Heft Juli-August 2006

Mitbestimmung bei Honorarvertrag mit Musiklehrern

Die Aufnahme einer Tätigkeit als Musiklehrer an einer kommunalen Musikschule stellt keine Einstellung im personalvertretungsrechtlichen Sinn dar, wenn sie auf der Grundlage eines Honorarvertrags erfolgt, der eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter vorsieht, und wenn der Musiklehrer im alltäglichen Arbeitsablauf bei der tatsächlichen Aufgabenwahrnehmung nicht dem Direktionsrecht des Dienststellenleiters unterliegt.

OVG NRW, Beschluss vom 1. Dezember 2005
- Az.: 1 A 5002/04.PVL -

In der zur Dienststelle gehörenden Musikschule der Stadt L. sind einige Musiklehrer als sog. „freie Mitarbeiter“ tätig. Mit diesen ist jeweils eine als „Honorarvertrag“ überschriebene Vereinbarung geschlossen worden. Eine Beteiligung des Personalrates erfolgte nicht. Dieser reklamierte ein ihm zustehendes Mitbestimmungsrecht bei Abschluss eines Honorarvertrages. Dieses Begehren wies der Beteiligte unter Hinweis darauf zurück, dass kein Arbeitsverhältnis begründet werde, sondern ein unabhängiges Dienstverhältnis als freier Mitarbeiter zur Erteilung von Unterricht; insbesondere würden die Honorarkräfte nicht wie die BAT-Kräfte in das Musikschulleben eingegliedert. Das daraufhin vom Antragsteller (Personalrat) eingeleitete Beschlussverfahren blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.

Die Aufnahme der Tätigkeit des Musiklehrers D. auf der Grundlage des mit ihm geschlossenen Honorarvertrags unterliegt nicht nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW der Mitbestimmung des Antragstellers. „Einstellung“ i.S. des LPVG NRW ist die Eingliederung eines neuen Beschäftigten in die Dienststelle, die regelmäßig durch den Abschluss eines Arbeitsvertrags und die tatsächliche Aufnahme der vorgesehenen Tätigkeit bewirkt wird.

Dies setzt voraus, dass der Betreffende in den organisatorischen Zusammenhang der Dienststelle aufgenommen wird und an der Erfüllung der ihr gestellten Aufgaben unter dem Direktionsrecht des Dienststellenleiters mitwirkt. Freien Mitarbeitern und arbeitnehmerähnlichen Personen fehlt es demgegenüber an der erforderlichen Eingliederung. Sie unterscheiden sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der eingegliederte Beschäftigte jeweils befindet, im Ergebnis dahin, dass sie - wie hier - nicht im Rechtssinne dem Direktionsrecht des Dienststellenleiters unterstehen.

Der Grad der persönlichen Abhängigkeit von der Dienststellenleitung ist auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung ein entscheidendes Kriterium für die Abgrenzung eines freien Mitarbeiters von einem Arbeitnehmer; Arbeitnehmer ist danach derjenige, der seine Dienstleistung im Rahmen einer von Dritten bestimmten Arbeitsorganisation erbringt.

Für den Grad der persönlichen Abhängigkeit und damit für die Frage der erfolgten Eingliederung von Bedeutung sind in erster Linie die Umstände, unter denen die Dienstleistung zu erbringen ist. Entscheidend ist, wie die (Vertrags-)Beziehungen nach ihrem Geschäftsinhalt und in ihrer Umsetzung objektiv ausgestaltet sind. Dies ist unter Berücksichtigung der Eigenart der jeweils in Rede stehenden Tätigkeiten unter Einbeziehung der sich daraus ergebenden Interessenlage zu beurteilen.

Dies zugrunde gelegt ist eine die Annahme einer Einstellung i.S.v. § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 1. Mitbestimmungstatbestand - LPVG NRW rechtfertigende Eingliederung des D. in die Dienststelle bei der Aufnahme der Tätigkeit als Musiklehrer nicht festzustellen. Es fehlt an der entscheidenden persönlichen Abhängigkeit von der Dienststellenleitung.

Seine Unterrichtstätigkeit bestimmt der Musiklehrer D. jeweils selbst und trifft eine entsprechende Vereinbarung mit dem Beteiligten. Die Unterrichtsinhalte und der Unterrichtsumfang richten sich nach dieser Vereinbarung und werden nicht in Ausübung eines Direktionsrechts einseitig vom Beteiligten festgelegt. Auch die Unterrichtszeit legt der Musiklehrer D. - in Abstimmung mit dem jeweiligen Schüler - im Grundsatz selbst fest.

Ein Weisungsrecht im Hinblick auf die methodische und didaktische Aufbereitung des Lehrstoffs ist ebenfalls nicht festzustellen. § 3 Satz 2 des Honorarvertrags bestimmt ausdrücklich, dass die Honorarkraft die ihm obliegende Dienstleistung in eigener Verantwortung erbringt.

Anhaltspunkte dafür, dass in der praktischen Umsetzung der jeweiligen Honorarverträge anders vorgegangen wird als vertraglich vereinbart, ergeben sich weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch ansonsten. An der fehlenden, eine Eingliederung bewirkenden Weisungsunterworfenheit ändert auch der Umstand nichts, dass durch Honorarkräfte wie dem Musiklehrer D. gelegentlich Vertretungen für fest angestellte Lehrkräfte wahrgenommen werden.

Sanierungspflicht des Gesamtrechtsnachfolgers

Ein Gesamtrechtsnachfolger haftet auch für schädliche Bodenveränderungen und Altlasten, die von seinen Rechtsvorgängern durch unerlaubte Ablagerungen verursacht worden sind (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteil vom 16. März 2006
- Az.: 7 C 3.05 -

Die Klägerin ist aus der Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften im Jahre 1972 hervorgegangen. Ihre Rechtsvorgänger bauten seit 1923/24 Kalirohsalze ab. Bei der Kaliproduktion anfallende Reststoffe wurden auf eine Halde abgelagert, die bis zur Stilllegung des Bergwerks im Jahre 1973 eine Ausdehnung von 3,6 ha mit einer Höhe bis zu 40 m erreichte. Bereits seit Ende der 1950er Jahre war den Behörden die Verunreinigung des Grundwassers bekannt. Untersuchungen des Grundwassers in den Jahren 1988 bis 1993 ergaben eine deutliche Überschreitung der Grenzwerte der Trinkwasserverordnung für Chlorid, Natrium und Kalium. Im März 1999 verpflichtete das beklagte Land die Klägerin, eine Sanierungsplanung in Auftrag zu geben und eine Grundwassermessstelle im Abstrom der Halde periodisch zu beproben. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Der VGH Baden-Württemberg hob im Berufungsverfahren die angegriffenen Bescheide auf, weil der Klägerin die Verursachung der Altlast durch ihre Rechtsvorgänger nicht als Gesamtrechtsnachfolgerin zugerechnet werden könne.

Das Bundesverwaltungsgericht hat der Revision des beklagten Landes stattgegeben. Die Sanierungspflicht des Gesamtrechtsnachfolgers des Verursachers von schädlichen Bodenverunreinigungen oder Altlasten ist nicht zu beanstanden. Die Erstreckung dieser Pflicht auf Gesamtrechtsnachfolgetatbestände, die vor In-Kraft-Treten des Bundes-Bodenschutzgesetzes (BBodSchG) eingetreten sind, führt nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung. Die Übergangsfähigkeit öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht höchstpersönlicher Natur sind, auf den Gesamtrechtsnachfolger ist in der Rechtsprechung des BVerwG seit Anfang der 1970er-Jahre anerkannt. Zur abweichenden Beurteilung der Gesamtrechtsnachfolge in gesetzlich bestimmte Pflichten, die noch nicht durch einen entsprechenden Verwaltungsakt konkretisiert worden sind, besteht kein Grund.

Eine gesetzliche Regelung, die den Übergang abstrakter Polizeipflichten auf den Gesamtrechtsnachfolger ausschließt, bestand zu keinem Zeitpunkt. Die Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts auf die Gesamtrechtsnachfolge in die Verhaltensverantwortlichkeit des Verursachers war in der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshöfe und der OVG der Länder uneinheitlich. Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr entschieden, dass § 4 Abs. 3 Satz 1 Alternative 2 BBodSchG auch auf Anfang der 1970er Jahre abgeschlossene Gesamtrechtsnachfolgetatbestände Anwendung findet, da mit dieser neuen Regelung die alte Rechtslage lediglich fortgeschrieben wird. Ob sich die Rechtsvorgänger der Klägerin polizeiwidrig verhalten haben, konnte das BVerwG mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des VGH nicht entscheiden. Die Sache musste daher zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen werden.

Rechtsweg im Vergabeverfahren bei Beteiligung einer Gemeinde

Für Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Bieter und einer Gemeinde um die Vergabe einer Dienstleistungskonzession (hier: Verpachtung eines gemeindlichen Grundstücks und Gebäudes mit der vertraglichen Verpflichtung, öffentliche Parkeinrichtungen zu betreiben) ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet.

OVG NRW, Beschluss vom 4. Mai 2006
- Az.: 15 E 453/06 -

Die antragsgegnerische Kommune schrieb die Verpachtung eines in ihrem Eigentum stehenden Parkhauses und Parkplatzes aus, wobei der Pächter nach näheren vertraglichen Bestimmungen verpflichtet sein sollte, diese Parkeinrichtungen zu betreiben. Die Antragstellerin bewarb sich um die Anpachtung, die Kommune beabsichtigt aber, den Vertrag mit der Beigeladenen zu schließen. Im Wege der einstweiligen Anordnung durch das VG wollte die Antragstellerin der Stadt untersagt wissen, den Zuschlag der Beigeladenen zu erteilen. Das VG hielt den Zivilrechtsweg für gegeben und verwies den Rechtsstreit. Auf die dagegen erhobene Beschwerde der Antragstellerin bejahte das OVG den Verwaltungsrechtsweg.

Nach § 40 Abs. 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg grundsätzlich in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben. Im vorliegenden Verfahren, in dem die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe einer Dienstleistungskonzession sichergestellt wissen will, dass die Konzession nicht an die Beigeladene vergeben wird, geht es um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Sonderzuweisung an die ordentliche Gerichtsbarkeit nach den Vergabevorschriften aus dem Vierten Teil des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) greift nicht ein, weil keine Vergabe eines öffentlichen Auftrages nach § 99 Abs. 1 GWB in Rede steht, sondern die Vergabe einer Konzession, für die der Konzessionsnehmer an die Gemeinde ein Entgelt abführt.

Der hier in Rede stehende öffentliche Zweck der kommunalen Bereitstellung von Parkraum trägt die wirtschaftliche Betätigung durch Vergabe einer Konzession mittels eines Vertrages. Ungeachtet dessen unterliegt sie dann aber dem öffentlich-rechtlichen Regime des Gemeindewirtschaftsrechts der §§ 107 ff. GO NRW. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass das Rechtsverhältnis zwischen der vermietenden Gemeinde und Konkurrenten des Mieters gemeindewirtschaftsrechtlicher und damit öffentlich-rechtlicher Natur ist.

Auch das hier betroffene Rechtsverhältnis zwischen der Gemeinde und den sich um den Vertragsabschluss Bewerbenden ist öffentlich-rechtlicher Natur. Dafür ist nicht entscheidend, ob - was das VG problematisiert hat - allgemein bei der Vergabe eines öffentlichen Auftrags dem privatrechtlichen Vertrag eine öffentlich-rechtliche Stufe der Vergabe vorgeschaltet ist. Entscheidend ist hier vielmehr, dass es um den Abschluss eines Konzessionsvertrages geht, mit dem die von der Antragstellerin verfolgte öffentliche Aufgabe der Bereitstellung von Parkraum funktional, also allein in ihrer Erfüllung, privatisiert wird.

© StGB NRW 2006

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