnungssteuer bei Gesamthands- und Miteigentümern

1.  Wird eine Wohnung im Rahmen eines Leihverhältnisses unentgeltlich zur alleinigen Nutzung überlassen, so begibt sich der Verleiher dadurch der für seine Zweitwohnungssteuerpflicht erforderlichen Verfügungsmacht, wenn die Geltung der mietrechtlichen Kündigungsvorschriften der §§ 573 ff. BGB vereinbart worden ist.

2.  Enthält der Leihvertrag keine Abrede über die Geltung der mietrechtlichen Kündigungsvorschriften und ist die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen, so verbleibt die für die Zweitwohnungssteuerpflicht erforderliche Verfügungsmacht bei dem Verleiher.

3.  Voraussetzung für die Zweitwohnungssteuerpflicht von Miteigentümern ist nicht die jeweilige Verfügungsmacht der einzelnen Miteigentümer, sondern deren gemeinschaftliche Verfügungsmacht. (Amtliche Leitsätze)

BVerwG, Urteil vom 11.10.2016
- Az.: 9 C 28/15 -

Mit ihrer Revision wendet sich die beklagte Kommune gegen die Aufhebung eines an die Klägerin gerichteten Zweitwohnungssteuerbescheids durch das Berufungsgericht. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gab der Revision statt und hob das Berufungsurteil auf.

Die Klägerin ist 2005 gemeinsam mit ihrem Bruder und ihrer Schwester „in Gesellschaft nach dem bürgerlichen Recht“ als Eigentümerin einer 120 m² großen Wohnung im Stadtgebiet der Beklagten im Grundbuch eingetragen. Die Wohnung wurde von September 2006 bis August 2008 und von September 2009 bis Dezember 2011 vom Bruder der Klägerin unentgeltlich als Hauptwohnung genutzt. Im Januar 2012 blieb die Wohnung ungenutzt. Von Februar 2012 bis Oktober 2013 nutzte die Schwester der Klägerin sie unentgeltlich als Hauptwohnung.

In der Zeit von Mitte Oktober 2013 bis März 2015 war die Wohnung Hauptwohnung der Klägerin. Der Verwaltungsgerichtshof hob das Urteil des Verwaltungsgerichts, den Bescheid der Beklagten sowie den Widerspruchsbescheid auf. Er verneinte eine Zweitwohnungssteuerpflicht der Klägerin unabhängig davon, ob die Wohnung im Gesamthandseigentum oder im Miteigentum der Klägerin und ihrer Geschwister gestanden habe. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts könne nicht zur Zweitwohnungssteuer herangezogen werden. Die Klägerin selbst sei nicht Inhaberin der Wohnung gewesen. Als Miteigentümerin habe sie ebenfalls keine Verfügungsmacht innegehabt.

Sei für die unentgeltliche Überlassung der Wohnung an den Bruder und die Schwester der Klägerin aufgrund eines Leihverhältnisses die Geltung der mietrechtlichen Kündigungsvorschriften vereinbart gewesen, so habe den übrigen Miteigentümern die jederzeitige Verfügungsmacht gefehlt. Nichts anderes gelte, wenn die mietrechtlichen Kündigungsvorschriften nicht vereinbart gewesen seien. Zwar habe die Wohnung dann jederzeit zurückgefordert werden können. Die Klägerin sei dazu jedoch auf die Zustimmung zumindest eines weiteren Miteigentümers angewiesen gewesen.

Das BVerwG tritt dem entgegen. Eine Steuerpflicht könne für den Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigten auch dann begründet werden, wenn er die Wohnung nicht selbst nutzt, sondern sie anderen unentgeltlich zur Verfügung stelle. Wer eine Wohnung einem Angehörigen oder einem sonstigen Dritten unentgeltlich zur Nutzung überlasse, betreibe selbst Aufwand. Er könne Inhaber der Wohnung sein, soweit er sie weiterhin hält und sich der Verfügungsmacht über sie nicht begibt, sich also die Möglichkeit der Eigennutzung offenhalte.

Der steuerpflichtige Inhaber der Wohnung begebe sich der Verfügungsmacht über sie nicht dadurch, dass er sie dem Dritten nur tatsächlich zur Nutzung überlässt. Nach diesen Maßstäben verletze das Berufungsurteil Bundesrecht, soweit es die Zweitwohnungssteuerpflicht der Klägerin für den Fall verneint, dass die Wohnung, für die die Steuer festgesetzt worden ist, im Miteigentum der Klägerin und ihrer Geschwister stand.

 

Friedwald und Naturschutzrecht

Das Verwaltungsgericht Köln hat der Klage des B.U.N.D. gegen eine naturschutzrechtliche Befreiung, die der Rhein-Sieg-Kreis der Gemeinde Swisttal zur Errichtung und zum Betrieb eines Naturfriedhofs erteilt hatte, stattgegeben. (Orientierungssatz)

VG Köln, Urteil vom 05.09.2017
- Az.: 2 K 6600/15 -

Die Gemeinde Swisttal beabsichtigt die Errichtung und den Betrieb eines Naturfriedhofs auf privaten Grundstücken. Dabei sollen die Urnen der Verstorbenen mitten im Wald an den Wurzeln der Bäume beigesetzt werden, wobei der Wald seine natürliche Erscheinung behalten soll und eine Grabpflege nicht stattfindet. Die privaten Grundstücke liegen im Bereich des Landschaftsplans 4 des Rhein-Sieg-Kreises. Damit unterliegen sie naturschutzrechtlichen Beschränkungen.

Mit Bescheid aus Oktober 2015 befreite der beklagte Kreis die Gemeinde Swisttal von den Verboten des Landschaftsplans hinsichtlich vierer Schutzgebiete um die Burg Heimerzheim auf einer Gesamtfläche von ca. 37 ha. Gegen diesen Befreiungsbescheid hat der Kläger Klage mit der Begründung erhoben, die rechtlichen Befreiungsvoraussetzungen des Bundesnaturschutzgesetzes, wonach ein atypischer Sonderfall vorliegen müsse, seien nicht gegeben. Außerdem bestehe kein erforderliches überwiegendes Interesse an der Befreiung von den Verboten des Landschaftsplans. Durch die umfangreiche Befreiung werde das Schutzgebiet praktisch funktionslos.

Das Gericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die naturschutzrechtliche Befreiung sei rechtswidrig. Denn die Voraussetzungen für eine Befreiung seien nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Beklagten liege kein unvorhergesehener Sonderfall vor. Dies ergebe sich hinsichtlich des Naturschutzgebiets schon aus den Festsetzungen des Landschaftsplans selbst. Der Friedwald könne in seiner konkreten Gestalt nur errichtet werden, wenn zuvor eine entsprechende Änderung des Landschaftsplans erfolge. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

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