Heft April 2010

Mindesthebesatz bei der Gewerbesteuer

Der gesetzlich vorgeschriebene Mindesthebesatz von 200 Prozent für die Gewerbesteuer ist verfassungskonform (nichtamtlicher Leitsatz).

BVerfG, Beschluss vom 27. Januar 2010
- Az.: 2 BvR 2185/04 und 2 BvR 2189/04 -

Seit dem 1. Januar 2004 sind Gemeinden nach § 1, § 16 Abs. 4 Satz 2 GewStG verpflichtet, Gewerbesteuern zu einem Mindesthebesatz von 200 % zu erheben. Zuvor stand es den Gemeinden frei, jeden beliebigen Hebesatz festzusetzen und durch eine Festsetzung des Hebesatzes auf Null von der Erhebung der Gewerbesteuer gänzlich abzusehen.

Die Beschwerdeführerinnen, zwei Gemeinden in Brandenburg, wendeten sich mit Kommunalverfassungsbeschwerden gegen die Neuregelung. Sie wollen weiterhin die Möglichkeit haben, wie in der Vergangenheit niedrigere Hebesätze zu bestimmen oder keine Gewerbesteuer zu erheben. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen. Der gesetzlich vorgeschriebene Mindesthebesatz von 200 % für die Gewerbesteuer ist verfassungskonform. Die Neuregelung verstoße nicht gegen die grundgesetzlich gewährleistete kommunale Finanzhoheit und die von ihr umfasste Hebesatzautonomie. Art. 28 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 6 GG gewährleisten nicht, dass den Gemeinden das Recht zur Festsetzung des Hebesatzes der Gewerbesteuer ohne gesetzliche Einschränkungen eingeräumt werde. Die mit dem gesetzlichen Mindesthebesatz von 200 % verbundene Beschränkung des Hebesatzrechts berührt danach die Finanzautonomie der Gemeinde nicht in ihrem Kernbereich, weil den Gemeinden ein erheblicher Gestaltungsspielraum erhalten bleibe.

Die Neuregelung ist danach durch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG gedeckt. Sie sei zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich.

Die Vorschriften verstießen nicht gegen die im Grundgesetz als Bestandteil der allgemeinen Selbstverwaltungsgarantie gewährleistete kommunale Finanzhoheit. Art. 28 Abs. 2 Satz 3 und Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG gewährleisteten nicht, dass den Gemeinden das Recht zur Festsetzung des Hebesatzes der Gewerbesteuer ohne gesetzliche Einschränkungen eingeräumt wird. Die gemeindliche Hebesatzautonomie verlange insbesondere keine unentziehbare Befugnis der Gemeinden, auf die Erhebung der Gewerbesteuer ganz zu verzichten. Das Grundgesetz fuße nicht auf einer einfachgesetzlichen Tradition uneingeschränkter Gestaltungsfreiheit der Gemeinden bei den Hebesätzen. Mit der wettbewerblichen Funktion der Gewährleistung eines Hebesatzrechts können auch gesetzliche Bestimmungen vereinbar sein, die die Freiheit des Wettbewerbsverhaltens begrenzen, um diesen in gemeinwohlverträglichen Bahnen zu halten. Den Gemeinden sei weder eine bestimmte Aufkommenshöhe noch die Gewerbesteuer als solche von Verfassungs wegen garantiert.

Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des gemeindlichen Hebesatzrechts lasse allerdings keine beliebigen Einschränkungen zu. Der „Rahmen der Gesetze“, an den Art. 106 Abs. 6 Satz 2 GG das Hebesatzrecht bindet, darf nicht beliebig eng gezogen werden. Die Finanzhoheit muss den Gemeinden im Kern erhalten bleiben. Das Hebesatzrecht darf nicht unverhältnismäßig beschränkt werden.

Diesen Anforderungen werde der gesetzliche Mindesthebesatz von 200 % für die Gewerbesteuer gerecht. Die Regelung diene dem legitimen Ziel, die Bildung von „Steueroasen“ zu verhindern und die Streuung von Gewerbebetrieben über das ganze Land hinweg zu fördern, sowie der Sicherung der verfassungsrechtlich vorgesehenen Gewerbesteuer-Umlage. Da die Berechnung der Umlage vom Ist-Aufkommen der Gewerbesteuer abhänge, kann sich eine Gemeinde durch Festsetzung des Hebesatzes auf Null der Abführung der Umlage entziehen. Die Festlegung eines Mindesthebesatzes verhindere, dass Gemeinden einen Anteil an der Einkommensteuer erhalten, ohne sich an der Gegenfinanzierung durch die Gewerbesteuerumlage zu beteiligen. Ein Mindesthebesatz von 200 % wahre auch die Grenzen der Zumutbarkeit. Das Hebesatzrecht als solches bleibe den Gemeinden weiter erhalten. Bei dem maßvollen, weit unter dem Durchschnitt liegenden Mindesthebesatz von 200 % ist es ihnen weiterhin möglich, Standortnachteile auszugleichen und am interkommunalen Wettbewerb um Gewerbeansiedlungen teilzunehmen.

Glasverbot im Kölner Straßenkarneval

Der 5. Senat des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen hat das für den Kölner Straßenkarneval verfügte Glasverbot der Stadt Köln bestätigt und damit eine anderslautende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln aufgehoben.

OVG NRW, Beschluss vom 10. Februar 2010
- Az.: 5 B 119/10 sowie 5 B 147, 148, 149 und 150/10 -

Mit einer für sofort vollziehbar erklärten Allgemeinverfügung hatte die Stadt Köln für bestimmte Zeiten an den Karnevalstagen in der Altstadt, im Zülpicher Viertel und im Bereich der Ringe ein allgemeines Verbot ausgesprochen, Glasbehältnisse mitzuführen und zu benutzen.

Zur Begründung seiner Entscheidung hat das OVG ausgeführt: Zwar werde im Allgemeinen durch das bloße Mitführen und Benutzen von Glasbehältnissen eine Gefahrenschwelle nicht überschritten. Jedoch gäben die besonderen Verhältnisse des Kölner Straßenkarnevals nach den Erfahrungen der letzten Jahre Anlass zu einer differenzierteren Betrachtung. Es komme alljährlich durch am Boden liegende Glasflaschen und Scherben inmitten dicht gedrängter Menschenmassen zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit. Nach Auffassung des Senats sei zwar fraglich, ob diese Gefahrenlage effektiv durch das in Rede stehende Glasverbot bekämpft werden könne, ob unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten auch die Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen gerechtfertigt sei und ob das Vorgehen der Stadt Köln nicht einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfe.

Bei der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen allgemeinen Folgenabwägung bestehe jedoch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Durchsetzung des Glasverbots. Das von der Stadt Köln ausgearbeitete Kontrollkonzept sei nicht von vornherein ungeeignet zur Bekämpfung der von Glasbruch beim Karneval ausgehenden Gefahren. Es spreche vielmehr vieles dafür, dass dieses Konzept zu einer erheblichen Reduzierung der durch Glasbruch verursachten Schäden führen werde. Diese Annahme rechtfertigten insbesondere die Erfahrungen, welche die Stadt Dortmund anlässlich der Loveparade im Jahre 2008 mit einem ähnlichen Konzept gemacht habe. Danach sei die Zahl der Schnittverletzungen gegenüber einer entsprechenden Vorjahresveranstaltung in Essen ganz erheblich zurückgegangen. Gegenüber diesen Gesichtspunkten wiege die mit dem Verbot einhergehende Belastung für die Karnevalisten, Glasbehältnisse weder mitführen noch benutzen zu dürfen, weniger schwer.

Hingegen hatte der Antrag Erfolg, soweit er sich gegen die Androhung von Zwangsmitteln im Wege der Allgemeinverfügung richtete. Der Senat bestätigte die bereits vom Verwaltungsgericht angeführten Bedenken gegen eine ordnungsgemäße förmliche Zustellung an die Betroffenen. Er wies darauf hin, dass es der Stadt allerdings unbenommen sei, etwaige Zwangsmittelandrohungen den jeweils Betroffenen vor Ort unmittelbar zuzustellen.

Zeitgleich lehnte der Senat vier weitere Beschwerden von Imbiss- und Kiosk-Betreibern gegen ihnen gegenüber ausgesprochene Verkaufsverbote für Getränke in Glasbehältnissen ab. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

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