Heft Dezember 2005

Elternbeitrag für Über-Mittag-Betreuung in Kindertagesstätten

Der Elternbeitrag für die Über-Mittag-Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen nach dem nordrhein-westfälischen Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) ist auch dann in voller Höhe zu zahlen, wenn Kinder das Angebot der Über-Mittag-Betreuung nicht an jedem Tag, sondern nur an einem Tag in der Woche wahrnehmen (nichtamtlicher Leitsatz).

OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2005
- Az.: 12 A 2184/03 -

Die beiden Töchter eines Ehepaares aus dem Kreis Düren (Kläger) besuchten dort eine Kindertageseinrichtung; sie hatten in der Zeit von 1998 bis 2001 einmal wöchentlich an der von montags bis freitags angebotenen Betreuung über Mittag teilgenommen. Dafür verlangte der Kreis Düren als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Beklagter) monatlich neben dem Grundbetrag für den Besuch der Kindertageseinrichtung (143 DM je Kind) den für die Über-Mittag-Betreuung vorgesehenen zusätzlichen Beitrag von 82 DM je Kind. Die Kläger zahlten zunächst diesen zusätzlichen Beitrag, forderten ihn aber später zurück mit der Begründung, dass ihre Kinder die Über-Mittag-Betreuung nicht durchgängig, sondern nur jeweils an einem Tag in der Woche in Anspruch nähmen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK sei ein zusätzlicher Beitrag nur für „die regelmäßige Betreuung eines Kindes im Kindergarten über Mittag (zwischen 12.30 Uhr und 14.00 Uhr ...) zu zahlen“. Der Beklagte lehnte die Erstattung ab. Dagegen klagten die Eltern zunächst vor dem Verwaltungsgericht Aachen, das ihre Klage abwies. Gegen diese Entscheidung legten die Kläger Berufung ein, die das Oberverwaltungsgericht nunmehr mit dem o. g. Beschluss zurückgewiesen hat. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der zusätzliche Elternbeitrag setze ebenso wie der für den Besuch der Tagesstätte außerhalb der Über-Mittag-Betreuung zu leistende Elternbeitrag lediglich die Teilnahme, d. h. die Inanspruchnahme der Über-Mittag-Betreuung als solche („ob“) voraus. Der Umfang der Inanspruchnahme sei für die Entstehung der Beitragspflicht grundsätzlich unbeachtlich. Komme es letztlich nicht darauf an, ob die Über-Mittag-Betreuung etwa an einem Tag, an zwei oder an fünf Tagen in der Woche genutzt werde, könne das Tatbestandsmerkmal der „regelmäßigen Betreuung“ in § 17 Abs. 1 Satz 6 GTK systemgerecht nur so verstanden werden, dass eine regelmäßige Über-Mittag-Betreuung auf Seiten der Tageseinrichtung „regelmäßig“ vorgehalten werden müsse, unabhängig davon, ob diese über das für eine Teilnahme notwendige Mindestmaß hinaus auch in Anspruch genommen werde. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Der Träger der von den Kindern der Kläger besuchten Tageseinrichtung habe eine Über-Mittag-Betreuung an fünf Tagen in der Woche über den maßgebenden Zeitraum angeboten. An dieser Betreuung hätten die Kinder der Kläger einmal in der Woche teilgenommen.

Soweit ein Erlass des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen vom 06.03.2001 - IV A 2-6001.22 - die Erhebung des zusätzlichen Elternbeitrags erst dann als gerechtfertigt ansehe, wenn ein Kind mehrmals (mindestens dreimal) pro Woche zwischen 12.30 Uhr und 14.00 Uhr tatsächlich betreut werde, sei diese Verwaltungsvorschrift für die Gerichte nicht bindend.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Gegen die Nichtzulassung der Revision kann Beschwerde eingelegt werden, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.

Wahlbeeinflussung bei Bürgermeisterwahl

1. Begeht bei einer Bürgermeisterwahl eine Fraktion zur Unterstützung ihres Kandidaten eine unzulässige Wahlbeeinflussung, findet der weite Prüfungsmaßstab für private, nicht der restriktive für amtliche Wahlbeeinflussung Anwendung.

2. Der Senat lässt offen, ob über die bislang anerkannten Fallgruppen unzulässiger Wahlbeeinflussung hinaus dann ein besonderer Prüfungsmaßstab gilt, wenn der erfolgreiche Bewerber selbst die unzulässige Wahlbeeinflussung - unmittelbar oder mittelbar - bewirkt hat.

OVG NRW, Beschluss vom 30. September 2005
- Az.: 15 A 2983/05 -

Der Kläger als Wahlberechtigter focht eine Bürgermeisterwahl in einer Gemeinde an, weil eine Ratsfraktion den Bürgermeisterkandidaten ihrer Partei mit einer Wahlwerbeschrift unterstützt hatte, in der dem Landrat des Kreises, dem die Gemeinde angehört, und dem Bürgermeister einer Nachbargemeinde den Kandidaten unterstützende Äußerungen zugeschrieben wurden, die sie nie getan hatten. Das VG wies die Klage ab. Das OVG NRW lehnte die Zulassung der Berufung ab.

Die falsche Darstellung von Äußerungen des Landrats und des Bürgermeisters einer Nachbargemeinde in der Wahlwerbedruckschrift der X-Fraktion im beklagten Rat stelle keinen relevanten Wahlfehler dar.

Bislang sind in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts vier Arten unzulässiger Wahlbeeinflussung mit je unterschiedlichem Maßstab anerkannt, nämlich die strafbare, die amtliche, die geistliche und die unter besonderem Druck vorgenommene private Wahlbeeinflussung.

Zu Recht hat das VG im Rahmen der Prüfung, ob ein Wahlfehler im Sinne des § 40 Abs. 1 Buchst. b KWahlG vorliegt, auf die unwahren Ausführungen in der Wahlwerbedruckschrift der X-Fraktion nicht die Grundsätze unzulässiger amtlicher Wahlbeeinflussung angewandt. Amtliche Wahlbeeinflussung ist grundsätzlich unzulässig und unterliegt damit besonders scharfen Restriktionen, weil mit ihr hoheitliche Autorität zur Beeinflussung der Wahl in Anspruch genommen wird. Die Freiheit der Wahl erfordert aber, dass die Wähler ihr Urteil in einem freien, offenen Prozess der Meinungsbildung gewinnen und fällen können. Daraus ergibt sich, dass hoheitliche Autorität, die selbst demokratischer Legitimation bedürftig ist, nicht eingesetzt werden darf, um die Wahl als Akt demokratischer Legitimationsverschaffung zu beeinflussen.

Hier ist die X-Fraktion zwar ein Teil des Rates und insofern in die Gemeinde als Hoheitsträger eingeordnet. Jedoch kann die Fraktion nicht die Autorität der Gemeinde in Anspruch nehmen, da sie lediglich die Auffassung der einzelnen Ratsmitglieder bündelt, die sich - hier auf der Basis derselben Parteizugehörigkeit - zu der Fraktion zusammengeschlossen haben. Daher kann eine Fraktion ebenso wenig hoheitliche Autorität für sich in Anspruch nehmen wie das einzelne Ratsmitglied, mag auch den Äußerungen einer Fraktion - namentlich einer Mehrheitsfraktion - erhebliches politisches Gewicht zukommen. Insofern beurteilt sich die Wahlbeeinflussung durch eine Fraktion ebenso wie die durch eine Partei nach den Grundsätzen privater Wahlbeeinflussung. Die Schwelle einer einen Wahlfehler darstellenden unzulässigen privaten Wahlbeeinflussung, also die unter besonderem Druck vorgenommene Einwirkung auf den Wähler, die geeignet ist, dessen Entscheidungsfreiheit ernstlich zu beeinträchtigen, ist durch die nicht wahrheitsgemäße Darstellung in der Wahlwerbeschrift der X-Fraktion nicht überschritten, wie das VG geurteilt hat und auch der Kläger im Zulassungsverfahren anerkennt.

Der Senat lässt allerdings offen, ob über die bislang anerkannten Fallgruppen hinaus dann ein besonderer Prüfungsmaßstab gilt, wenn der erfolgreiche Bewerber selbst die unzulässige Wahlbeeinflussung - unmittelbar oder mittelbar - bewirkt hat. Da der oben genannte Grundsatz der Wahlstabilität keinen derartig weit reichenden Vorrang vor der Wahlfreiheit beanspruchen dürfte, würden ergebnisrelevante Täuschungshandlungen des erfolgreichen Wahlbewerbers die Frage einer Aberkennung seines Mandats im Wege der Wahlprüfung aufwerfen.

Derartige Erwägungen stellen sich jedoch hier nicht: Dass der Beigeladene als erfolgreicher Kandidat sich an den vom VG festgestellten unwahren Darstellungen selbst - aktiv oder passiv - beteiligt hat, hat weder das VG festgestellt noch wird dies vom Kläger im Zulassungsverfahren behauptet.

Deutschkenntnisse von Bewerbern um Einbürgerung

Eine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse setzt Sprachkenntnisse voraus. Das Staatsangehörigkeitsgesetz lässt - anders als z. B. das Bundesvertriebenengesetz für die Spätaussiedlereigenschaft - nicht die Fähigkeit zu einem „einfachen Gespräch auf Deutsch“ genügen. Daher verlangt es für die Anspruchseinbürgerung neben mündlichen grundsätzlich auch gewisse Kenntnisse der deutschen Schriftsprache (nichtamtliche Leitsätze).

BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 2005
- Az.: - 5 C 8.05 und 5 C 17.05 -

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat über die Einbürgerungsbegehren zweier seit 20 bzw. 27 Jahren in Deutschland lebender und arbeitender Ausländer entschieden, deren Klagen in der Vorinstanz allein am Fehlen hinreichender deutscher Sprachkenntnisse gescheitert waren. Das Staatsangehörigkeitsgesetz macht die Anspruchseinbürgerung u. a. von „ausreichenden Kenntnissen der deutschen Sprache“ abhängig. Beide Kläger können zwar Deutsch sprechen, der eine kann aber weder lesen noch schreiben und der andere kann Deutsch zwar lesen, aber nicht selbst schreiben. Ihr Anspruch auf Einbürgerung hängt davon ab, ob und in welchem Umfang Kenntnisse auch der deutschen Schriftsprache vorliegen müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht bekräftigt, dass eine Integration in die deutschen Lebensverhältnisse Sprachkenntnisse voraussetzt. Im Hinblick darauf, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz - anders als z.B. das Bundesvertriebenengesetz für die Spätaussiedlereigenschaft - nicht die Fähigkeit zu einem „einfachen Gespräch auf Deutsch“ genügen lässt, verlangt es für die Anspruchseinbürgerung neben mündlichen grundsätzlich auch gewisse Kenntnisse der deutschen Schriftsprache. Es reicht aber aus, wenn der Ausländer im familiär-persönlichen und im geschäftlichen Umfeld sowie im Umgang mit Behörden und Ämtern schriftlich verkehren kann. Der Einbürgerungsbewerber muss sich hierfür jedoch nicht eigenhändig schriftlich ausdrücken können. Wenn ein Einbürgerungsbewerber nicht selbst deutsch schreiben kann, reicht es aus, wenn er einen deutschsprachigen Text des täglichen Lebens lesen und deutsch diktieren sowie das von Dritten oder mit technischen Hilfsmitteln Geschriebene auf seine Richtigkeit überprüfen kann und somit die schriftliche Äußerung als seine „trägt“.

Diese Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht in einem der beiden Fälle bejaht. In dem Fall des Analphabeten blieb das Klagebegehren nach diesen Maßstäben erfolglos.

© StGB NRW 2005

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