Heft Juli-August 2003

Abnahme- und Vergütungspflicht von Stromversorgungs-Unternehmen

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in drei Urteilen über Klagen entschieden, mit denen Betreiber von Windkraftanlagen von einem regionalen in Küstennähe ansässigen Elektrizitätsversorgungsunternehmen die Abnahme und Vergütung des von ihnen erzeugten Stroms verlangen.

BGH, Urteil vom 11. Juni 2003
- Az.: VIII ZR 160/02; VIII ZR 161/02; VIII ZR 322/02

Die Kläger, die jeweils Windkraftanlagen errichtet haben, verlangen in den im wesentlichen gleich gelagerten Verfahren von dem beklagten Elektrizitätsversorgungsunternehmen in erster Linie, die Anlagen an sein Versorgungsnetz anzuschließen, den erzeugten Strom abzunehmen und ihn zu bestimmten Preisen zu vergüten, hilfsweise jedenfalls einen entsprechenden Stromeinspeisungsvertrag mit ihnen abzuschließen. Die Kläger berufen sich auf das Stromeinspeisungsgesetz in der Fassung vom 24. April 1998 (StrEG 1998) und auf das Gesetz über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG), welches ab dem 1. April 2000 das StrEG 1998 abgelöst hat.

Nach beiden Gesetzen sind die Betreiber des einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien nächstgelegenen Versorgungsnetzes verpflichtet, den erzeugten Strom abzunehmen und zu bestimmten, erheblich über dem Marktpreis für herkömmlichen Strom liegenden Mindestpreisen zu vergüten. Die Beklagte hat gegenüber den Klagen unter anderem geltend gemacht, die genannten Gesetze verstießen gegen das Grundgesetz, weil sie unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Stromversorgungsunternehmen eingriffen.

Die Pflicht zur Abnahme und zur Zahlung der gesetzlich festgelegten Mindestvergütung sei außerdem mit den Vorschriften des EG-Vertrages über das Verbot von staatlichen Beihilfen und von Einfuhrbeschränkungen nicht vereinbar. Das Oberlandesgericht hat den Klagen lediglich hinsichtlich des Hilfsantrags stattgegeben und die Beklagten jeweils zum Abschluss eines den Bedingungen des StrEG 1998 und des EEG entsprechenden Stromeinspeisungsvertrages verurteilt.

Der BGH hat die von den Oberlandesgerichten zugelassenen Revisionen der Beklagten zurückgewiesen und in zwei Fällen auf die dort eingelegte Anschlussrevision der Kläger die Beklagte unmittelbar zum Anschluss der Anlagen sowie zur Abnahme und Vergütung des Stroms verurteilt. In Anknüpfung an eine frühere zum Stromeinspeisungsgesetz in der Fassung vom 7. Dezember 1990 ergangene Entscheidung des Kartellsenats des BGH (BGHZ 134, 1) hat er die gesetzliche Abnahme- und Vergütungspflicht nach dem StrEG 1998 und dem EEG als verfassungsgemäß angesehen, weil die damit verbundenen Belastungen für die Berufsausübungsfreiheit der Elektrizitätsversorger zumutbar seien.

Die Energieversorgungsunternehmen treffe auch nach Wegfall der gesetzlichen Grundlagen für ihre monopolartige Stellung in bestimmten Versorgungsgebieten durch die im Jahr 2000 erfolgte Liberalisierung des Strommarktes eine besondere Verantwortung für eine ressourcen- und umweltschonende Energieerzeugung. Die von ihnen betriebenen Versorgungsnetze seien vorzugsweise geeignet, den Strom aufzunehmen und mit geringen Verlusten an die Abnehmer weiterzuleiten. Gegen die Abnahme- und Vergütungspflicht bestünden auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung der Energieversorgungsunternehmen keine Bedenken.

Dem regional sehr unterschiedlichen Aufkommen von aus erneuerbaren Energien gewonnenen Strom (etwa aus Windkraft in Küstennähe) werde im StromEG 1998 durch eine Härteklausel (§ 4 StrEG 1998) und im EEG durch eine bundesweite Ausgleichsregelung (§ 11 EEG), durch welche die mit der Abnahmepflicht verbundenen Mehrkosten weitgehend auf alle Versorgungsunternehmen umgelegt würden, hinreichend Rechnung getragen. Im Anschluss an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 13. März 2001- Rs C-379/98) hat der BGH in der Abnahme- und Vergütungspflicht auch keinen Verstoß gegen die europarechtlichen Verbote staatlicher Beihilfen an Private (Art. 87 EGV) und mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen (Art. 28 EGV) gesehen.

Im Gegensatz zur Vorinstanz hat der BGH jedoch entschieden, dass die Kläger die Beklagte unmittelbar auf Anschluss, Abnahme und Vergütung in Anspruch nehmen und nicht - zunächst - nur den Abschluss eines Stromeinspeisungsvertrages verlangen können. Gegen eine unmittelbare Klage auf Leistung bestünden bei einem Kontrahierungszwang jedenfalls dann keine Bedenken, wenn - wie hier - die gegenseitigen Hauptpflichten gesetzlich feststünden.

Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung

Die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung ist nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts grundsätzlich zulässig, wenn sie auf den Tatbestand der vorsätzlichen Täuschung gestützt werden kann (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteil vom 3. Juni 2003
- Az.: 1 C 19.02 -

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Rücknahme einer Einbürgerung für zulässig erklärt, wenn sie durch Täuschung erwirkt wurde. Es hat damit eine seit langem umstrittene Frage des Staatsangehörigkeitsrechts geklärt. Der Entscheidung lag der Fall eines aus Österreich stammenden selbstständigen Unternehmensberaters zugrunde, der - so jedenfalls die bisherigen Feststellungen der Tatsacheninstanzen - in seinem Einbürgerungsantrag wahrheitswidrig angegeben hatte, dass gegen ihn keine strafrechtlichen Ermittlungsverfahren anhängig seien.

Tatsächlich wurde gegen ihn in Österreich bereits seit drei Jahren wegen des Verdachts des schweren gewerbsmäßigen Betruges mit einem Schadensvolumen von mehreren Millionen Österreichischer Schilling ermittelt. Als der zuständigen deutschen Behörde diese Tatsache im Jahr 2000 bekannt wurde, nahm sie die 1999 erfolgte Einbürgerung zurück.

Das BVerwG hat eine auf den Tatbestand der vorsätzlichen Täuschung gestützte Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts (hier: Art. 48 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz) für grundsätzlich zulässig erachtet. Hierbei hat es dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns hohes Gewicht beigemessen. Das verfassungsrechtliche Verbot des Entzugs der deutschen Staatsangehörigkeit (nach Art. 16 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz) steht einer solchen Entscheidung nicht entgegen; es bewahrt nicht vor der Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung.

Im vorliegenden Fall hat das BVerwG gleichwohl das die Rücknahme bestätigende Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. Es hat den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der VGH wird sich mit dem Vorbringen des Klägers näher auseinandersetzen müssen, die unterlassene Angabe der österreichischen Ermittlungen im Einbürgerungsantrag habe nicht auf einer bewussten Täuschung beruht. Außerdem wird das Berufungsgericht aufklären müssen, ob der Kläger nach Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit wieder die österreichische erlangen kann oder - wie er behauptet - staatenlos wird und damit auch seine Rechte aus der Unionsbürgerschaft nach dem EG-Vertrag verliert.

© StGB NRW 2003

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