Heft Oktober 2005

Erhebung von Gebühren durch Anstalt öffentlichen Rechts

Eine Anstalt des öffentlichen Rechts nach § 114 a GO NRW kann Benutzungsgebühren erheben (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 10. Februar 2005
- Az.: 13 L 1963/04 -

Das VG Gelsenkirchen hat in dem Beschluss entschieden, dass eine Anstalt des öffentlichen Rechts nach § 114 a GO NRW Benutzungsgebühren erheben kann. Es bestehe insoweit kein Widerspruch zwischen dem engeren Wortlaut des § 1 KAG NRW (Gemeinde und Gemeindeverbände) und der in § 114 a Abs. 3 Satz 2 GO NRW vorgesehenen Satzungsbefähigung der Anstalt des öffentlichen Rechts auch für Abgabesatzungen. Nach dem eindeutigen Willen des Landesgesetzgebers sollte mit § 114 a Abs. 3 GO NRW eine Übertragung der Satzungsbefugnis auch für Kommunalabgaben auf die Anstalt des öffentlichen Rechts ermöglicht werden. Insoweit gelte der Grundsatz „lex posterior derogat legi priori“, d. h. dass das zeitlich später erlassene Gesetz (hier § 114 a GO NRW) gewissermaßen das zeitlich früher erlassene Gesetz (hier § 1 KAG NRW) ergänze.

OVG NRW zur kalkulatorischen Verzinsung

Ein Zinssatz von 8 Prozent für das Kalkulationsjahr 1999 ist bei der kalkulatorischen Verzinsung im Rahmen der Erhebung von Benutzungsgebühren unter Berücksichtigung der langfristigen Zinsentwicklung überhöht (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Urteil vom 13. April 2005
- Az.: 9 A 3120/03 -

Das OVG NRW hat mit diesem Urteil entschieden, dass bei der kalkulatorischen Verzinsung im Rahmen der Erhebung von Benutzungsgebühren unter Berücksichtigung der langfristigen Zinsentwicklung ein Zinssatz von 8 % für das Kalkulationsjahr 1999 überhöht ist. Das OVG NRW weist darauf hin, dass ab dem Kalkulationsjahr 2006 nur noch ein Zinssatz von 7 % in Ansatz gebracht werden kann. Soweit Städte und Gemeinden in den Kalkulationsjahren 1999 bis 2005 einen kalkulatorischen Zinssatz von 8 % in der Gebührenkalkulation z. B. für die Abwassergebühren angesetzt haben bedeutet dieses aber nicht zwangsläufig, dass die kalkulierte Gebühr rechtswidrig ist, zumal das OVG NRW in ständiger Rechtsprechung bislang anerkannt hat, dass eine Kostenüberschreitung in Höhe von 3 % toleriert wird, wenn keine willkürliche Kostenansätze festzustellen sind. Der Ansatz einer kalkulatorischen Verzinsung von 8 % kann grundsätzlich nicht als willkürlich angesehen werden, zumal das OVG NRW zuletzt noch mit Urteil vom 14.12.2004 (Az.: 9 A 4187/01; Mitt. StGB NRW März 2005 Nr. 230, S. 107) eine kalkulatorische Verzinsung in Höhe von 8 % für das Kalkulationsjahr 1999 bestätigt hatte. Diese Rechtsprechung galt seit dem Urteil des OVG NRW vom 05.08.1994 (Az.: 9 A 1248/92; NWVBl. 1994, S. 428).

Das OVG NRW weist darauf hin, dass bei künftigen Kalkulationen, etwa für das Jahr 2006, der Zinsentwicklung Rechnung getragen werden müsse. Dabei wird in einem Klammerzusatz angemerkt, dass der maßgebliche langfristige Durchschnittszinssatz bereits im Jahr 2002 nur noch bei 7 % lag. Gleichzeitig hat das OVG in dem Urteil auch anerkannt, dass der für das jeweilige Jahr maßgebliche Durchschnittszinssatz um bis zu ca. 0,5 % erhöht werden darf. Damit werde dem Umstand Rechnung getragen, dass wegen der die Anlagezinsen regelmäßig übersteigenden Kreditzinsen ein etwaiger Fremdkapitalanteil zu einem höheren Zinssatz zu berichtigen sei. Auf der Grundlage dieses vorgenannten „Puffer-Zuschlags“ hatte das OVG NRW in dem zu entscheidenden Fall den bei der Kalkulationserstellung für das Jahr 1999 im Jahr 1998 bekannten langfristigen Durchschnittswert bis 1997 von 7,2 % auf 7,7 % erhöht. Damit war der von der Kommune angesetzte Zinssatz von 8 % aber immer noch um 0,3 % zu hoch angesetzt.

Insgesamt ist deshalb eine kalkulatorische Verzinsung für das Jahr 2006 in Höhe von 7 % ein Kalkulationsansatz, der unter Berücksichtigung des sog. „Puffer-Zuschlags“ am wenigsten Prozessrisiken nach sich zieht. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass der durchschnittliche Zinssatz - berechnet auf die Jahre 1955 bis zum Jahr 2004 - nach dem Kenntnisstand des StGB NRW bereits im Jahr 2004 zuletzt bei 6,84 % lag, so dass von dem sog. „Puffer-Zuschlag“ für das Kalkulationsjahr 2006 bereits 0,16 % in Anspruch genommen werden müssten, um einen Zinssatz von 7 % halten zu können. Dabei kann zurzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die Zinssätze in den Jahren 2005 und 2006 erheblich ansteigen werden, so dass zur Vermeidung von Prozessrisiken ein kalkulatorischer Zinssatz von 7 % eine rechtssichere Kalkulationsgrundlage darstellt.

Klage gegen Auflösung des Bundestags

Die mit der Organklage der Bundestagsabgeordneten Hoffmann und Schulz angegriffene Entscheidung des Bundespräsidenten zur Auflösung des 15. Deutschen Bundestages und über die Festsetzung der Wahl auf den 18. September 2005 sind mit dem Grundgesetz vereinbar (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerfG, Urteil vom 25. August 2005
- Az.: 2 BvE 4/05 und 2 BvE 7/05 -

Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Organklage der Bundestagsabgeordneten Hoffmann und Schulz, die sich gegen die Anordnung des Bundespräsidenten vom 21. Juli 2005 über die Auflösung des 15. Deutschen Bundestages und über die Festsetzung der Wahl auf den 18. September 2005 gewandt hatten, als unbegründet zurückgewiesen. Die angegriffenen Entscheidungen des Bundespräsidenten seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein dem Zweck des Art. 68 GG widersprechender Gebrauch der Vertrauensfrage, um zur Auflösung des Deutschen Bundestages und zu einer vorgezogenen Neuwahl zu gelangen, lasse sich nicht feststellen. Der Einschätzung des Bundeskanzlers, er könne bei den bestehenden Kräfteverhältnissen im Deutschen Bundestag künftig keine vom Vertrauen der Parlamentsmehrheit getragene Politik mehr verfolgen, sei keine andere Einschätzung eindeutig vorzuziehen. Die Entscheidung ist im Ergebnis mit 7 : 1 Stimmen ergangen.

Bestell- und Abholservice für Arzneimittel in Drogerie-Märkten

dm-Drogerien dürfen vorerst keinen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel unterhalten (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Beschluss vom 19. August 2005
- Az.: 13 B 426/05 -

Im Juni 2004 hatte die Firma dm in Kooperation mit einer Versandhandelsapotheke in Venlo, Niederlande, in acht Testfilialen in Düsseldorf, Krefeld, Mönchengladbach und Viersen einen Bestell- und Abholservice für Arzneimittel eingerichtet: Der Kunde füllte den in der dm-Filiale ausliegenden Bestellschein aus, steckte ihn - bei rezeptpflichtigen Arzneimitteln zusammen mit dem Rezept - in eine Bestelltasche und warf diese in eine Bestellbox. Spätestens 72 Stunden später konnte der Kunde das Paket mit den aus Venlo gelieferten Arzneimitteln in der dm-Filiale abholen.

Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf sah darin einen Verstoß gegen das Arzneimittelrecht, das eine Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel nur in einer Apotheke oder im genehmigten Versandhandel durch eine Apotheke vorsehe, und untersagte den Service. Gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung dieser Untersagung an. Die Firma dm legte dagegen Widerspruch ein und beantragte beim Verwaltungsgericht Düsseldorf vorläufigen Rechtsschutz. Das Verwaltungsgericht lehnte diesen Antrag ab. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde der Firma dm hat das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem o. g. Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt:

Es spreche einiges dafür, dass die Abgabe von Arzneimitteln in dm-Filialen gegen das Arzneimittelrecht verstoße, weil die Drogerie keine Apotheke und das mit der Venloer Apotheke vereinbarte Vertriebskonzept kein Versandhandel sei. Versandhandel sei die Lieferung einer Ware an eine vom Besteller angegebene Anschrift. Demgegenüber gehöre die Ausgabe von Waren in besonderen Abholstellen nicht zu den charakteristischen Merkmalen des Versandhandels. Mit der Zulassung des Versandhandels mit Arzneimitteln habe der Gesetzgeber keinesfalls den Verkehr mit Arzneimitteln insgesamt liberalisieren oder aber neue Vertriebskonzepte außerhalb der Apotheken zulassen wollen. Ob diese Beschränkung des Vertriebs verfassungsrechtlich mit Blick auf das Grundrecht der Berufsfreiheit und europarechtlich mit Blick auf den grundsätzlich freien Warenverkehr zulässig sei, könne im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes nicht geklärt werden; diese Klärung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Eine von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache losgelöste Interessenabwägung spreche allerdings für ein vorläufiges Verbot des Bestell- und Abholservices. Ob der Grundsatz der Arzneimittelsicherheit das sofortige Verbot rechtfertige, sei zweifelhaft, weil in den Drogeriemärkten nicht mehr stattfinde als die Ausgabe von Sendungen mit Arzneimitteln und die Entgegennahme entsprechender Bestellungen zum Zweck der Weiterleitung an eine Apotheke, Elemente, die dem vom Gesetz zugelassenen Versandhandel jedenfalls nicht wesensfremd seien. Entscheidend für das Ergebnis der Interessenabwägung sei, dass das Servicekonzept der Firma dm, könnte es bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache weiter umgesetzt werden, eine negative Vorbildwirkung hätte und im weiteren Umfang zur Entstehung unzulässigen Arzneimittelhandels führen könnte. Würde die Untersagung nicht vollzogen, entstände nach außen der Eindruck, dass das Konzept der Firma dm entweder zulässig sei oder aber nicht konsequent dagegen eingeschritten werde. Dies könnte Nachahmer dazu veranlassen, ebenfalls eigene neue Servicekonzepte im Arzneimittelbereich in die Tat umzusetzen, ohne sich an den Anforderungen des Arzneimittel- und Apothekenrechts zu orientieren.

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts ist unanfechtbar. Das Hauptsacheverfahren ist noch beim Verwaltungsgericht Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 16 K 5720/04 anhängig.

© StGB NRW 2005

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