Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 22/2019 vom 18.12.2018

Beihilfe bei kommunaler Finanzierung von Alten- und Pflegeheimen

Das OLG Nürnberg hat in seinem Urteil vom 21.11.2017 (- 3 U 134/17 - juris) die Binnenmarktrelevanz von Zuwendungen einer kreisfreien Stadt an ein Alten- und Pflegeheim, das ein örtlich geprägtes Einzugsgebiet hat, Standardleistungen im Pflegebereich anbietet und dessen Bewohner nicht aus anderen Mitgliedsstaaten, sondern nur aus der näheren Region stammen, verneint. Damit waren die Zuwendungen nicht als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu qualifizieren.

Der Streitfall: Die beklagte kreisfreie Stadt ist zu 100 % an einer steuerbegünstigten Gesellschaft beteiligt, die ein Alten- und Pflegeheimbetreibt („Bürgerstift“). In den Jahren 2010 bis 2015 wurden Verluste in Höhe von über 7,5 Mio. Euro erwirtschaftet. Daraufhin unterstützte die beklagte Stadt das Bürgerstift mit Kapitaleinlagen in Höhe von über 3,9 Mio. € sowie mit über 8 Mio. Euro für einen Neubau.

Hiergegen wendete sich ein Verband zur Wahrnehmung der Interessen privater Unternehmen der Alten- und Behindertenhilfe mit einer Unterlassungsklage. Er sah in den Zuwendungen der Beklagten verbotene staatliche Beihilfen, die mangels Notifizierung bei der EU-Kommission gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 AEUV verstießen. Ferner liege eine Ungleichbehandlung vor, weil nur der Beteiligungsgesellschaft der Stadt, nicht aber den Einrichtungen anderer Betreiber durch die gewährten Zuschüsse und Verlustübernahmen der Stadt eine Existenzgarantie gewährt werde. Dies führe zu einer Wettbewerbsverzerrung.

Das OLG hat sich gegen die Annahme einer EU-rechtswidrigen Beihilfe und damit gegen einen Verstoß gegen das Durchführungsverbot ausgesprochen. Unzulässige staatliche Beihilfen gemäß Art. 107 Abs. 1 AEUV sind nur dann gegeben, wenn Mittel gewährt werden, die durch die Begünstigung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedsstaaten beeinträchtigen. Nach Auffassung des Gerichts fehlte es im Streitfall an der erforderlichen Binnenmarktrelevanz.

Zwar sei unbenommen, dass eine staatliche Unterstützung auch dann Auswirkungen auf den innerstaatlichen Handel innerhalb der EU haben könne, wenn das begünstigte Unternehmen nicht unmittelbar am grenzüberschreitenden Handel teilnehme. Allerdings sei dies im Falle eines Alten- und Pflegeheims mit örtlich geprägtem Einzugsgebiet ohne Anziehungskraft auf Kunden anderer Mitgliedsstaaten nicht der Fall.

Damit folgt das OLG der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Zulässigkeit von Defizitausgleichen zugunsten von Kliniken, die überwiegend Standardleistungen im Bereich der Grund- und Regelversorgung erbringen (BGH, Urteil v. 24.03.2016 - I ZR 263/14). Wie in dem der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Fall fehlt es nach Auffassung des Gerichts an einer grenzüberschreitenden Nachfrage.

Auch die Tatsache, dass sich im Umkreis der Einrichtung knapp 40 vergleichbare Pflegeheime befinden, sei ein Indiz dafür, dass die gewährten Zuwendungen zu keiner Wettbewerbsverzerrung führten. Damit kommt das OLG zu dem Ergebnis, dass in diesem Fall mangels Tatbestandsmäßigkeit kein Verstoß gegen das EU-Beihilferecht vorliegt. Schließlich verneinte das Gericht unter Hinweis auf die gesetzliche Kompetenzzuweisung an die Gemeinden auch eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 GG.

Das Urteil des OLG Nürnberg folgt in ganzer Linie der Rechtsprechung des BGH. Die von der EU-Kommission und der Rechtsprechung des EuGH und des BGH entwickelten Maßstäbe zum Kriterium der fehlenden Binnenmarktrelevanz bei lokal begrenzten Dienstleistungen werden konsequent auf das Leistungsangebot im Bereich der Altenpflege angewandt.

Az.: 28.2-001/001 we

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