Heft Oktober 2010

Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Einheitsbewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer trotz verfassungsrechtlicher Zweifel bislang als verfassungsgemäß beurteilt. Er hat daran jedenfalls für Stichtage bis zum 1. Januar 2007 festgehalten. Zusätzlich hat er aber darauf hingewiesen, dass das weitere Unterbleiben einer allgemeinen Neubewertung des Grundvermögens für Zwecke der Grundsteuer mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar sei (nichtamtliche Leitsätze).

BFH, Urteil vom 30. Juni 2010
- Az.: II R 60/08 -

Der BFH führt zur Begründung des Urteils aus, dass die Festschreibung der Wertverhältnisse auf dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 nur sachgerecht und aus verfassungs-rechtlicher Sicht hinnehmbar sei, wenn der Hauptfeststellungszeitraum eine angemessene Dauer nicht überschreitet. Die über mehr als vier Jahrzehnte unveränderte Einheitsbewertung des Grundbesitzes verfehle insbesondere die sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Anforderungen an eine realitätsgerechte Bewertung. Auf unbegrenzte Dauer sei es auch nicht hinnehmbar, dass eine Wertminderung wegen Alters nach dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 ausgeschlossen werde. Außerdem führe das jahrzehntelange Unterlassen einer flächendeckenden Grundstücksneubewertung zwangsläufig zu verfassungsrechtlich nicht mehr hinnehmbaren Defiziten beim Gesetzesvollzug, weil verfahrensrechtlich nicht sichergestellt werde, dass dem Finanzamt Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse bekannt werden.

Verfassungsrechtlich geboten sei danach eine erneute Hauptfeststellung besonders im Beitrittsgebiet, wo die Wertverhältnisse auf den 1. Januar 1935 festgeschrieben seien. Der sich daraus ergebende gleichheitswidrige Zustand könne im Hinblick auf die verstrichene Zeit nicht mehr mit den Übergangsschwierigkeiten nach der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands gerechtfertigt werden. 

Hundesteuer und Existenzminimum

Das Oberverwaltungsgericht NRW hat entschieden, dass es wegen des Charakters der Hundesteuer als Aufwandsteuer nicht darauf ankomme, ob sich der Steuerpflichtige im Einzelfall den Aufwand der Hundehaltung eigentlich nicht leisten kann (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Urteil vom 8. Juni 2010
- Az.: 14 A 3021/08 -

Das OVG NRW begründet das Urteil damit, dass die Hundesteuer als Aufwandsteuer nicht an Einkommen und Vermögen des Steuerpflichtigen anknüpft, sondern an einen Aufwand, den sich dieser leistet. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen in der Vorinstanz stellen danach die angefochtenen Bescheide nicht deshalb einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Abgabefreiheit als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit dar, weil mit ihnen verfassungswidrig das Existenzminimum besteuert würde. Die Hundesteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG, zu deren Erhebung die Gemeinden nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KAG ermächtigt sind. Aufwandsteuern erfassen den besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand für die persönliche Lebensführung und besteuern damit die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.

Richtig sei, dass der Staat einkommensteuerrechtlich das Existenzminimum freistellen muss. Was der Staat dem Einzelnen voraussetzungslos aus allgemeinen Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen hat, das darf er ihm nicht durch Besteuerung seines Einkommens entziehen.

Dies lasse sich aber nicht auf die Besteuerung getätigten Aufwands übertragen. Während bei der Besteuerung des Existenzminimumeinkommens die bloße Tatsache der Erzielung des Einkommens die Steuerpflicht auslösen würde, so dass beim Steuerpflichtigen unvermeidlich weniger als das Existenzminimum zur Deckung des notwendigen Lebensbedarfs übrig bleibt, liege die Auslösung der Steuerpflicht bei der Aufwandsteuer in der Hand des Steuerpflichtigen.

Die Verwendung des Existenzminimumeinkommens sei Sache desjenigen, der es erzielt. Es gebe keine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates, jenem durch Steuerbefreiung einen Aufwand zu ermöglichen, den er sich mit der Steuer nicht leisten könne. Daher sei die erhöhte Besteuerung der Hundehaltung regelmäßig auch bei Sozialhilfeempfängern keine unverhältnismäßige Belastung.

Auch eine erdrosselnde Wirkung der Steuer liege nicht vor, da die erhöhte Hundesteuer nicht zu einem faktischen Verbot der Haltung gefährlicher Hunde im Sinne des Hundesteuerrechts führe.

Des Weiteren hat das OVG NRW entschieden, dass es im Ergebnis unbedenklich sei, Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier einer erhöhten Besteuerung zu unterwerfen. Überdurchschnittlich häufig erweise sich diese Hunderasse jedes Jahr - bezogen relativ auf die registrierte Population - bei Beißvorfällen mit Menschen gegenüber den nach dem Landeshundegesetz von der Rasse her nicht gesondert, sondern als nur "große Hunde" erfassten Hunderassen im oberen Bereich angesiedelt. Extrem sei diese Auffälligkeit bei Beißvorfällen mit Tieren, wo der American Staffordshire Terrier jedes Jahr zum Teil deutlich gegenüber "großen Hunden" die Spitzenstellung eingenommen hat.

Die Einwände der Kläger gegen die Stichhaltigkeit der nordrhein-westfälischen Statistik greifen nach der Entscheidung nicht durch. Die genannte statistische Auffälligkeit der Hunde der Rasse American Staffordshire Terrier reiche aus, die Entscheidung des Satzungsgebers, diese Rasse wegen ihrer abstrakten Gefährlichkeit einem erhöhten Steuersatz zu unterwerfen, als sachlich gerechtfertigt und damit nicht willkürlich zu bewerten. 

Verfassungsbeschwerde gegen bayerisches Rauchverbot

Die strikte Neufassung des Rauchverbots in bayerischen Gaststätten, die am 1. August 2010 in Kraft getreten ist, verletzt weder die Beschwerdeführerinnen als Raucherinnen noch die Beschwerdeführerinnen als Inhaberinnen von Gaststätten in ihren Grundrechten (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerfG, Beschluss vom 2. August 2010
- Az.: 1 BvR 1746/10 -

Am 1. August 2010 ist das durch einen Volksentscheid beschlossene neue bayerische Gesetz zum Schutz der Gesundheit vom 23. Juli 2010 in Kraft getreten. Es sieht ein striktes Rauchverbot für alle Gaststätten vor. Die mit Wirkung zum 1. August 2009 geschaffenen Ausnahmeregelungen für Bier-, Wein- und Festzelte und für getränkegeprägte kleine Einraumgaststätten sind ebenso entfallen wie die zur gleichen Zeit geschaffene Möglichkeit, Rauchernebenräume einzurichten.

Die Beschwerdeführerin zu 1) ist Raucherin und besucht mehrmals wöchentlich Gaststätten. Die Beschwerdeführerin zu 2) betreibt eine Gaststätte und erzielt einen erheblichen Teil ihres Umsatzes durch geschlossene Gesellschaften, die in abgetrennten Räumen stattfinden. Die Beschwerdeführerin zu 3), eine GmbH, betreibt ein „Pilslokal“ mit einer Fläche von weniger als 75 m2 und macht geltend, sie beschäftige nur Raucher und es würden „nur rauchende Gäste eingelassen“.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerinnen im Wesentlichen geltend machen, durch die strikte Neufassung des Rauchverbots in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) bzw. ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt zu sein, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verfassungsbeschwerde habe weder grundsätzliche Bedeutung noch sei ihre Annahme zur Durchsetzung der Grundrechte oder grundrechtgleichen Rechte der Beschwerdeführerinnen angezeigt. Die strikte Neufassung des Rauchverbots verletze weder die Beschwerdeführerin zu 1) als Raucherin noch die Beschwerdeführerinnen zu 2) und 3) als Inhaberinnen von Gaststätten in ihren Grundrechten.

Das BVerfG hat bereits mit Urteil vom 30. Juli 2008 entschieden, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehindert ist, dem Gesundheitsschutz gegenüber den damit beeinträchtigten Freiheitsrechten, insbesondere der Berufsfreiheit der Gastwirte und der Verhaltensfreiheit der Raucher, den Vorrang einzuräumen und ein striktes Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen (vgl. BVerfGE 121, 317 <357 ff.>). Entscheidet sich der Gesetzgeber wegen des hohen Rangs der zu schützenden Rechtsgüter für ein striktes Rauchverbot in allen Gaststätten, so darf er dieses Konzept konsequent verfolgen und muss sich auch nicht auf Ausnahmeregelungen für reine Rauchergaststätten einlassen.

Ein striktes Rauchverbot sei auch vor dem Hintergrund, dass es in Bayern nach Darstellung der Beschwerdeführerinnen aufgrund der bisherigen Regelungen inzwischen eine große Zahl rauchfreier Gaststätten gibt, nicht unverhältnismäßig.

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