Heft Juni 2016

Wettbüro-Steuer in Dortmund bestätigt

Die Wettbürosteuer [Steuer auf das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Einrichtungen, die neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals o. Ä.) auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen] ist eine örtliche Aufwandsteuer, die bundesgesetzlich geregelten Steuern, insbesondere der Renn- und Sportwettensteuer, nicht gleichartig ist.

Dass die Möglichkeit, die Wettereignisse mitzuverfolgen, unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, steht ihrer Charakterisierung als Aufwandsteuer nicht entgegen. (Amtliche Leitsätze)

OVG NRW, Urteil vom 13.04.2016
- 14 A 1599/15 -

Die Beklagte erließ 2014 eine Vergnügungssteuersatzung für das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten. Danach unterliegen der Besteuerung im Gebiet der Beklagten das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Einrichtungen (Wettbüros), die neben der Annahme von Wettscheinen (auch an Terminals o. Ä.) auch das Mitverfolgen der Wettereignisse ermöglichen. Steuerschuldner ist der Satzung gemäß der Betreiber des Wettbüros. Die Bemessungsgrundlage der Steuer ist die Veranstaltungsfläche (qm) der genutzten Räume (Flächenmaßstab). Der Steuersatz im fraglichen Zeitraum betrug für jede angefangenen zwanzig Quadratmeter Veranstaltungsfläche 250 Euro je angefangenen Kalendermonat.

Der Kläger betreibt im Stadtgebiet der Beklagten eine Wettannahmestelle. Mit seiner Klage hat er eine Verletzung des Gleichheitssatzes gerügt, da die Steuer zwar Wettbüros, aber nicht die Wettannahmestellen der staatlichen Lotteriegesellschaften treffe, obgleich es hierfür mit Blick auf die Gleichartigkeit der abgegebenen Wetten keine Rechtfertigung gebe. Weiter sei der von der Beklagten herangezogene Flächenmaßstab zur Bemessung des Aufwands der Wettenden untauglich.

Die Wettbürosteuer verstoße außerdem gegen das Regelungskonzept der Bundesländer und das Gleichartigkeitsverbot aus Art. 105 Abs. 2 a GG, da sie denselben Aufwand besteuere wie andere Abgaben, etwa nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz. Die Wettbürosteuer sei ferner auch als Berufsausübungsregelung nach Art. 12 Abs. 1 GG unzulässig, da sie zur Erreichung des Lenkungszwecks ungeeignet sei, die Spiellust einzudämmen. Nachdem seine Klage in erster Instanz abgewiesen worden war, verfolgte der Kläger sie mit der Berufung zum OVG NRW weiter. Auch dort unterlag er.

Das OVG stellt in seiner Begründung zunächst klar, dass die beklagte Stadt zum Erlass der Vergnügungssteuersatzung nach Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG befugt war. Hiernach haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung über örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Das Gericht qualifiziert die Wettbürosteuer als eine örtliche Aufwandsteuer, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist.

Eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2 a GG solle die in der Einkommensverwendung für den persönlichen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners bzw. bei einer - wie hier - indirekt erhobenen Steuer des Steuerträgers treffen. Die Wettbürosteuer der Beklagten treffe den Konsumaufwand des Wettkunden für das Wetten in einem Wettbüro.

Für die Charakterisierung der Steuer als Aufwandsteuer sei allein entscheidend, dass der Wettkunde, den die Steuer letztlich treffen soll, mit der Zahlung des Wetteinsatzes eine finanzielle Leistung erbringt, die neben der Finanzierung der Wette auch der Finanzierung des Wettbüros und damit auch der beim Wettbürobetreiber anfallenden Steuer dient. Zu Unrecht werde in der Klage - aber auch in der Rechtsprechung anderer Gerichte - der Charakter der Steuer als Aufwandsteuer infrage gestellt, weil eine Teilleistung, nämlich die Möglichkeit der Mitverfolgung der Wettereignisse, unentgeltlich und deshalb kein Aufwand als Steuergut vorhanden sei.

Tatsächlich werde die Bereitstellung der Mitverfolgungsmöglichkeit - und im Übrigen auch die gesamte sonstige Tätigkeit des Wettbürobetreibers und des Wettveranstalters - von demjenigen finanziert, der einen Wetteinsatz tätigt, denn nach dem hier in Rede stehenden Geschäftsmodell werde der Gesamtaufwand des Wettbürobetreibers im Wesentlichen aus den Provisionszahlungen des Wettanbieters bestritten, die ihrerseits aus den Wetteinsätzen erwirtschaftet werden.

Dass kein der steuerbaren Veranstaltung betragsmäßig abgrenzbar zurechenbarer Konsumaufwand und kein unmittelbarer rechtlicher Konnex zwischen Konsumaufwand und besteuertem Vergnügen vorhanden sein müsse, sei dem Vergnügungssteuerrecht geläufig. Durch das spezifische Vermarktungskonzept der Wettvermittlung oder Wettveranstaltung bei gleichzeitiger Mitverfolgungsmöglichkeit der Wettereignisse solle gegenüber reinen Wettannahmestellen ein erhöhter Wettumsatz generiert werden, der die Kosten des Betriebs des Wettbüros zuzüglich eines Gewinns abdecken soll.

Der Einordnung als Aufwandsteuer stehe auch nicht entgegen, dass sie aufgrund des gewählten Flächenmaßstabs auch dann anfalle, wenn Wettinteressierte sich im Wettbüro lediglich Sportereignisse anschauten, ohne zu wetten. Denn dieser Einwand sei unzutreffend. Die Steuersatzung setze voraus, dass Wetten tatsächlich vermittelt oder veranstaltet worden sind. Der bloße Aufenthalt im Wettbüro, um sich Sportereignisse anzuschauen, unterliege keiner Besteuerung.

Ferner sei auch eine nur mittelbare Aufwandsbeziehung zwischen Steuerträger und Steuerschuldner über einen Dritten dem Recht der Aufwandsteuer geläufig, sodass unschädlich sei, dass der von den Steuerträgern, also den Wettkunden, getätigte Aufwand gegenüber den Wettanbietern erfolgt, nicht aber gegenüber dem die Steuer schuldenden Betreiber des Wettbüros, der regelmäßig, nämlich im Fall der Vermittlungsvariante, nicht der Wettanbieter ist. Maßgeblich sei insoweit nur, dass tatsächlich ein Aufwand für den steuerlich belasteten Konsum getätigt wird. Dies sei der Fall, denn aus den Wetteinsätzen werden die Provisionszahlungen des Wettanbieters für die Vermittlung der Wetten durch den Wettbürobetreiber finanziert.

Sodann setzt sich das Gericht ausführlich mit dem in Art. 105 Abs. 2 a GG verankerten Gleichartigkeitsverbot auseinander und kommt zu dem Ergebnis, dass die Wettbürosteuer nicht als mit bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig zu qualifizieren ist.

Anders als mit der Klage gerügt, stelle die Besteuerung zudem keinen unzulässigen Eingriff in die Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dar. Ein Eingriff in die Freiheit der Berufswahl liege vor, wenn die Steuer ihrer objektiven Gestaltung und Höhe nach es in aller Regel unmöglich macht, den angestrebten Beruf ganz oder teilweise zur wirtschaftlichen Grundlage der Lebensführung zu machen. Einer kommunalen Steuer komme danach eine erdrosselnde Wirkung zu, wenn mit der Ausübung des in Rede stehenden Berufs in der Gemeinde infolge dieser Steuer nach Abzug der notwendigen Aufwendungen kein angemessener Reingewinn erzielt werden könne. Dieser Betrachtung sei allerdings nicht der einzelne, sondern ein durchschnittlicher Betreiber im Gemeindegebiet zugrunde zu legen. Art. 12 GG gewährleiste keinen Bestandsschutz für die Fortsetzung einer unwirtschaftlichen Betriebsführung. Daher sei zu ermitteln, ob der durchschnittlich zu erzielende Bruttoumsatz die durchschnittlichen Kosten unter Berücksichtigung aller anfallenden Steuern einschließlich eines angemessenen Betrages für Eigenkapitalverzinsung und Unternehmerlohn abdecken kann.

Dass vorliegend die Einnahmen des Wettbürobetreibers aus der Vermittlung und Veranstaltung der hier in Rede stehenden Wetten die durchschnittlichen Kosten nicht abdeckten und kein angemessener Unternehmerlohn mehr verbleibe, habe der Kläger weder substantiiert behauptet noch sei dies ersichtlich. Der Boom der Wettbüros lege die Annahme nahe, dass in diesem Geschäft gut verdient werden könne. Eine Tendenz zum Absterben der Wettbürobranche sei nicht erkennbar. Daneben komme es außerdem auf das Erreichen eines Lenkungszwecks nicht an. Die Steuer rechtfertige sich  allein schon aus der Absicht, Einnahmen zu erzielen.

Ferner sei auch der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gewahrt worden. Kein Verstoß liege darin, dass nur das Vermitteln oder Veranstalten von Pferde- und Sportwetten in Wettbüros besteuert werde, während vor allem das Betreiben von reinen Wettannahmestellen keiner Besteuerung unterliegt. Die Bestimmung des Steuergegenstandes müsse lediglich auf einem nachvollziehbaren Sachgrund beruhen, der bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht als willkürlich angesehen werden kann.

Das Geschäftsmodell Wettbüro setze an der Schaffung einer Wettkampfatmosphäre an, die zum Vermitteln bzw. Veranstalten von Wetten ausgenutzt wird und eine Steigerung des Wettumsatzes bewirken soll. Es gehe um die Anfeuerung der Wettleidenschaft, auch durch Schaffung eines Anreizes, sich in dem Wettbüro mit Dritten zu treffen. Demgegenüber befriedigten reine Wettannahmestellen lediglich das unabhängig von deren Existenz vorhandene Wettinteresse. Dieser Unterschied rechtfertige als sachlicher Grund die Besteuerung nur der Wettbüros.

Auch eine ausreichende Abgrenzbarkeit von Wettbüros und Wettannahmestellen unter Bestimmtheitsgesichtspunkten hält das Gericht aufgrund der städtischen Satzung für gegeben. Entscheidend sei eine Übertragungsdichte der Wettereignisse, die dem Wettbüro den für ihn prägenden Charakter zu geben vermag und die geeignet sei, Wettkampfatmosphäre und einen Treffpunkt für Wettinteressierte zu schaffen. Eine bloße Ergebnismitteilung oder reine Radioübertragung reiche nicht aus. Erforderlich sei eine Fernsehübertragung, die allerdings nicht ständig live erfolgen müsse. Erst ein vollständiger Verzicht auf die Präsentation live übertragener Wettereignisse schließe das Tatbestandsmerkmal sicher aus. Insgesamt erfordere das genannte Merkmal, dass eine Mitverfolgungsmöglichkeit in zeitlich nennenswertem Umfang und auch in Form von Liveübertragungen geboten wird.

Schließlich genüge auch der in der Satzung verwendete Flächenmaßstab den rechtlichen Anforderungen. Die Bemessungsgrundlage der Veranstaltungsfläche, verstanden als die Fläche der für die Besucher bestimmten Räume einschließlich der Erfrischungsräume, aber ausschließlich der Kleiderablagen, Toiletten und ähnlicher Nebenräume sowie der Theken, ist wirksam, so das Gericht. Die Stadt sei nicht gezwungen gewesen, als Besteuerungsmaßstab auf den Wetteinsatz abzustellen.

Zwar sei der individuelle, wirkliche Vergnügungsaufwand der sachgerechteste Maßstab für die entsprechende Besteuerung. Dieser läge hier aber nicht im Wetteinsatz, sondern in dem durch den Betrieb des Wettbüros gegenüber einer reinen Wettannahmestelle gesteigerten Wettaufwand. Dieser lasse sich allenfalls kalkulatorisch schätzen, einen Wirklichkeitsmaßstab in diesem Sinne gebe es also nicht. Außerdem sei der Gesetzgeber von Verfassungs wegen ohnehin nicht auf einen Wirklichkeitsmaßstab beschränkt. Wähle er einen anderen (Ersatz- oder Wahrscheinlichkeits-)Maßstab, so ist er allerdings auf einen solchen beschränkt, der einen bestimmten Konsumaufwand wenigstens wahrscheinlich macht. Dabei müsse der gewählte Maßstab einen zumindest lockeren Bezug zu dem Konsumaufwand aufweisen. Diesen zumindest lockeren Bezug stelle der Flächenmaßstab bei der Vergnügungssteuer grundsätzlich her, da bei pauschalierender und typisierender Betrachtung davon ausgegangen werden könne, dass der Umfang des Vergnügungsaufwands mit der Größe eines Betriebes wächst.

Eine Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist im Urteil zugelassen, wohl auch vor dem Hintergrund, dass sich das OVG in seiner Entscheidung ausdrücklich gegen die Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg gestellt hat, der der kommunalen Wettbürosteuer mit Urteil vom 28.01.2016 (Az. 2 S 1019/15, 2 S 2067/14) den Charakter einer örtlichen Aufwandssteuer abgesprochen und insbesondere den Flächenmaßstab verworfen hatte.

Wahlrecht und Parteisatzung

Bei der Wahlkandidatenaufstellung durch eine Partei sind Verstöße gegen das Satzungsrecht der Partei wahlrechtlich nur dann von Bedeutung, wenn damit auch ein Verstoß gegen elementare Voraussetzungen einer demokratischen Wahl verbunden ist (vgl. BVerfGE 89, 243). Ansonsten vermag auch die nachträgliche Feststellung der Unwirksamkeit der Kandidatenaufstellung durch ein Schiedsgericht dieser Partei keinen Wahlfehler zu begründen. (Leitsätze)

VG Münster, Urteil vom 08.04.2016
- 1 K 2515/14 -

Der Kläger ist Bürger der beklagten NRW-Kommune. Er ist Mitglied der FDP und war bis 2014 Vorsitzender der Fraktion der FDP im Rat der Beklagten. Der Kläger wendet sich gegen die Gültigkeit der Wahl des Rates der Beklagten in 2014 und will eine Wiederholung der Wahl erreichen. Er moniert insbesondere, dass die Wahl der FDP-Kandidaten nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Die Wahl solle auf einen unzulässigen Vorschlag des Ortsverbandes der FDP Greven gründen. Die Satzung der FDP sei vielfach verletzt worden.

Im Oktober 2014 hatte der Rat der Beklagten zuvor die Einsprüche des Klägers zurückgewiesen und die Gültigkeit der Ratswahl festgestellt. Das Bundesschiedsgericht der FDP hatte mit Beschluss vom April 2015 demgegenüber festgestellt, dass die auf dem außerordentlichen Parteitag des FDP-Stadtverbandes im Vorfeld der Ratswahl gefassten Beschlüsse sowie die durchgeführten Wahlen eines neuen Vorstands unwirksam seien.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage gegen den Ratsbeschluss, mit dem die Kommunalwahl für gültig erklärt wurde, ab. Rechtlich sei entscheidend, ob bei der Vorbereitung der Wahl Wahlfehler vorgekommen seien, die auf das Wahlergebnis im Wahlbezirk oder auf die Zuteilung der Sitze aus der Reserveliste von entscheidendem Einfluss gewesen sein können. Ein solcher Wahlfehler liege aber nicht vor. Der Anwendungsbereich des Wahlprüfungsrechts umfasse sowohl Unregelmäßigkeiten bzgl. der Wahlhandlung und der Wahlergebnisfeststellung als auch Mängel der Wahlvorbereitung, sodass auch grundsätzlich die Kandidatenaufstellung in den Blick zu nehmen sei.

Dem stehe auch die weitgehende Autonomie einer Partei nicht entgegen. Die Kandidatenaufstellung ist nicht nur innerparteiliche Angelegenheit, sondern liege im Schnittkreis zwischen innerparteilicher Willensbildung und staatlicher Wahl. Jedoch komme nicht allen Facetten der Kandidatenaufstellung wahlrechtliche Bedeutung zu. Vielmehr sei geboten, die Erheblichkeit von Wahlfehlern, die Dritte verwirklichen können, eng und strikt zu begrenzen, da die einmal durch Wahl hervorgebrachten Vertretungen wegen der diesen zukommenden Funktionen größtmöglichen Bestandsschutz verlangten.

Gemessen daran vermöchten die Einwendungen des Klägers gegen die Kandidatenaufstellung bei der FDP keinen Wahlfehler zu begründen. Der Kläger habe ausschließlich Satzungsverstöße bei der parteiinternen Kandidatenaufstellung bemängelt. Gegen den eigentlichen Wahlvorgang bei der Kandidatenwahl habe hingegen nichts gesprochen. Insoweit sei aber der Kernbestand an Verfahrensgrundsätzen ersichtlich gewahrt, auf den es ankomme.

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