Heft Juni 2011

Grundstücksbezogene Benutzungsgebühren in der Zwangsversteigerung

§ 6 Abs. 5 KAG NW begründet nach dem Willen des Landesgesetzgebers eine auf dem einzelnen Wohnungseigentum ruhende öffentliche Last in Höhe der für das gesamte Grundstück entstandenen Benutzungsgebühren, soweit diese nach der kommunalen Satzung grundstücksbezogen ausgestaltet sind und hiernach alle Inhaber von Miteigentumsanteilen an dem Grundstück gesamtschuldnerisch haften.

BGH, Urteil vom 11. Mai 2010
- Az.: IX ZR 127/09 -

Die Beklagte betreibt aus einer Grundschuld die Zwangsversteigerung eines Wohnungseigentums an einem in Wuppertal gelegenen Grundstück. Die Klägerin meldete in dem Verfahren auf das gesamte Grundstück bezogene Entsorgungsgebühren für den Zeitraum vom 1. April 2007 bis zum 4. Dezember 2007 in Höhe von 2.695,16 Euro als nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG vorrangig zu befriedigende Forderungen an. In dem Teilungsplan des Vollstreckungsgerichts wurden diese Forderungen nur dem Miteigentumsanteil an dem Grundstück entsprechend in Höhe von 288,79 Euro berücksichtigt.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Änderung des Teilungsplans dahin, dass sie mit ihrer Forderung wegen weiterer 2.406,37 Euro vor der Forderung der Beklagten zu befriedigen ist. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten in einem entscheidenden Punkt rechtlicher Prüfung nicht stand. § 6 Abs. 5 KAG NW ist dahin auszulegen, dass die grundstücksbezogenen öffentlich-rechtlichen Benutzungsgebühren in ihrer vollen auf das Grundstück bezogenen Höhe als öffentlich-rechtliche Last auf dem Wohnungseigentumsrecht ruhen und nicht nur in Höhe des Miteigentumsanteils an dem gesamten Grundstück.

Nach § 6 Abs. 1 KAG NW sind Benutzungsgebühren zu erheben, wenn eine Einrichtung oder Anlage überwiegend dem Vorteil einzelner Personen dient. Nach § 6 Abs. 5 KAG NW ruhen grundstücksbezogene Benutzungsgebühren als öffentliche Last auf dem Grundstück. Es besteht mithin - vorbehaltlich entsprechender Regelungen in den Gebührensatzungen - eine eindeutige gesetzliche Regelung über eine dingliche Haftung des Grundstücks für solche Gebühren.

Unzutreffend ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die gemäß § 6 Abs. 5 KAG NW bestehende öffentliche Last sei nur insoweit bevorrechtigt, als es um die anteilig dem Wohnungseigentum zuzuordnenden Gebühren gehe. Wohnungseigentum ist das Sondereigentum an einer Wohnung, Teileigentum das Sondereigentum an nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen, und zwar jeweils in Verbindung mit dem Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum, zu dem es gehört (§ 1 Abs. 1 bis 3 WEG). Zu dem gemeinschaftlichen Eigentum gehört namentlich das Grundstück, auf dem die Räume errichtet sind. Die einzelnen Wohnungseigentümer sind damit stets Miteigentümer des Grundstücks.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf es daher für die Annahme einer Gesamthaftung nicht einer ausdrücklichen gesetzlichen Normierung, sondern umgekehrt für eine anteilige Begrenzung der auf dem Grundstück ruhenden öffentlichen Last für Wohnungseigentümer auf ihren Miteigentumsanteil an dem Gesamtgrundstück. Eine solche existiert in Nordrhein-Westfalen nicht. Dass die öffentliche Last auf dem Wohnungseigentum in Höhe der gesamten Abgabenschuld ruht, entspricht auch der Rechtsprechung des OVG Münster, wonach die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner haften. Schließlich erfordern weder eine sonst eintretende Vervielfältigung der Gesamtlast entsprechend der Anzahl der Wohnungseigentumsrechte noch fehlende Rückgriffsmöglichkeiten eine abweichende Auslegung.

Die öffentliche Last endet mit dem Erlöschen der Gebührenschuld. Werden mehrere Wohnungseigentumsrechte versteigert und der Gebührenanspruch jeweils rechtzeitig angemeldet, wird die in der Regel wegen eines der 4. Rangklasse angehörenden Rechts oder wegen einer in die 5. Klasse des § 10 ZVG gehörenden Anspruchs stattfindende Zwangsversteigerung bei der ersten Versteigerung zu einer Befriedigung des Gebührengläubigers führen, weil seine Forderung im geringsten Gebot zu berücksichtigen ist. Bei den Versteigerungen der weiteren Wohnungseigentumsrechte ist die öffentliche Last dann nicht mehr zu berücksichtigen.

Sofern die Wohnungseigentümer als Gesamtschuldner haften, bestehen Ansprüche des von der Zwangsversteigerung betroffenen Eigentümers nach § 426 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, die sich der betreibende Gläubiger aus einem persönlichen Titel gegen den Wohnungseigentümer pfänden und überweisen lassen kann. Handelt es sich um einen Grundschuldgläubiger, wird er in der Regel über einen solchen Titel verfügen oder ihn sich jedenfalls unschwer beschaffen können. Die danach eintretende Belastung der Grundpfandgläubiger überschreitet die verfassungsrechtliche Opfergrenze nicht.

Die angefochtene Entscheidung ist damit aufzuheben und die Sache mangels Entscheidungsreife an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Die streitgegenständlichen Benutzungsgebühren sind zum überwiegenden Teil vor Inkrafttreten der Regelung in § 6 Abs. 5 KAG NW am 17. Oktober 2007 entstanden. Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt hieraus jedoch nicht, dass nur solche Benutzungsgebühren als öffentliche Lasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG anerkannt werden können, die nach diesem Datum entstanden sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung die Zwangsversteigerung bereits angeordnet war (LG Kleve a.a.O. S. 18 f.; a.A. AG Münster KKZ 2009, 230, 234, wonach alle erst nach dem 17. Oktober 2007 entstehenden Benutzungsgebühren öffentliche Lasten darstellen). Der Bundesgesetzgeber hat zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG dies in § 62 Abs. 1 WEG entsprechend geregelt.

Der Landesgesetzgeber hat für § 6 Abs. 5 KAG NW in Art. XI des Gesetzes zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung keine Übergangsvorschrift vorgesehen. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung werden damit auch Benutzungsgebühren aus der Zeit vor Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung von der Einstufung als öffentliche Last erfasst.


Errichtung einer Gemeinschaftsschule

Bei vorläufiger Bewertung erweist sich die der Gemeinde Finnentrop erteilte Genehmigung zur Errichtung der Gemeinschaftsschule durch das Schulministerium des Landes NRW als rechtswidrig. Sie lässt sich nicht auf die vom Schulministerium herangezogene Regelung über Schulversuche in § 25 Abs. 1 und auch nicht auf die zusätzlich zu beachtenden Vorschriften der Versuchsschulen in § 25 Abs. 2 Schulgesetz stützen (nichtamtliche Leitsätze).

VG Arnsberg, Beschluss vom 8. April 2011
- Az.: 10 L 141/11 -

Das Verwaltungsgericht hat die Errichtung einer sog. Gemeinschaftsschule in Finnentrop vorläufig gestoppt. Mit Beschlüssen vom 8. April 2011 hatte das Gericht den Eilanträgen der benachbarten Städte Attendorn und Lennestadt stattgegeben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen gegen die Genehmigung der Gemeinschaftsschule („Perspektivschule Finnentrop, Gemeinschaftsschule Sekundarstufe I und Sekundarstufe II“) durch das Schulministerium des Landes NRW wiederhergestellt.

Während das Verwaltungsgericht Aachen mit Beschluss vom 15.02.2011 (Az.: 9 L 51/11) noch zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Schulversuch Gemeinschaftsschule eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage in § 25 Abs. 1 Schulgesetz NRW findet, hat das Verwaltungsgericht Arnsberg dies verneint. Benachbarte kommunale Schulträger seien grundsätzlich berechtigt, eine Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechtes auch gegenüber der Genehmigung von Schulversuchen bzw. Versuchsschulen gem. § 25 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes geltend zu machen.

Bei vorläufiger Bewertung erweise sich die der Gemeinde Finnentrop erteilte Genehmigung als rechtswidrig. Sie lasse sich nicht auf die vom Schulministerium herangezogene Regelung über Schulversuche in § 25 Abs. 1 und auch nicht auf die zusätzlich zu beachtenden Vorschriften der Versuchsschulen in § 25 Abs. 2 Schulgesetz stützen. Diese Bestimmungen würden lediglich ergebnisoffene Schulversuche als atypische Ausnahmen ermöglichen.

Das fragliche Vorhaben sei jedoch Teil einer systematischen, über punktuelle Projekte hinausgehende Einführung einer neuen Schulform, wie sich aus der Koalitionsvereinbarung und dem Runderlass des Ministeriums vom 21. September 2010 ergebe. Ein derartiges Vorhaben unterliege dem Vorbehalt des Gesetzes. Es erfordere ein entsprechendes verfassungskonformes formelles Gesetz, das in diesem Fall nicht vorhanden sei.

Das Land Nordrhein-Westfalen hat bereits formal Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Die Beschwerdebegründung durch das Land NRW folgte zum 11. Mail 2011.

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