Heft November 2006

Anerkennung von Führerscheinen anderer EU-Staaten

In eindeutigen Missbrauchsfällen des sog. EU Führerscheintourismus, in denen der Betreffende keine vom Freizügigkeitsgrundsatz umfassten Beziehungen zum Ausstellerstaat hatte und es ihm lediglich darauf ankommt, die strengen inländischen Anforderungen an die Wiedererlangung einer Fahrerlaubnis nach alkohol- oder drogenbedingten Auffälligkeiten zu umgehen, ist der Grundsatz der wechselseitigen Anerkennung EU ausländischer Fahrerlaubnisse eingeschränkt. Das OVG hält es für ausgeschlossen, dass der EuGH seine Rechtsprechung auch auf derartige Missbrauchsfälle angewandt wissen will, da dies berechtigte Sicherheitsbelange von Mitgliedstaaten ignorieren und zu massiven Gefährdungen im Straßenverkehr führen würde (nichtamtliche Leitsätze).

OVG NRW, Beschluss vom 13. September 2006
- Az.: 16 B 989/06 -

Der 16. Senat des OVG hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt, den ein Antragsteller gegen das vom Oberbürgermeister der Stadt Münster (Antragsgegner) verfügte Verbot, von einer tschechischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, beantragt hatte. Dem 1968 geborenen Antragsteller war im Jahr 1998 die Fahrerlaubnis entzogen worden, nachdem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,25 Promille ein Kraftfahrzeug geführt hatte. Noch im selben Jahr wurde er wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis auffällig. Einen im Jahr 2000 gestellten Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis lehnte die Fahrerlaubnisbehörde nach einer negativen medizinisch-psychologischen Begutachtung des Antragstellers ab. Im Mai 2003 bzw. im Mai 2004 wurde der Antragsteller wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, strafgerichtlich verurteilt. Am 19. April 2005, etwa einen Monat nach dem Ablauf der zuletzt festgesetzten Sperrzeit für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis, erwarb der Antragsteller in der Tschechischen Republik eine neue Fahrerlaubnis. Dies wurde am 12. Oktober 2005 bekannt, als der Antragsteller wegen des verbotswidrigen Benutzens eines Telefons beim Führen eines Kraftfahrzeuges angehalten wurde. Einer nachfolgenden Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kam der Antragsteller nicht nach. Mit Ordnungsverfügung untersagte daraufhin der Antragsgegner dem Antragsteller, von seiner tschechischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheides an. Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte beim VG Münster die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs.

Diesen Antrag lehnte das VG Münster ab. Die dagegen vom Antragsteller erhobene Beschwerde hat das OVG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Auch in Anbetracht der unlängst weitergeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage der Anerkennung von Fahrerlaubnissen, die nach der Entziehung der inländischen Fahrerlaubnis im EU-Ausland erworben worden sind, könne bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung weiterhin nicht festgestellt werden, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig oder rechtswidrig sei. Der Beschluss des EuGH vom 6. April 2006 C 227/05 (Rechtssache Halbritter) gebe zwar Anlass zu der Annahme, dass der Grundsatz der wechselseitigen Anerkennung EU ausländischer Fahrerlaubnisse auch einem nachfolgenden präventiv-polizeilichen Vorgehen Grenzen setze, sofern die inländische Fahrerlaubnisbehörde dabei an Geschehnisse vor der Erteilung der EU Fahrerlaubnis anknüpfe. Die Rechtssache Halbritter habe aber keinen Anlass geboten, zu der Einschränkung des europarechtlichen Anerkennungsgrundsatzes in eindeutigen Missbrauchsfällen (sog. EU Führerscheintourismus) Stellung zu nehmen, wie er hier vorgelegen hat, also in Fällen, in denen der Betreffende keine vom Freizügigkeitsgrundsatz umfassten Beziehungen zum Ausstellerstaat hatte und es ihm lediglich darauf ankam, die strengen inländischen Anforderungen an die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis nach alkohol- oder drogenbedingten Auffälligkeiten zu umgehen.

Der Senat hält es für ausgeschlossen, dass der EuGH seine Rechtsprechung auch auf derartige Missbrauchsfälle angewandt wissen will, da dies berechtigte Sicherheitsbelange ignorieren und zu massiven Gefährdungen im Straßenverkehr führen würde. Die danach vorzunehmende Abwägung der Interessen des Antragstellers und der vom Antragsgegner vertretenen öffentlichen Belange falle angesichts der erheblichen Zweifel an seiner Fahreignung eindeutig zulasten des Antragstellers aus. Der Beschluss des OVG ist unanfechtbar. Die Entscheidung in einem möglichen Hauptsacheverfahren steht allerdings noch aus.

Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis

1. Bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis hat sich die behördliche Ermessensausübung an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere ein einwandfreier Straßenzustand, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger oder Belange des Straßen- und Stadtbildes zählen.

2. Die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde ist im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung aber nicht zur Beachtung aller anderen öffentlichen Belange berufen, die nur mittelbar im Zusammenhang mit der Straße stehen, d. h. insbesondere nicht zur Berücksichtigung allgemeiner ordnungsbehördlicher Gesichtspunkte.

OVG NRW, Beschluss vom 2. August 2006
- Az.: 11 A 2642/04 -

Der klagende Verein betreibt unter anderem durch Informationsstände Aufklärung zu Fragen der Abtreibung. Hierbei werden unter anderem Fotos mit der Abbildung toter, teils zerstückelter abgetriebener Föten und Teile toter Föten öffentlich gezeigt. Auf Antrag des Klägers erteilte ihm die Straßenbaubehörde eine Sondernutzungserlaubnis zur Inanspruchnahme eines öffentlichen Platzes, um dort einen Informationsstand aufzustellen. Des Weiteren verfügte die Behörde unter Hinweis auf das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Ordnung im Sinne des § 14 Abs. 1 OBG NRW: „Es ist untersagt, schockierende Photographien (z. B. Bilder von Todgeburten) und Darstellungen von Menschenrechtsverletzungen öffentlich an Plakattafeln zur Schau zu stellen. Sie dürfen nur interessierten Erwachsenen in Mappen zur Verfügung gestellt werden“.

Gegen diese Nebenbestimmung wandte sich der Kläger im Widerspruchs- und Klageverfahren ohne Erfolg. Nachdem sich die Sondernutzungserlaubnis zwischenzeitlich infolge Zeitablaufs erledigt hatte, stellte das OVG auf die zugelassene Berufung des Klägers fest, dass die angegriffene Nebenbestimmung rechtswidrig war.

Die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis steht grundsätzlich im Ermessen der Behörde. Ferner kann eine Sondernutzungserlaubnis gemäß § 18 Abs. 2 Satz 2 StrWG NRW nach Ermessen mit Bedingungen und Auflagen verbunden werden. Der Behörde ist aber kein völlig freies Ermessen eröffnet. Sie hat ihr Ermessen vielmehr gemäß § 40 VwVfG NRW entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Der gesetzliche Erlaubnisvorbehalt für eine straßen- und wegerechtliche Sondernutzung soll eine Nutzung der betroffenen Straßen und Wege sicherstellen, die den Widmungszweck nicht wesentlich beeinträchtigt. Damit dient das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt in erster Linie der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs, so wie ihn die Widmung der öffentlichen Sache zulässt. Die Ermessensausübung hat sich bei der Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis daher an Gründen zu orientieren, die einen sachlichen Bezug zur Straße haben. Zu diesen Gründen können insbesondere zählen ein einwandfreier Straßenzustand - Schutz des Straßengrundes und des Zubehörs -, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, der Ausgleich zeitlich und örtlich gegenläufiger Interessen verschiedener Straßenbenutzer und Straßenanlieger - etwa Schutz vor Abgasen, Lärm oder sonstigen Störungen - oder Belange des Straßen- und Stadtbildes, d. h. baugestalterische oder städtebauliche Vorstellungen mit Bezug zur Straße und aufgrund eines konkreten Gestaltungskonzeptes - Vermeidung einer "Übermöblierung" des öffentlichen Straßenraumes, Schutz eines bestimmten Straßen- oder Platzbildes u. Ä.

Dass nur straßenbezogene Gesichtspunkte die Ablehnung einer Sondernutzungserlaubnis oder deren Verbindung mit Nebenbestimmungen rechtfertigen können, sieht auch die Sondernutzungssatzung der Stadt vor. In § 6 Abs. 1 Satz 2 der Sondernutzungssatzung ist ausdrücklich bestimmt: „Sie (die Sondernutzungserlaubnis) kann versagt, widerrufen oder unter Bedingungen und Auflagen erteilt werden, wenn dies für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs, zum Schutze der Straße oder zur Wahrung stadtgestalterischer oder städtebaulicher Belange erforderlich ist“. Neben der nach Landesstraßenrecht bereits bestehenden Bindung der Beklagten, bei ihrer Ermessensausübung nur Gründe mit einem straßenrechtlichen Bezug zu berücksichtigen, folgt dies also ebenfalls aus dem nachgeordneten Satzungsrecht.

Demgegenüber ist die für die Erteilung der Sondernutzungserlaubnis zuständige Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung jedoch nicht zur Beachtung aller anderen öffentlichen Belange berufen, die nur mittelbar im Zusammenhang mit der Straße stehen, d. h. insbesondere nicht zur Berücksichtigung allgemeiner ordnungsbehördlicher Gesichtspunkte.

Wenn mit der Sondernutzung evident die Begehung einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verbunden wäre, könnte von der Straßenbehörde allenfalls dem Gesichtspunkt Rechnung getragen werden, dass in einem solchen Fall das Interesse des eine Sondernutzungserlaubnis Beantragenden an der Erteilung einer uneingeschränkten, d. h. auch nicht mit Nebenbestimmungen versehenen Sondernutzungserlaubnis rechtlich nicht schutzwürdig wäre. Insoweit würde nämlich der allgemeine Rechtsgedanke gelten, dass kein schützenswertes Interesse an der Erteilung einer Erlaubnis gegeben ist, wenn deren legaler Ausübung zwingende Hindernisse aus einem anderen Rechtsgebiet entgegenstehen. Im Übrigen kann die Straßenbehörde aus Kompetenzgründen, wenn die Sondernutzungserlaubnis zu einem gesetzwidrigen Verhalten missbraucht werden sollte, nur die zuständige Ordnungs- bzw. Polizeibehörde informieren und diese um entsprechende Maßnahmen bitten.

Eigenheimzulage auf Sozialhilfe angerechnet

Erhält ein Sozialhilfeempfänger die Eigenheimzulage, gehört diese zu seinem Einkommen und muss daher bei der Höhe der Sozialhilfe berücksichtigt werden (nichtamtlicher Leitsatz).

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 19. Mai 2006
- Az.: L 3 ER 50/06 SO -

Eine Klägerin hatte Sozialhilfe ohne Abzüge beantragt und sich auf den Standpunkt gestellt, die Eigenheimzulage sei für die Berechnung des Einkommens nicht heranzuziehen. Der zuständige Landkreis war anderer Auffassung und argumentierte, dass die Eigenheimzulage als Einkommen anzurechnen ist und die Sozialhilfe entsprechend abgesenkt werden müsste.

Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz bestätigte die Auffassung des Landrats. Demnach wird die Eigenheimzulage ohne jeden Verwendungsnachweis gewährt und steht somit dem Berechtigten zur freien Verfügung. Es kommt laut Gericht auch nicht darauf an, ob der Anspruch an eine Bank abgetreten wurde.

© StGB NRW 2006

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