Heft Januar-Februar 2012

Gebete in der Schule

Ein Schüler ist nicht berechtigt, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten, wenn dies konkret geeignet ist, den Schulfrieden zu stören (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteil vom 30. November 2011
- Az.:
BVerwG 6 C 20.10 -

Der Kläger, Schüler eines Gymnasiums in Berlin, ist muslimischen Glaubens. Im November 2007 verrichtete er in der Unterrichtspause zusammen mit Mitschülern auf einem Flur des Schulgebäudes das Gebet nach islamischem Ritus. Die Schüler knieten dabei auf ihren Jacken, vollzogen die nach islamischem Ritus erforderlichen Körperbewegungen und deklamierten den vorgegebenen Text. Am folgenden Tag wies die Schulleiterin die Schüler darauf hin, die Verrichtung eines Gebets werde auf dem Schulgelände nicht geduldet. Mit Schreiben vom selben Tag teilte sie den Eltern des Klägers mit, an der Schule seien religiöse Bekundungen nicht erlaubt. Auf die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Berlin festgestellt, dass der Kläger berechtigt sei, während des Besuchs des Gymnasiums außerhalb der Unterrichtszeit einmal täglich sein islamisches Gebet zu verrichten. Auf die Berufung des beklagten Landes Berlin hat das OVG Berlin-Brandenburg die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings nicht festgestellt, dass das Beten in der Schule von der Schulverwaltung generell unterbunden werden kann. Im Gegenteil sei ein Schüler aufgrund der im Grundgesetz garantierten Glaubensfreiheit grundsätzlich berechtigt, außerhalb der Unterrichtszeit in der Schule ein Gebet zu verrichten, wenn dies einer Glaubensregel seiner Religion entspricht. Die so genannte negative Glaubensfreiheit von Mitschülern und Lehrkräften verpflichte und berechtige die Schulverwaltung nicht, sie vor einer Begegnung mit fremden Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösen Symbolen gänzlich zu verschonen. Das verfassungsrechtliche Gebot religiöser Neutralität des Staates verlange ebenfalls keine Schule, die von jeglichen religiösen Bezügen frei gehalten wird. Die Schule sei vielmehr gehalten, die religiösen Zusammenhänge unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Realitäten zu vermitteln, ohne sie zu bewerten. Dulde die Schulverwaltung die Verrichtung des islamischen Gebets durch den Kläger, liege darin keine einseitige Bevorzugung des islamischen Glaubens oder eine Beeinflussung anderer im Sinne dieses Glaubens, die die staatliche Neutralität in Frage stellen könnten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dann aber für den konkreten Fall entschieden, dass hier aufgrund der Verhältnisse an der Schule die Verrichtung des Gebets auf dem Schulflur eine bereits ohnehin bestehende Gefahr für den Schulfrieden erhöhen konnte. Der Schulfrieden könne beeinträchtigt werden, wenn ein religiös motiviertes Verhalten eines Schülers religiöse Konflikte in der Schule hervorruft oder verschärft. Nach den tatsächlichen Feststellungen des OVG, an die das Revisionsgericht gebunden war, waren an der vom Kläger besuchten Schule zwischen muslimischen Schülerinnen und Schülern teilweise sehr heftig Konflikte wegen des Vorwurfs ausgetragen worden, nicht den Verhaltensregeln des Korans gefolgt zu sein. Ebenfalls nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des OVG würde sich diese ohnehin bestehende Konfliktlage verschärfen, wenn die Ausübung religiöser Riten auf dem Schulgelände gestattet wäre und deutlich an Präsenz gewönne, während erzieherische Mittel allein nicht genügten, den zu erwartenden erheblichen Konflikten ausreichend zu begegnen und den Schulfrieden zu wahren. Die Einrichtung eines eigenen Raums zur Verrichtung des Gebets würde nach den tatsächlichen Feststellungen des OVG die organisatorischen Möglichkeiten der Schule sprengen.

Überleitung von NRW-Landesbeamten

Die Beamten, die im Zuge der Kommunalisierung der Versorgungs- und der Umweltverwaltung in NRW zum 1. Januar 2008 insbesondere auf kommunale Körperschaften übergeleitet werden sollten, sind Bedienstete des Landes geblieben (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerwG, Urteile vom 24. November 2011
- Az.: BVerwG 2 C 50.10, 53.10, 65.10 und 70.10 -

Durch Landesgesetz wurden zum Jahresbeginn 2008 die staatlichen Versorgungsämter in Nordrhein-Westfalen aufgelöst und deren Aufgaben auf Landkreise, kreisfreie Städte und Landschaftsverbände übertragen. Ein Teil der in den staatlichen Versorgungsämtern tätigen Beamten sollte auf der Grundlage von Zuordnungsplänen kraft Gesetzes auf diese Körperschaften übergeleitet werden. Entsprechendes war in einem weiteren Landesgesetz für die Umweltverwaltung geregelt.

Eine größere Anzahl der von dieser Überleitung Betroffenen hat im Wege der Klage die Feststellung begehrt, Beamter des Landes Nordrhein-Westfalen geblieben zu sein. Sie haben damit vor den Verwaltungsgerichten und dem OVG Münster obsiegt.

Die Revision des beklagten Landes ist erfolglos geblieben. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die beiden Landesgesetze eine gesetzliche Überleitung der Beamten nicht bewirkt haben: Die Landesgesetze haben sich für die Überleitung so genannter Zuordnungspläne bedient. Dabei haben die Gesetze den Zuordnungsplänen nur vorbereitende Bedeutung beigemessen. Damit konnten die Zuordnungspläne die ihnen zugedachte Rechtsfolge nicht herbeiführen. Deshalb ist das Gesetz unvollständig geblieben und konnte die Überleitung nicht bewirken.

Abschleppen von Fahrzeugen im Fall der Behinderung

Das Abschleppen eines teilweise auf einem Radweg abgestellten Fahrzeugs ist verhältnismäßig, wenn es den Radweg unter Berücksichtigung seiner jeweiligen Verkehrsbedeutung mehr als nur unwesentlich einengt.

OVG NRW, Beschluss vom 15. April 2011
- Az.: 5 A 954/10 -

Der Kläger wandte sich mit seiner Klage gegen die Festsetzung von Abschleppgebühren. Sein Fahrzeug war abgeschleppt worden, weil es teilweise auf einem Radweg abgestellt war. Davor stand eine lange Reihe weiterer Fahrzeuge, die noch weiter in den Radweg hineinragten als der Wagen des Klägers. Die Klage blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg. Die strittige Abschleppmaßnahme ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Einwand des Klägers greift nach den Ausführungen des OVG nicht durch, das Abschleppen seines Fahrzeugs sei unverhältnismäßig gewesen. Zutreffend habe das VG seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Fall der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern regelmäßig geboten ist. Eine derartige Behinderung kann etwa bei einem Hineinragen des Fahrzeugs in die Fahrbahn gegeben sein.

Entsprechendes gilt im Fall eines nicht nur unerheblichen Hineinragens eines Fahrzeugs in einen Radweg. Radfahrer müssen grundsätzlich nicht damit rechnen, dass der Radweg auch nur teilweise blockiert ist.

Zwar sei ein Abschleppen parkender Fahrzeuge nicht schon gerechtfertigt bei jedem minimalen Hineinragen in einen Radweg, dessen Benutzung vorgeschrieben ist. Mit Blick auf höhere Geschwindigkeiten gegenüber dem Fußgängerverkehr und erforderliche Sicherheitsabstände sei es jedoch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn Gefahren durch das Abschleppen solcher Fahrzeuge beseitigt werden, die einen Radweg mehr als nur unwesentlich einengen. Hierbei sei auch dessen jeweilige Verkehrsbedeutung in den Blick zu nehmen.

Eine mehr als nur unwesentliche Einengung des Radwegs lag hier unter Einbeziehung aller maßgeblichen Gesichtspunkte vor. Insbesondere trifft es nicht zu, dass das Fahrzeug des Klägers mit der rechten Fahrzeugseite lediglich etwa 20 bis 50 cm auf dem in Rede stehenden Radweg stand. Die vom Ordnungsdienst der Beklagten gefertigten Lichtbilder lassen anhand der Farbe und Anordnung der Pflastersteine zweifelsfrei erkennen, dass die Vorderseite des Fahrzeugs mehr als zur Hälfte auf dem Radweg stand. Für den Radverkehr verblieb nur noch etwa 2/3 der Gesamtbreite des für Gegenverkehr ausgebauten Radwegs. Damit stellte sich das Fahrzeug jedenfalls für den Radverkehr in Gegenrichtung als deutliches Hindernis dar und begründete damit eine konkrete Gefährdung.

Hinzu trat hier eine gesteigerte Verkehrsbedeutung des Radwegs. Darüber hinaus durfte sich die Beklagte ergänzend von spezial- und generalpräventiven Gesichtspunkten leiten lassen, weil sie eine Situation vorfand, in der zahlreiche Fahrzeuge behindernd auf dem Radweg abgestellt waren. Einer effektiven Gefahrenabwehr diente es, die Verkehrsverstöße nicht lediglich durch Bußgeld zu ahnden, sondern gegen die Missstände durch ein konsequentes Abschleppen vorzugehen.

Auch unter diesem Gesichtspunkt drängte es sich nicht auf, allein das Fahrzeug des Klägers nur deshalb stehen zu lassen, weil es weniger weit in den Radweg hineinragte als die anderen Fahrzeuge. Im Gegenteil wäre konkret zu befürchten gewesen, dass ein etwaiges alleiniges Verbleiben seines Fahrzeugs für weitere Verkehrsteilnehmer einen Anreiz geboten hätte, ihre Fahrzeuge wiederum behindernd teilweise auf dem Radweg abzustellen.

„Bettensteuer“ in Duisburg rechtens

Die Übernachtungsabgabe ist mit den Vorschriften des nordrhein-westfälischen Kommunalabgabenrechts, des Grundgesetzes und mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar (nichtamtlicher Leitsatz).

VG Düsseldorf, Urteile vom 2. Dezember 2011
- Az.: 25 K 187/11 und 25 K 342/11 -

Das VG Düsseldorf hat am 2. Dezember 2011 in zwei Verfahren betreffend die Erhebung der sog. „Bettensteuer“ durch die Stadt Duisburg mündlich verhandelt und mit den anschließend verkündeten Urteilen die Klagen abgewiesen.

Seit November 2010 erhebt die Stadt Duisburg aufgrund einer vom Rat beschlossenen Satzung von Hotelbetreibern und ähnlichen Betrieben eine Übernachtungsabgabe als örtliche Aufwandsteuer in Höhe von 5 % des Übernachtungspreises. Dagegen hatten zwei Duisburger Hotelbetreiber geklagt. Das VG Düsseldorf hat die Rechtmäßigkeit der Steuererhebung bestätigt. In den Urteilen wird ausgeführt, dass die Übernachtungsabgabe mit den Vorschriften des nordrhein-westfälischen Kommunalabgabenrechts, des Grundgesetzes und mit europäischem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Die Steuer ist nicht der Umsatzsteuer gleichartig; ihre Erhebung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Bundesgesetzgeber ab dem Jahre 2010 für Hotelbetreiber den Mehrwertsteuersatz von 19 % auf 7 % gesenkt hat. Im gleichen Sinne hat bereits im Juli 2011 das VG Köln die Erhebung einer Übernachtungsabgabe durch die Stadt Köln als rechtmäßig bestätigt.

Gegen die Urteile kann die Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster beantragt werden.

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