Heft April 2016

Wettbürosteuer-Satzungen unzulässig

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat in zwei Normenkontrollverfahren von Wettbürobetreibern entschieden, dass die Satzungen der Städte Mannheim (Az. 2 S 1019/15) und Lahr (Az. 2 S 2067/14) über eine Vergnügungssteuererhebung für Wettbüros unwirksam sind, sowie in parallelen Berufungsverfahren die Städte Rastatt (Az. 2 S 1231/15, 2 S 1232/15, 2 S 1233/15) und Kehl (Az. 2 S 1025/14, 2 S 1026/14, 2 S 1027/14) betreffend geurteilt, dass die gegenüber den klagenden Wettbüros ergangenen Steuerbescheide rechtswidrig sind. (Orientierungssatz)

VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 28.01.2016
- Az.: 2 S 1019/15 und 2 S 2067/14 -

Gegen die Wettbürosteuererhebung geklagt hatten jeweils Betreiber von Wettbüros im Gebiet der genannten Gemeinden. Dabei machten sie geltend, diese Form der Vergnügungssteuer sei nicht mit höherrangigem Recht vereinbar. Den beklagten Kommunen fehle insbesondere eine Regelungskompetenz, weil es an einem nach § 9 Abs. 4 Kommunalabgabengesetz und Art. 105 Abs. 2 a Grundgesetz besteuerbaren örtlichen Aufwand fehle.

Daneben sei die Besteuerung gleichheitswidrig (Ungleichbehandlung von Wettbüros gegenüber sonstiger Wettvermittlung in Wettannahmestellen oder per Onlinewette), mit der bundesgesetzlichen Besteuerung von Sportwetten nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz gleichartig und im Kontext der Gesamtrechtsordnung inkonsistent, da sie die Zielsetzungen des Staatsvertrags zum Glücksspielwesen in Deutschland und des Landesglücksspielgesetzes konterkariere.

Der VGH gab den Rechtsbehelfen der Wettbürobetreiber statt, weil er die kommunalen Satzungen über eine Wettbürosteuer im Ergebnis für unwirksam hält. Zwar stehe den Gemeinden das in § 9 Abs. 4 KAG und Art. 105 Abs. 2 a GG normierte Recht zur Regelung örtlicher Verbrauch- und Aufwandsteuern grundsätzlich solange und soweit zu, wie diese nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Dies setze allerdings als unverzichtbares Merkmal das Bestehen eines geeigneten entgeltlichen Aufwands voraus: Anknüpfungspunkt einer solchen Steuer müsse in jedem Falle ein privater Konsum in Form eines äußerlich erkennbaren Zustands sein, für den finanzielle Mittel verwendet werden.

Der streitgegenständlichen Wettbürosteuer fehle dieser Anknüpfungspunkt. Sie beziehe sich auf eine Kombination von Wettvermittlung/-veranstaltung und das Ermöglichen eines Mitverfolgens der Wettereignisse. Darin liege kein mit einer kommunalen Aufwandsteuer im Sinne von § 9 Abs. 4 KAG besteuerbarer entgeltlicher Aufwand vor. Ein Aufwand in diesem Sinne könne insbesondere nicht im gewerblichen Aufwand des Wettbürobetreibers gesehen werden. Der entgeltliche Aufwand der Gäste in Form des Wetteinsatzes oder eines sonstigen Entgelts z. B. in Form von Eintrittsgeld könne insoweit nicht in Ansatz gebracht werden, weil sich die Steuer nach der Fläche des jeweiligen Wettbüros bemesse. Ein solcher Flächenmaßstab sei nicht hinreichend realitätsnah und verstoße deshalb gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Eine Revision gegen diese Entscheidungen zum Bundesverwaltungsgericht wurde vom VGH nicht zugelassen, was allerdings innerhalb eines Monats nach Zustellung der Urteile mittels Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht angefochten werden kann.

Für Nordrhein-Westfalen haben die Entscheidungen keine direkten Auswirkungen. Neben den Urteilen des VGH Mannheim existieren auch Entscheidungen anderer Gerichte, etwa des VG Gelsenkirchen vom 12.06.2015 (Az. 2 K 37/15), die eine Wettbürosteuererhebung auch unter Verwendung eines Flächenmaßstabs bestätigt hatten. Eine höchstrichterliche Klärung bleibt somit abzuwarten.

Fraktionsantrag auf Einberufung des Rates

1. Eine Fraktion im Rat einer Gemeinde kann allgemein oder im Einzelfall eine Person - etwa den Geschäftsführer - damit beauftragen, den zuvor gefassten Beschluss der Fraktion, die Einberufung des Rates nach § 47 Abs. 1 Satz 4 der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) zu verlangen, durch Einreichung des förmlichen Antrags zu übermitteln. Der Unterzeichnung des Antrags durch die Fraktionsmitglieder bedarf es in diesem Fall nicht.

2. Sind die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW erfüllt, sind dem Bürgermeister für die Ablehnung eines Antrags auf Einberufung des Rates enge Grenzen gesetzt. Er hat kein inhaltliches Prüfungsrecht hinsichtlich der Gegenstände, deren Beratung beantragt wird. (Leitsätze)

VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.01.2016
- Az.:
1 L 103/16 -

Per Beschluss hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf dem Antrag einer Ratsfraktion auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben, wonach der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf dazu verpflichtet wurde, unverzüglich eine Ratssondersitzung nach § 47 GO NRW einzuberufen und eine mögliche Aufhebung der Anfang Januar 2016 erteilten Sondernutzungserlaubnis für den Aufbau und Betrieb eines Riesenrads auf dem Corneliusplatz ab dem 18. Januar 2016 zur Beratung zu stellen.

Der Antragstellerin stehe ein Anspruch auf unverzügliche Einberufung des Rates aus § 47 Abs. 1 S. 4 GO NRW zu. Danach hat der Bürgermeister den Rat unverzüglich einzuberufen, wenn ein Fünftel der Ratsmitglieder oder eine Fraktion unter Angabe der zur Beratung zu stellenden Gegenstände es verlangen. Der hier gegenständliche Fraktionsantrag habe insbesondere wirksam durch den unterzeichnenden Geschäftsführer der Antragstellerin eingereicht werden können, wenn dieser den Entschluss der Fraktion übermittele, wozu er etwa durch Beschluss oder eine Regelung in deren Statut ermächtigt werden könne. Dies gelte auch dann, wenn die Geschäftsordnung des Rates keine vergleichbare ausdrückliche Regelung enthalte.

Da Rat, Bürgermeister und Ratsfraktion in einem Treueverhältnis zueinander stünden, das grundsätzlich gebiete, von der Redlichkeit des Verhaltens anderer Gemeindeorgane bzw. von diesen beauftragter Personen auszugehen, dürfe der Bürgermeister - gleichsam als Nachweis der Beauftragung - die Vorlage eines zugrundeliegenden Fraktionsbeschlusses nur dann verlangen, wenn Umstände vorliegen, die Zweifel an diesem Beschluss zulassen. Ansonsten sei eine Vorlage nicht erforderlich.

Das Gegenargument, aus dem vom Geschäftsführer unterschriebenen Antrag werde allein nicht ersichtlich, dass er von allen Fraktionsmitgliedern getragen werde, greife daher nicht durch. Nach dem - auch dem Bürgermeister bekannten - Statut der Antragstellerin war der Geschäftsführer zeichnungsberechtigt. Daneben lägen auch die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf unverzügliche Einberufung des Rates nach § 47 Abs. 1 Satz 4 GO NRW vor, weil die Fraktion antragsbefugt sei und den zur Beratung zu stellenden Gegenstand hinreichend bestimmt bezeichnet habe.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, seien dem Bürgermeister für die Ablehnung des Antrags enge Grenzen gesetzt. Grundsätzlich müsse der Rat in diesem Fall einberufen werden, ohne Rücksicht etwa darauf, ob nach Auffassung des Bürgermeisters die Zuständigkeit der Gemeinde oder des Rates gegeben ist, ob es sich um mehr oder weniger bedeutungsvolle, um wesentliche, eilige oder nicht eilbedürftige Beratungsgegenstände handele. Diese Pflicht ende erst bei erkennbar fehlender Ernsthaftigkeit des Antrags, wenn ein verständiger Sinn nicht möglich oder das Begehren aus tatsächlichen Gründen nicht beratungsfähig sei oder die Grenze zum Rechtsmissbrauch überschritten sei.

Im streitgegenständlichen Fall reiche für das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs insbesondere nicht das Argument, es fehle dem Rat an einer Organkompetenz, so dass er die Sondernutzungserlaubnis nicht aufheben könne. Ebenso wenig konnte der Antragsgegner mit den Gesichtspunkten durchdringen, der Antrag werde keine Mehrheit finden bzw. sein Gegenstand sei auf Ausschussebene bereits diskutiert worden. Selbst wenn der Bürgermeister verpflichtet wäre, einen antragsgemäßen Ratsbeschluss im Nachgang zu beanstanden, dürfe er nicht von der Einberufung des Rates bzw. der Aufnahme des Gegenstandes in die Tagesordnung absehen. Denn dem Bürgermeister komme im Vorfeld einer Sitzung des Rates kein inhaltliches Prüfungsrecht hinsichtlich der Gegenstände zu, deren Beratung beantragt wird.

Aufgrund des durch das Gesetz im Interesse des Minderheitenschutzes begründeten Anspruchs sei es der Bewertung des Antragsgegners - und auch des Gerichts - entzogen, ob die Durchführung einer Ratssitzung sachlich geboten oder auch nur sinnvoll sei. Die mit einer solchen - aus Sicht der Ratsmehrheit verzichtbaren - Sitzung verbundenen Aufwendungen und Kosten nehme die GO NRW im Interesse einer vitalen Demokratie auch auf kommunaler Ebene in Kauf.

Besetzung einer Beförderungsstelle

Erfolgreiche Beschwerde einer Städtischen Oberamtsrätin in einem die Besetzung einer Beförderungsstelle eines Leiters des Amtes für Soziales, Wohnen und Rettungswesen betreffenden Konkurrentenstreitverfahren.

Zur Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen zu dokumentieren. (Leitsätze)

OVG NRW, Beschluss vom 22.02.2016
- Az.:
6 B 1357/15 -

Im Wege der einstweiligen Anordnung hat das nordrhein-westfälische Oberverwaltungsgericht (OVG) einer Kommune aufgegeben, die intern ausgeschriebene Beförderungsstelle eines Leiters/einer Leiterin des Amtes für Soziales, Wohnen und Rettungswesen nicht mit dem Beigeladenen zu besetzen, bis über die Bewerbung der Antragstellerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu entschieden worden ist.

Das Gericht entschied zugunsten der Mitbewerberin, die in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG jedenfalls deshalb verletzt sei, weil die einstellende Kommune die Gründe, auf die sich ihre Auswahlentscheidung gestützt hatte, nicht im Verwaltungsverfahren schriftlich dokumentiert habe. Dies stelle einen bereits kraft Verfassungsrechts beachtlichen Fehler innerhalb des Auswahlverfahrens dar.

Das nach Art. 33 Abs. 2 GG bestehende subjektive Recht des Beförderungsbewerbers auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Entscheidung über seine Bewerbung wirke sich stark auf das entsprechende Verwaltungsverfahren aus, das insbesondere nicht so ausgestaltet sein dürfe, dass es gerichtlichen Rechtsschutz vereitele oder unzumutbar erschwere. Dies führe auch zu der Verpflichtung, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen, um eine sachgerechte Kontrolle durch den unterlegenen Bewerber und ggf. durch Gerichte zu gewährleisten.

Letztlich nur dadurch werde der Mitbewerber in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen und er daher gerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen will. Aus Art. 33 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 GG folge deshalb zugleich auch eine Verpflichtung des Dienstherrn, dem Unterlegenen Kenntnis vom Ausgang des Auswahlverfahrens zu geben (sog. Konkurrentenmitteilung). Im Nachgang sei es dann Sache des unterlegenen Bewerbers, sich mittels eines Antrags auf Einsicht in die Verwaltungsakten ergänzende Informationen selbst zu beschaffen.

Demgegenüber würden die Rechtsschutzmöglichkeiten des Betroffenen in unzumutbarer Weise gemindert, wenn die jeweiligen Auswahlerwägungen erstmals im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens dargelegt werden müssten. Um überhaupt nur die tragenden Erwägungen der Besetzungsentscheidung zu erfahren, würde eine Überprüfung gewissermaßen „ins Blaue hinein“ erfolgen müssen. Im Übrigen würde eine vollständige Nachholung oder Auswechselung der Ermessenserwägungen erst während des gerichtlichen Verfahrens auch den Rechtsprechungs-Grundsätzen zu Ermessensentscheidungen generell (genauer: zur Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO) widersprechen. Insofern komme auch eine Heilung des ursprünglichen Fehlers während des Prozesses nicht in Betracht.

Da im zu entscheidenden Fall nicht aktenkundig gemacht worden sei, welche Gründe die Antragsgegnerin veranlasst hätten, den Beigeladenen für die Beförderungsstelle auszuwählen, sei dem Antrag der Mitbewerberin zu entsprechen. Seien wegen des Verfahrensmangels die entscheidenden Kriterien, anhand derer die Antragsgegnerin den Bewerbervergleich vorgenommen hat, nicht nachvollziehbar festgelegt worden, könne auch der Ausgang eines etwaigen neuen Besetzungsverfahrens nicht vorausschauend beurteilt werden. Insbesondere könne nicht - anders als in erster Instanz angenommen - von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Auswahl der Bewerberin im Falle eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens möglich erscheint.

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