Heft Oktober 2012

Ordnungsgeld gegen Ratsmitglied

Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen ein Ratsmitglied wegen Verletzung seiner kommunalrechtlichen Verschwiegenheitspflicht ist rechtmäßig, wenn das Ratsmitglied in einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses ein Schreiben u.a. an anwesende Pressevertreter verteilt, das mehrere Zitate aus einem nicht öffentlichen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes enthält (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Köln, Urteil vom 30. August 2012
- Az.: 4 K 4462/11 -

Das Verwaltungsgericht Köln hat damit einen Beschluss des Rates der Stadt Pulheim von Juli 2011 bestätigt. Das klagende Ratsmitglied hatte in einer Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses ein Schreiben - u.a. an anwesende Pressevertreter - verteilt, das mehrere Zitate aus einem nicht öffentlichen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes enthielt. Das Rechnungsprüfungsamt hatte geprüft, ob das Vergabeverfahren im Zusammenhang mit dem geplanten Neubau eines Hallenbades rechtskonform durchgeführt worden war.

In der Urteilsbegründung führt das Gericht aus, der Kläger habe seine Verschwiegenheitspflicht verletzt. Der Bericht des Rechnungsprüfungsamtes sei zu diesem Zeitpunkt nicht allgemein bekannt gewesen. In der Presse sei in einem Bericht über den Auftritt des Bürgermeisters in einer Bürgerversammlung wenige Tage zuvor lediglich das Prüfergebnis wiedergegeben worden. Auf ein Recht zur „Flucht in die Öffentlichkeit“ könne sich der Kläger nicht berufen.

Gegen das Urteil kann innerhalb eines Monats nach dessen Zustellung Antrag auf Zulassung der Berufung beim OVG in Münster gestellt werden.

Duldung einer Feuerwehr-Sirene

Nach dem Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung sind Eigentümer und Besitzer von Gebäuden und Grundstücken verpflichtet, die Anbringung und auch den Fortbestand von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen ohne Entschädigung zu dulden. Dies ist Teil der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (nichtamtliche Leitsätze).

VG Arnsberg, Urteil vom 28. Juni 2012
- Az.: 7 K 3053/11 -

Die Klägerin hatte 2010 von der Stadt ein ehemaliges Grundschulgebäude erworben. In dem früheren Schulgebäude hat sie Seminar-, Behandlungs- und Büroräume eingerichtet. Auf dem Dach des Gebäudes befindet sich seit vielen Jahren eine der drei Feuerwehrsirenen in dem Ortsteil. Einen 2011 gestellten Antrag auf Entfernung der Sirene lehnte die Stadt ab. Für die flächendeckende Alarmierung der Freiwilligen Feuerwehr und die Warnung der Bevölkerung vor Gefahren in der betreffenden Ortslage seien angesichts der topographischen Verhältnisse drei Sirenen, auch diejenigen auf dem Grundstück der Klägerin, notwendig. Ein öffentliches Gebäude, auf dem eine entsprechende Anlage mit annähernd gleicher Wirkung mit vertretbarem Aufwand installiert werden könnte, stehe nicht zur Verfügung. Die geänderte Nutzung des Gebäudes widerspreche dem Standort der Anlage nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Entfernung der Sirene abgewiesen. Nach dem Gesetz über den Feuerschutz und die Hilfeleistung seien Eigentümer und Besitzer von Gebäuden und Grundstücken verpflichtet, die Anbringung und auch den Fortbestand von Feuermelde- und Alarmeinrichtungen ohne Entschädigung zu dulden. Dies sei Teil der Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Die Stadt habe auch ohne Ermessensfehler über den Anspruch der Klägerin auf Überprüfung der gesetzlichen Duldungspflicht und damit auch des Standortes der Sirene entschieden. Dabei habe sie mit sachgerechten Erwägungen eine Verlegung des Standortes abgelehnt. Sie habe sowohl die genehmigte Nutzungsänderung des früheren Schulgebäudes als auch die effektive Sicherung der Einsatzfähigkeit der Rettungskräfte gewürdigt.

Dabei habe sie auch berücksichtigt, dass sich die Sirene bereits seit Jahren ohne Beanstandungen an dem bisherigen Standort befinde und dies der Klägerin beim Erwerb des Grundstückes bekannt gewesen sein müsse. Sachgerecht sei auch die Überlegung, dass die Schallbelastung in einem Gebäude, auf dem sich eine Sirene befinde, geringer sei, als wenn der Baukörper durch Schallwellen einer in der Nachbarschaft befindlichen Sirene getroffen werde. Auch die Darlegungen, warum ein anderer Standort, insbesondere das neue Feuerwehrgerätehaus, nicht in Betracht komme, seien nachvollziehbar. Dabei habe die Stadt zu Recht auch finanzielle Erwägungen einbezogen.

Außerbetriebnahme von Abfallschächten

Die in größeren Gebäuden manchmal noch anzutreffenden Abfallschächte mussten nach der Landesbauordnung bis zum 31. Dezember 2003 außer Betrieb genommen werden (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Köln, Urteil vom 3. Juli 2012
- Az.: 2 K 5193/10 -

Die Klägerin ist als Wohnungseigentümergemeinschaft Eigentümerin eines Hochhauses nahe dem Rheinufer in der nördlichen Innenstadt von Köln. Das Gebäude verfügt über einen Abfallschacht, der es den Bewohnern ermöglicht, ihre Abfälle durch Einwurf in Öffnungen zu entsorgen, die sich auf jeder Etage des Gebäudes befinden. Im Juli 2010 gab die Beklagte der Klägerin auf, die im Gebäude vorhandenen Abfallschächte außer Betrieb zu nehmen. Dies begründete sie damit, bestehende Abfallschächte seien nach der Landesbauordnung spätestens bis zum 31. Dezember 2003 außer Betrieb zu nehmen gewesen.

Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die landesrechtlichen Bestimmungen seien verfassungswidrig. Dem folgte das Gericht nicht. Es stellte fest, der Landesgesetzgeber habe mit der Vorgabe, Abfallschächte außer Betrieb zu nehmen, einen legitimen Zweck verfolgt. Die Regelung trage unterstützend dazu bei, dass Abfälle getrennt gehalten würden, die zur Verwertung bestimmt seien.

Geldleistungen nach Asylbewerber-Leistungsgesetz

Die Regelungen zu den Grundleistungen in Form der Geldleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, unverzüglich für den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes eine Neuregelung zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums zu treffen (nichtamtliche Leitsätze).

BVerfG, Urteile vom 18. Juli 2012
- Az.: 1 BvL 10/10 und 1 BvL 2/11 -

Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Die Höhe entsprechender Leistungen muss der Gesetzgeber festlegen.

Die Leistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz dürfen nicht evident unzureichend sein und müssen zur Konkretisierung des grundrechtlichen Anspruchs folgerichtig in einem inhaltlich transparenten und sachgerechten Verfahren nach dem tatsächlichen und jeweils aktuellen Bedarf, also realitätsgerecht, begründet werden können. Diese Anforderungen beziehen sich nicht auf das Gesetzgebungsverfahren, sondern dessen Ergebnisse.

Das Grundgesetz lässt Raum für Verhandlungen und politischen Kompromiss. Es schreibt keine bestimmte Methode zur Ermittlung der Bedarfe und zur Berechnung der Leistungen vor, wodurch der dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsspielraum begrenzt würde. Werden jedoch hinsichtlich bestimmter Personengruppen unterschiedliche Methoden zugrunde gelegt, muss dies sachlich zu rechtfertigen sein. Zudem sind die Leistungen zur Existenzsicherung fortwährend zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht. Die materielle Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind; jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu rechtfertigen sind.

Nach diesen Grundsätzen genügen die vorgelegten Vorschriften den Vorgaben des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht. Die in § 3 AsylbLG festgelegten Geldleistungen sind evident unzureichend. Ihre Höhe ist seit 1993 nicht verändert worden, obwohl das Preisniveau in Deutschland seit diesem Jahr um mehr als 30 % gestiegen ist.

Die Grundleistungen in Form der Geldleistungen sind außerdem nicht realitätsgerecht und begründbar bemessen. Der Bestimmung der Leistungshöhe lagen damals und liegen auch heute keine verlässlichen Daten zugrunde. Die Gesetzgebung hatte sich damals auf eine bloße Kostenschätzung gestützt.

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