Heft Juli-August 2013

Drei-Prozent-Sperrklausel in Berlin

Die Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin ist verfassungsgemäß (nichtamtlicher Leitsatz).

VerfGH Berlin, Urteil vom 14. Mai 2013
- Az.:
VerfGH 155/11 -

Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin hat die Wahleinsprüche der Tierschutzpartei und ihrer Kandidatin abgewiesen. Sie hatten bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg in 2011 zwar 1,85 Prozent der Stimmen, aber wegen der geltenden Drei-Prozent-Sperrklausel keinen der insgesamt 55 Sitze erhalten. Der Verfassungsgerichtshof hat entschieden, dass die in der Verfassung von Berlin enthaltene Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen gültig ist.

Die Berliner Sperrklausel ist seit 1998 in der Verfassung (Art. 72 Abs. 2 VvB) verankert und nicht mehr nur im Landeswahlgesetz (§ 22 Abs. 2 LWahlG) geregelt. Demgegenüber gab es in der Vergangenheit in mehreren Bundesländern einfachgesetzliche Sperrklauseln für Wahlen unterhalb der Ebene der Landtagswahlen. Diese sind in jüngerer Zeit abgeschafft oder für ungültig erklärt worden (so zuletzt im Januar 2013 in Hamburg für die dortigen Bezirksversammlungen).

Im Jahr 1997 hatte der Berliner Verfassungsgerichtshof die bis dahin geltende Fünf-Prozent-Sperrklausel für die Bezirksverordnetenversammlungen im Landeswahlgesetz ebenfalls für verfassungswidrig erklärt. Im Jahr darauf hat das Abgeordnetenhaus mit der dafür notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit eine neue Drei-Prozent-Sperrklausel eingeführt und in die Verfassung aufgenommen. Das Landesparlament hat diese Klausel bewusst und auch zur Abwehr allgemeiner, abstrakter Gefahren für die Funktionsfähigkeit der Bezirksverordnetenversammlungen mit Verfassungsrang ausgestattet. Dieses Vorgehen verletze weder die Verfassung von Berlin noch das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland.

Innerhalb der Landesverfassung modifiziert die auf gleicher Stufe der Normenhierarchie stehende Sperrklausel den Grundsatz der Gleichheit der Wahl. Dies verletze weder das Demokratieprinzip noch andere vorrangig zu beachtenden Verfassungsgrundsätze. Eine Missachtung des Kerns der Landesverfassung liege auch schon deshalb fern, weil der erforderliche Stimmenanteil für jeden der jeweils 55 Sitze in den Bezirksverordnetenversammlungen rechnerisch bereits bei ca. 1,8 % liegt. Bei Anwendung des Höchstzahlverfahrens nach d’Hondt kann dieser Wert allenfalls auf etwa 1,2 % für einen einzelnen Sitz absinken. Die darin liegende Einschränkung der Erfolgswertgleichheit jeder Stimme durch den geforderten Mindeststimmenanteil von drei Prozent sei gering. Auch die Chancengleichheit der politischen Parteien hinsichtlich der Teilnahme an Landeswahlen sei nicht berührt. Sie gebiete nicht mehr als der Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit.

Auch höherrangiges Bundesrecht sei nicht verletzt. Die Gewährleistung der Gleichheit der Wahl in Ländern, Kreisen und Gemeinden nach dem Grundgesetz (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) sei auf die Bezirksverordnetenversammlungen in Berlin nicht anwendbar. Die Berliner Bezirke sind nicht Träger des dadurch geschützten Rechts auf kommunale Selbstverwaltung. Das so genannte Homogenitätsprinzip (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG) stehe ebenfalls nicht entgegen. Das Grundgesetz verlangt insoweit nur, dass die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates zu entsprechen hat. Gegen diese Strukturprinzipien verstoße die Drei-Prozent-Sperrklausel für die Wahl zu den Bezirksverordnetenversammlungen nicht.

Die Entscheidung ist im Urteilsausspruch einstimmig, in der Begründung mit acht zu einer Stimme ergangen. Ein Richter des Verfassungsgerichtshofs hat dem Urteil eine abweichende Meinung angefügt.

Atomwaffenlagerung auf Nato-Fliegerhorst Büchel

Der 4. Senat des OVG NRW hat die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 14. Juli 2011 abgelehnt, mit dem dieses die Klage gegen eine Atomwaffenlagerung auf dem Nato-Fliegerhorst Büchel einer in der Nähe lebenden Klägerin als unzulässig abgewiesen hatte.

OVG NRW, Beschluss vom 7. Mai 2013
- Az.: 4 A 1913/11 -

Die Klägerin hatte gegen die Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel geklagt, die in Büchel möglicherweise gelagerten amerikanischen Atomwaffen aus dem Bundesgebiet zu entfernen und der Bundeswehr jede Beteiligung am Umgang mit nuklearen Waffen (sog. „nukleare Teilhabe“) zu untersagen.

Auf dem Fliegerhorst Büchel wurde 1958 ein Jagdbombergeschwader aufgestellt und der NATO unterstellt. Dort befinden sich auch zwei Staffeln der US Air Force, die nach vielfältigen Medienberichten über ca. 10 - 20 Atombomben verfügen sollen, die unterirdisch gelagert werden. Im September 2009 beantragte die Klägerin beim Bundesminister der Verteidigung, auf den Abzug dieser Atomwaffen hinzuwirken und alle auf die „nukleare Teilhabe“ gerichteten Handlungen einzustellen. Lagerung und Einsatz von Atomwaffen verstießen gegen das humanitäre Völkerrecht und das Verbot des Angriffskrieges. Deshalb könne jeder Bürger ihre Beseitigung verlangen. Zudem sei zu befürchten, dass der Fliegerhorst Ziel terroristischer Angriffe werde. Dieses Risiko müsse sie nicht hinnehmen.

Das Verwaltungsgericht wies die Klage als unzulässig ab. Die Verletzung eigener Rechte der Klägerin sei nicht ersichtlich; Interessen der Allgemeinheit könne sie nach deutschem Verwaltungsprozessrecht nicht vertreten.

Den hiergegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung hat der 4. Senat abgelehnt. Eine Verletzung der Klägerin in eigenen Rechten sei nicht zu erkennen. Nach der Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts sei das Vorhalten von Atomwaffen jedenfalls für Fälle einer extremen Notwehrsituation, in der die Existenz des Staates auf dem Spiel stehe, nicht völkerrechtswidrig. Die Einschätzung, ob eine solche existenzielle Gefährdung die Lagerung rechtfertige, obliege den politischen Entscheidungsträgern und entziehe sich einer Beurteilung durch die Verwaltungsgerichte.

Die mit einer entsprechenden verteidigungspolitischen Entscheidung notwendig einhergehenden Risiken habe die Klägerin grundsätzlich hinzunehmen. Es sei auch nicht zu erkennen, dass sie durch die Lagerung von Atomwaffen in Büchel einem gegenüber der Allgemeinheit messbar erhöhten Anschlagsrisiko ausgesetzt sei. Im Übrigen habe die Beklagte im Hinblick auf erforderliche Schutzmaßnahmen einen weiten Ermessensspielraum.

Gelbes Blinklicht für Müllfahrzeuge

„Der Müllabfuhr dienende Fahrzeuge“ im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) sind nur die Fahrzeuge der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der von ihnen beauftragten Dritten. Nur solche, nicht aber für gewerbliche Sammlungen eingesetzte Fahrzeuge dürfen daher ohne Ausnahmegenehmigung mit einem gelben Blinklicht ausgerüstet werden (nichtamtliche Leitsätze).

BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2013
- Az.: 3 C 9.12 -

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt auf gewerblicher Basis den An- und Verkauf von Altmetallen und die Schrottentsorgung. Dazu werden Haushalte durch Postwurfsendungen aufgefordert, an den mitgeteilten Tagen solche Materialien zur Abholung bereitzustellen. Am angekündigten Tag fährt ein Lkw der Klägerin von Grundstück zu Grundstück, um die bereitgestellten Materialien aufzuladen. Das Sammelgut verkauft die Klägerin an ein zertifiziertes Entsorgungsunternehmen. Im Juni 2007 ließ sie auf dem Führerhaus ihres Lkw ein gelbes Blinklicht installieren. Den Antrag auf Erteilung einer Sondergenehmigung für das Anbringen eines solchen Blinklichtes lehnte die Beklagte ab; die Klägerin übe eine gewerbliche Tätigkeit aus, sie betreibe keine Müllabfuhr im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO.

Diesen Bescheid hat das VG Oldenburg aufgehoben und festgestellt, dass die Klägerin berechtigt sei, ein gelbes Blinklicht zu führen; ihr Fahrzeug diene im Sinne von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO der Müllabfuhr. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung geändert und die Klage abgewiesen. Unter den Anwendungsbereich von § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO fielen nur Fahrzeuge, die von öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder Dritten, denen diese Entsorgungspflicht übertragen worden sei, betrieben würden. Auch eine Ausnahmegenehmigung könne die Klägerin nicht beanspruchen, weil bei der Nutzung ihres Lkw keine „müllabfuhrtypischen“ Gefahren entstünden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Urteil des Berufungsgerichts nur teilweise bestätigt. Die „der Müllabfuhr dienenden Fahrzeuge“ wurden deshalb in § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO aufgenommen, um einen Gleichklang mit § 35 Abs. 6 StVO herzustellen. Diese Regelung räumt den dort aufgeführten Fahrzeugen Sonderrechte im Straßenverkehr ein. Der Ausgestaltung der in § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO und § 35 StVO getroffenen Regelungen ist zu entnehmen, dass mit „der Müllabfuhr dienenden Fahrzeugen“ nur Fahrzeuge der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger und der von ihnen beauftragten Dritten gemeint sind. Nur solche Fahrzeuge dürfen dementsprechend nach § 52 Abs. 4 Nr. 1 StVZO mit einem gelben Blinklicht ausgerüstet werden.

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