Heft Mai 2018

Einheitsbewertung für Grundsteuer-Bemessung verfassungswidrig

  1. Der Gesetzgeber hat bei der Wahl der Bemessungsgrundlage und bei der Ausgestaltung der Bewertungsregeln einer Steuer einen großen Spielraum, solange sie geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden.
  2. Ermöglichen Bewertungsregeln ganz generell keine in ihrer Relation realitätsnahe Bewertung, rechtfertigt selbst die Vermeidung eines noch so großen Verwaltungsaufwands nicht ihre Verwendung. Auch die geringe Höhe einer Steuer rechtfertigt die Verwendung solcher realitätsfernen Bewertungsregeln nicht.
  3. Das Aussetzen der im Recht der Einheitsbewertung ursprünglich vorgesehenen periodischen Hauptfeststellung seit dem Jahr 1964 führt bei der Grundsteuer zwangsläufig in zunehmendem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch Wertverzerrungen, die jedenfalls seit dem Jahr 2002 weder durch den vermiedenen Aufwand neuer Hauptfeststellungen noch durch geringe Höhe der individuellen Steuerlast noch durch Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt sind.

(Amtliche Leitsätze)

BVerfG, Urteil vom 10. April 2018
- Az.: 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 -

Der Entscheidung liegen fünf Verfahren, drei Richtervorlagen des Bundesfinanzhofs und zwei Verfassungsbeschwerden, zugrunde. Die Kläger bzw. Beschwerdeführer sind Eigentümer von bebauten Grundstücken in verschiedenen „alten“ Bundesländern, die jeweils vor den Finanzgerichten gegen die Festsetzung des Einheitswertes ihrer Grundstücke vorgegangen sind und eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gerügt haben. Einheitswerte für Grundbesitz werden nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes in den „alten“ Bundesländern noch heute auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 ermittelt und bilden die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer.

Wie das Bundesverfassungsgericht nun entschieden hat, sind die Regelungen des Bewertungsgesetzes zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern jedenfalls seit dem Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar. Das Festhalten des Gesetzgebers an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führe zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gebe.

Das Gericht hat die entsprechenden Vorschriften für verfassungswidrig erklärt und bestimmt, dass der Gesetzgeber spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung zu treffen hat. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens aber bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden. Die ungewöhnliche Anordnung der Fortgeltung nach der Verkündung der Neuregelung sei - so das Gericht - durch die besonderen Sachgesetzlichkeiten der Grundsteuer geboten und von daher ausnahmsweise gerechtfertigt.

Zur bundesweiten Neubewertung aller Grundstücke bedürfe es eines außergewöhnlichen Umsetzungsaufwandes im Hinblick auf Zeit und Personal. Vor diesem Hintergrund sei die Fortgeltung der alten Rechtslage für weitere fünf Jahre geboten aber auch ausreichend, um im Falle einer Neuregelung die dadurch geschaffenen Bewertungsbestimmungen umzusetzen und so während dieser Zeit die ansonsten drohenden gravierenden Haushaltsprobleme zu vermeiden.

Die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Grundsätze zur Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Steuerrecht verlangten auch auf der Ebene der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen eine gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Wertbemessung. Die Aussetzung einer erneuten Hauptfeststellung der Einheitsbewertung über einen langen Zeitraum führe systembedingt aber in erheblichem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch ungleiche Bewertungsergebnisse.

Das System der Einheitsbewertung für Grundbesitz sei davon geprägt, dass in regelmäßigen Zeitabständen eine allgemeine Wertfeststellung (Hauptfeststellung) stattfindet. Diese periodische Wiederholung der Hauptfeststellung sei zentral für das vom Gesetzgeber selbst so gestaltete Bewertungssystem. Der Gesetzgeber habe den Zyklus der periodischen Wiederholung von Hauptfeststellungen, nachdem er ihn erst 1965 wieder aufgenommen hatte, nach der darin auf den 1. Januar 1964 bezogenen Hauptfeststellung aber ausgesetzt und seither nicht mehr aufgenommen.

Die aus der Überdehnung des Hauptfeststellungszeitraums folgenden flächendeckenden, zahlreichen und erheblichen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens führten zu entsprechenden Ungleichbehandlungen bei der Erhebung der Grundsteuer. Die Vereinbarkeit dieser Ungleichbehandlungen mit Art. 3 Abs. 1 GG richte sich aufgrund des Ausmaßes der Verzerrungen nach strengen Gleichheitsanforderungen. Eine ausreichende Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlungen ergebe sich weder allgemein aus dem Ziel der Vermeidung allzu großen Verwaltungsaufwands noch aus Gründen der Typisierung und Pauschalierung.

Zwar stehe dem Gesetzgeber ein erheblicher Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Dieser decke aber nicht die Inkaufnahme eines dysfunktionalen Bewertungssystems. Auch vermögen nach Ansicht des Gerichts weder eine gemessen am Verkehrswert generelle Unterbewertung des Grundvermögens noch die vermeintlich absolut geringe Belastungswirkung der Grundsteuer die Wertverzerrungen zu rechtfertigen.

In seiner Entscheidung hat das Gericht im Zusammenhang mit den getroffenen Übergangsregelungen ausdrücklich auch gewürdigt, dass ohne solche Regelungen angesichts der erheblichen finanziellen Bedeutung der Grundsteuer für die Kommunen die ernsthafte Gefahr bestehe, dass viele Gemeinden ohne die Einnahmen aus der Grundsteuer in gravierende Haushaltsprobleme gerieten.

Kulturförderabgabe und Entrichtungspflicht

Zur Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen einer Kulturförderabgabe außerhalb eines Haftungsbescheids (Orientierungssatz)

OVG NRW, Beschluss vom 13. Februar 2018
- Az.: 14 A 1866/17 -

Die Klägerin, die im Gemeindegebiet der Beklagten ein Hotel betreibt, hatte sich gegen die Heranziehung zur Kulturförderabgabe durch die Beklagte gewendet. In erster Instanz hatte das Verwaltungsgericht den Heranziehungsbescheid der Stadt teilweise aufgehoben, weil die Klägerin lediglich zur Entrichtung (Weiterleitung) der beim Abgabenschuldner (Übernachtungsgast) eingezogenen Abgabe verpflichtet sei. Unterbleibe - wovon die Beklagte im vorliegenden Fall ausgehe - (teilweise) pflichtwidrig die Einziehung der Abgabe, könne der Beherbergungsunternehmer allenfalls als Haftungsschuldner herangezogen werden. Gegen diese Entscheidung hatte sich die Beklagte mit der Ansicht gewendet, die in der Satzung vorgesehene Entrichtungspflicht des Betreibers des Beherbergungsbetriebs setze nicht voraus, dass dieser zuvor die Abgabe beim Übernachtungsgast eingezogen habe.

Das OVG Münster hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Der Inhalt der Rechtsbegriffe in kommunalen Abgabensatzungen sei nach allgemeinen Auslegungsregeln - insbesondere mit Blick auf das KAG NRW und die AO - zu ermitteln. Angesichts dessen sei die vorgesehene Entrichtungspflicht im Lichte der Regelung in § 12 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b KAG i. V. m. § 43 Satz 2 AO auszulegen. Steuerentrichtungspflichtiger in deren Sinne sei derjenige Beteiligte des Steuerrechtverhältnisses, der kraft Gesetzes verpflichtet ist, die von einem anderen geschuldete Steuer einzubehalten und für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten. Er sei zwar nach § 33 Abs. 1 AO Steuerpflichtiger, aber nicht zugleich Steuerschuldner, sondern schuldet nur die Abführung der Steuer des Dritten. Anders als dieser müsse er daher für die Steuer nicht mit seinem eigenen Vermögen einstehen.

Das Gesetz sehe demgemäß auch keine Inanspruchnahme des Entrichtungspflichtigen durch einen Steuerentrichtungs(schuld-)bescheid vor. Diese sich bereits aus den einschlägigen Bestimmungen der Abgabenordnung ergebende Auslegung werde untermauert durch die zwischenzeitlich in Kraft getretene Regelung in § 3 Abs. 4 KAG, auf die die Beklagte indes nicht eingehe. Danach könnte ein Dritter, der nicht Steuerschuldner ist, durch die Steuersatzung u. a. verpflichtet werden, die Steuer zu kassieren (und) abzuführen.

Die gerade auf die Erhebung der Kulturförderungs- bzw. Beherbergungsabgabe zielende Vorschrift solle nach dem Willen des Gesetzgebers die sich bereits aus § 43 Satz 2 AO ergebenden Steuerpflichten des Entrichtungspflichtigen klarstellen und es zugleich ermöglichen, dass er bei einer Verletzung dieser Pflichten neben dem Steuerschuldner für die Steuer in Haftung genommen werden kann.

Widmung einer Straße

Ist eine Widmung zur Verwirklichung des Merkmals „öffentliche Straße“ Voraussetzung für die Entstehung der Beitragspflicht, beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Bestandskraft der Widmung. Eine Widmung kann mit heilender Wirkung ex nunc nachgeholt werden. (Amtliche Leitsätze)

OVG NRW, Beschluss vom 19. Mai 2017
- Az.: 15 A 1703/16 -

Das Verwaltungsgericht hatte in erster Instanz die Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen des § 8 KAG NRW in Verbindung mit den Bestimmungen der Satzung der Gemeinde über die Erhebung von Beiträgen nach § 8 KAG lägen vor. In Fällen erforderlicher, aber zunächst fehlender Widmung entstehe die sachliche Beitragspflicht erst mit der Bestandskraft der Widmung. Diese sei vorliegend im Jahr 2013 nachgeholt worden. Mangels Widmung habe der Ausbaubeitrag nicht bereits im Jahr 2012 verjähren können.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung vor dem OVG hatte ebenfalls keinen Erfolg. Gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 b) KAG NRW i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 1, § 170 Abs. 1 AO betrage die Festsetzungsfrist einheitlich vier Jahre beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beitragspflicht entstanden ist. Sei eine Widmung - die, wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, mit heilender Wirkung ex nunc nachgeholt werden könne - zur Verwirklichung des Merkmals „öffentliche Straße“ Voraussetzung für die Entstehung der Beitragspflicht, könne die Verjährungsfrist erst mit der Bestandskraft der Widmung zu laufen beginnen. Übertragen auf den zu entscheidenden Fall bedeute dies, dass aufgrund der im August 2013 nachgeholten Widmung die Beitragspflicht auch erst in diesem Jahr - und nicht schon mit der Fertigstellung der Baumaßnahmen im Jahr 2008 - entstanden ist, weshalb der angefochtene Bescheid nicht der Verjährung unterliegt.

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